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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0435

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34 I

Die Vastellmaleret

Nach Mitteilungen Professor B. Piglheins, nicdergeschricbe» von Professor L. Raupp^)



1. Allgemeines.

Malerei mit farbigen Kreidestiften, nach dem

italienischen pastslb,, Farbenstift, Pastell genannt,
hat sich in neuester Zeit nach jahrzehntelanger, fast voll-
ständiger Vergessenheit, rasch und mit großem Erfolg
erneut einen Platz unter den verschiedenen Arten male-
rischer Technik erobert.

Das Pastell besitzt vor allem den wert-
vollen Vorzug der lichtvollen Erscheinung
und gerade sein trockenes Material verleiht
der Pastelltcchnik einen ungemein weichen,
samtartigen Reiz. Deshalb eignet sich die-
selbe auch vorzugsweise in ihrem schmeicheln-
den Hellen Farbenreichtum zu dankbarer
Wiedergabe weiblicher graziöser Jugend, wie
der naiven Kinderwelt. Anmut und Frische,
welche das Auge besticht, ist so recht das
Charakteristikum dieser Technik des Rokoko.

Zwar leitet das Pastell seinen Ur-
sprung bereits aus dem 16. Jahrhundert
her, schon Leonardo da Vinci soll sich des
Pastells zu den Vorstudien bei seinen
Apostel- und Christusköpfen bedient haben.

Dann wird der Franzose Jos. Vivien 1657
bis 1735, ein Schüler von Charles Lebrun,
als einer der ersten Maler in Pastell ge-
nannt. Rasch errang die neue Technik fast
vollständig die Alleinherrschaft, sie ward so
recht eigentlich zum künstlerisch-typischen
Ausdruck einer Zeit heiterer Frivolität und
graziös sinnlichen Lebensgenusses. Als einen
der späteren französischen Meister nennt
man Latour, unter den Italienern Rosalba
Carriera, dann Russell und Raphael Mengs
unter den Engländern und Deutschen. Wer-
das Pastell des 18. Jahrhunderts kennen
lernen will, findet in der Sammlung der
Dresdner Gemäldegalerei eine Vereinigung
vorzüglicher Leistungen auf diesem Gebiet.

Dann verschwand die zu solch hoher tech-
nischer Vollendung gelangte Pastellmalerei
mit dem Ende des 18. Jahrhunderts, um,
wie gesagt, erst in unfern Tagen ihren far-
bigen Zauber im Reiche der Malerei wieder
zur vollen Geltung zu bringen.

Heute sind es nun hauptsächlich zwei
Arten der Pastelltechnik, welche zur Anwen-
dung gelangen.

Von Franz v. Lenbach wohl zuerst wieder einge-
führt, bediente sich derselbe dieses Materials nur, um
mit sparsamer Benützung des Pastellstiftes eine koloristische
Erscheinung anzudeuten. Es ist diese Lenbachsche Verwen-
dung eigentlich nur eine farbige Zeichnung und diese läßt
naturgemäß eine derbere, männlichere Auffassung zu, in-


*) Wir entnehmen diese interessante Anleitung zur Pastell-
malerei dem „Katechismus der Malerei" von Prof, lkarl Raupp
(Leipzig. I. I. Weber. Preis 3 M.) und verweisen im übrigen
ans die Besprechung Seite 352.

dem eben durch die leise Andeutung der Farbe Zeichnung
und Form um so entschiedener zur Geltung kommen. Die
weiter ansgebildete Pastellmalerei dagegen ermöglicht eine
vollstündige Bilderscheinung von eingehendster Durchfüh-
rung und gibt durch ihr Material unwillkürlich gleich
sehr Veranlassung zum Exzellieren in Hellen zarten Gegen-

Veimkrhr vom Felde, von Joseph Israels

sätzen wie zu eiuer eleganten Vortragsweise. Am besten
eignet sich diese Technik für das Porträt oder ein porträt-
artiges Bild. Die Leichtigkeit, mit der man die Arbeit
nach Gefallen verlassen und unterbrechen, wieder auf-
nehmen, nachhelfen und verbessern kann, dann das Fehler-
hafte leicht anszulöschen und das Geschaffene in beliebiger
Zeit zu vollenden vermag, ist im Gegensatz zur Malerei
in Öl ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Insbeson-
dere gerade durch diese Eigenschaften empfiehlt sich der
Pastellstift zur Verwendung in jenen Kreisen der aus-
übenden Freunde der Malerei, denen der eigentliche
 
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