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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Heilbut, Emil: Etwas über Radierungen
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0481

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Ltwas über Radierungen, von Her inan H

Bauerndächer am Horizont, vorn eine Bäuerin an
einen Baum gelehnt; —- auf andern nimmt man eine
wahrhaft plastische Durcharbeitung wahr, wie auf jener
Radierung, die, Theodore Rousseau gewidmet, in der
That ein wenig nach der Weise dieses Künstlers auch
subtil durchgebildet ist, ein junger Mann und ein junges
Mädchen, in aller Herrgottsfrühe übers Feld schreitend,
um an ihre Arbeit zu kommen. Das Licht modelliert
ihre Formen sehr lebhaft, hinten, auf dem sich verlieren-
den Felde, sieht man ein unendliches Kleinleben der Natur.

Was Jacquemart und Bracquemond betrifft, so sind
sie ganz ausgezeichnete Vertreter der Kunst des Radie-
rens. Nach Möryon sind sie die wichtigsten Meister des
Wiederauflebens dieser Technik. Beide, Jacquemart, der
nun tot ist, wie Bracquemond, der noch lebt, haben so-
wohl Werke andrer reproduciert als eigene geschaffen;
sie sind aber, sobald sie die Werke andrer reproducieren,
dessen treueste Interpreten. Was Jacquemart in seiner
Technik wiedergiebt, verliert gleichsam, ohne an jener
Schönheit seines Aussehens etwas einzubüßen, welches
guten Radierungen eigen ist, den Charakter von Papier
und Druckerschwärze auf Papier, um völlig den Geist des
Originals anzunehmen, nämlich gleichsam Bronce zu sein,
wenn das Originalwerk eine Bronce ist, Leder, wenn es
galt, einen alten Einband vorzuführen, und Porzellan,
wenn Jacquemart die Reize einer Porzellantasse von
Ssvres oder Valenciennes wiederzugeben trachtete. Wenn
Delacroix und Jsabey ihre Radiernadel subjektiv ge-
brauchten — bei Jacquemart wird sie ein Instrument,
das gehorcht und das wissenschaftlich exakt ist. Und
welche Freude war es dem eifrigen Manne, sich uner-
hört scheinende Schwierigkeiten auferlegt zu sehen und
mit den schwersten Metallen sich zu streiten, doch sie zu
bewältigen und den Glanz seltsamster Gefäße so zu re-
producieren, wie es. dem Charakter des Materials nicht
allein, sondern wenn man so sagen kann der Gesamt-
poesie des Objekts entsprach, dem Degen oder der Taffe.
Auf den Grund der Dinge und des Kunstwertes drang seine
Nadel ein und gab ihre eigene Materie — so gut be-
herrschte er sie — gleichsam auf. Jacquemart war der
vollendetste Virtuose auf seinem Instrumente, und wie jene
Musiker, die mit dem Cello alles können und sogar die
Violintöne darauf Hervorrufen, unterlegte er die Radie-
rung gleichsam gar keinem Charakter und arbeitete mit
ihr bald als ein Elfenbeinbildhauer, als ein Waffen-
schmied oder als ein Maler.

Man ersieht hieraus, daß er vielfach kunstgewerb-
liche Arbeiten in Radierung reproduciert hat; von
Bracquemonds eigenen Arbeiten sind Stillleben mit
Tieren, von seinen Nachbildungen vielleicht die große
„Rixe" nach Meissonier am bekanntesten geworden, dieses
dramatisch bewegte unter Meissoniers Bildern, das der
Kaiser Napoleon dem Prinzgemahl Albert, als dieser es
in der Ausstellung bewundert hatte, am folgenden Tage
als Geschenk in sein Palais sandte. Bracquemond hat
auch die letzten Millets wunderbar reproduciert. Cham-
pollion würde das Talent haben, in Jacquemarts Nach-
folge sich zu bethätigen, doch hat er seine Domäne be-
reits in der Reproduktion des achtzehnten Jahrhunderts
gefunden.

Die kalte Nadel handhaben in der erfreulichsten
Weise, mit einander kontrastierend, James Tissot und
Marcel Desbrotins.

Die u-nst für Alle VI.

elserich — Personal- und Ateliernachrichten 377

Wenn bei der Preisverteilung für vervielfältigende
Kunst auf der Weltausstellung von 1889 der Bericht-
erstatter sagen konnte, ein jeder Maler sollte neben seiner
Staffelei eigentlich den lithographischenStein liegen haben,

— als Buch der Skizzen, — so ist neben dieser Kunst,
die, auf deutschem Boden von dem unvergeßlichen Sene-
felder erfunden, doch ihre reizvollsten Werke in Frank-
reich entstehen sah, von Delacroix bis Decamps, von
Diaz bis zu dem liebenswürdigen Theophile Chauvel,
der in unfern Tagen lebt und die beste Manier,
Corot zu reproducieren, darin fand, ihn zu litographieren,

— so ist doch, wie es scheint, für immer die Beliebt-
heit der Lithographie dahin: die Radierung hat in den Ge-
mütern der Maler jene Stelle eingenommen und dient als
ihr Skizzenbuch. Von Daubigny kennen wir Radierungen
von vielerlei Wert, seine Nadel vernachlässigt sich manch-
mal etwas, doch die Gesamtsumme seiner Radierungen ver-
dient, einen guten Ruf zu besitzen. Cabat, Corot, Meissonier,
Th. Rousseau, Bonvin — alle haben sich das Vergnügen
gemacht, die Überraschungen des Ätzens zu verfolgen mit
verschieden glücklichem Erfolge, doch stets bemerkenswerter
Art; und Charles Jaeque, der gleich sehr Radierer wie
Maler ist, schuf seine Tierstücke mit fast nie versagen-
dem, sicherem Erfolge, Arbeiten, welche bei aller Anleh-
nung an die Weise Millets Originalradierungen sind,
während Rajon, Flameng und der glänzende Waltner
die Werke von fremder Hand reproduciert haben. Waltners
Schüler ist Köpping, der jetzt einem Ruf an die Berliner
Akademie der bildenden Künste gefolgt ist und hoffent-
lich eine segensreiche Lehrthätigkeit zu entwickeln vermag.
Wie allem dem auch sein mag, so werden Wiedergaben,
wie die von Bracquemond nach Holbeins Porträt des
Erasmus, und Jules Jacquemarts Wiedergabe von Fra-
gonards Premier ftaisvr- und van der Meer's Sol-
daten mit dem lachenden Mädchen noch lange unver-
gleichlich bleiben und ungefähr den Gipfelpunkt dessen
darstellen, was das Wiederaufleben der Radierung im
neunzehnten Jahrhundert für die Reproduktion ge-
than hat.

< Personal- und Akrliernachrichkrn

* München. Se. Hoheit der Herzog von Meiningen
hat jüngst während seines Aufenthaltes dem dort wohnenden
Bildhauer Adolf Hildebrand einen Auftrag erteilt, der von
feinem künstlerischen Takt und Verständnis zeugt. Bekannt ist
der sitzende Merkur im Museum zu Neapel, eines der besten
Stücke, die uns aus dem Altertum erhalten sind. Zu diesem
Merkur — er ist im Begriff aufzuspringen — soll Hildebrand
ein Gegenstück schaffen, wobei er in der Wahl des Stoffes ganz
unbeschränkt ist. Wer des Künstlers schlafenden Hirtenknaben
kennt, der früher in der Sammlung Fiedler war und jetzt mit
vielen andern Werken Hildebrands in der Münchener Jahres-
ausstellung sich befindet, wird verstehen, wie angemessen dieser
feinsinnige Auftrag den Neigungen und der individuellen Be-
gabung Hildebrands ist. Es wäre erfreulich, wenn öfters so
individuell berechnete Aufträge unjern Künstlern zu teil würden.
Wir würden dann Schöneres zu sehen bekommen als vielfach
bei den schablonenhaft sich wiederholenden Preisbewerbungen, ls«?:

— Berlin. Der amerikanische Maler Henrh Mosler
hat die von der Jury der internationalen Kunstausstellung zu
Berlin ihm zugesprochene „Ehrenvolle Anerkennung" in einem
Schreiben an A. von Wern er „mit Verachtung" zurückgewiesen.
Ta Mosler in Paris eine dritte Medaille erhalten hat und
mit einem Werke im Luxembourg vertreten ist, glaubte er jeden-
falls, daß die ihm zugesprochene Auszeichnung seinem Range
in der malenden Welt nicht entspricht. Er hätte seine Vorwürfe
 
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