OTTO GREINER j>
| oder auszuschalten versucht, das, wie die Er- liehen Kindern aus ewigen Brüsten das Leben J
I fahrung von Jahrhunderten wahrscheinlich reicht (Abb. S. 395). Aber was ihn von allen Ö
I macht, in der Natur des deutschen Volksgeistes Menschlichkeiten am stärksten bewegt, das ist G
I besonders tief wurzelt und besonders stark das Problem des Weibes. „Immer dasselbe — ß
wirkt. so bekennt er einmal selbst in einer von Lehrs [5
Greiners Phantasie strebt darnach, an der (Graphische Künste 26, 106) veröffentlichten >
I menschlichen Gestalt Beziehungen und Vor- Briefstelle —: das Weib und die Flucht vor r,
gänge geistiger Art zum Ausdrucke zu bringen, ihm, aber die aussichtslose." Er schildert die Y
und wenn man sich diesen geistigen Gehalt Pikanterie der Erscheinung der modernen i
I vergegenwärtigt, so erkennt man, daß es in Dame. Er zeigt in der „Civetta" die frische (!
I erster Linie einige dunkle Grundfragen des volle, von natürlicher Koketterie gesättigte C
I Lebens sind, die er immer umkreist. Da ist Lebenslust. Er stellt das Weib in der sinn- G
' das Motiv des Schöpfungsaktes des Prome- liehen Schönheit seines Leibes dar. In seinen V
theus, das ihn wiederholt beschäftigt: der Kompositionen bildet dann die Wirkung des ;j
Mensch von der Laune eines Ueberirdischen Weibes im Menschenschicksale das Motiv. >
gebildet und in dies Leben gesetzt, wo er, Am Lager der schlummernden üppigen Eva n
sich selbst überlassen, sich hilflos und steuerlos erscheinen die greuliche Sünde mit der Schlange (,
fühlt und in unfruchtbarem Kampfe mit seines- und der Teufel mit dem Apfel, auf ihre künf- P
gleichen sich selbst aufreibt. VerwandtenGeistes tige Rolle hindeutend (Abb. S. 405). Die drei (
ist das schöne Blatt „Gäa": die Urmutter, eine auf ihre Schönheit eifersüchtigen Göttinnen C
Frauengestalt von michelangelesken Maßen, die, stellen sich dem Urteile des Paris, das so un- J!
selbst schlummernd, unbewußt, ihren begehr- endliches Unheil erzeugen wird (Abb. Jahrg. \
1900/01, S. 307). In der Blüte des Lebens £
und doch zugleich vor den Toren des Todes )
streckt die Verführerin lockend ihre Arme (j
nach dem Manne aus („An das Leben", (
Abb. S. 400). Selbst das Ganymed-Motiv f
wird in diesen Gedankenkreis hineingezo- (
gen, denn der olympische Adler scheint y
den Jüngling einem Weibe zu entführen, £
das ihn vergeblich zu halten sucht (Abb. l
S. 401). Am verwegensten hat Greiner *
das Problem in der Hexenschule behan- Y
delt, wo die Niederungen der Erotik ge- fj
streift sind, am größten in seinem Haupt- {,
werke „Odysseus und die Sirenen" (Abb. 0
Jahrg. 1902/3, S. 439). Hier ist das home- 0
rische Fabelmotiv rein menschlich umge- V
deutet: es ist die berückende Macht der ;
Frauenschönheit, die den Vielgeprüften an >
sich reißen und verderben will und der r,
er nur wider seinen eigenen Willen entgeht. Y
Das Thema vom Weibe wird ja in der (j
modernen Kunst in allen Tonarten be-
handelt; was Greiner kennzeichnet und C
auszeichnet, ist, daß er nicht bei der kör- G
perlichen Beschreibung des Weibes stehen V
bleibt und sich nicht in Lüsternheit verliert, Jj
sondern den Gegenstand in eine geistige V
Sphäre erhebt. Und dann: daß er ihn als «
ein Mann und männlich behandelt. Man £
kann bei allem nicht einmal behaupten, P
daß sein Werk erotisch gefärbt sei; es ist k
etwas von der Art des Historikers in ihm, t
der sine ira et studio die Dinge darstellt, «
otto greiner atelierszene(Ölgemälde. 1903) wie sie sich ihm zeigen. Die plastische V
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| oder auszuschalten versucht, das, wie die Er- liehen Kindern aus ewigen Brüsten das Leben J
I fahrung von Jahrhunderten wahrscheinlich reicht (Abb. S. 395). Aber was ihn von allen Ö
I macht, in der Natur des deutschen Volksgeistes Menschlichkeiten am stärksten bewegt, das ist G
I besonders tief wurzelt und besonders stark das Problem des Weibes. „Immer dasselbe — ß
wirkt. so bekennt er einmal selbst in einer von Lehrs [5
Greiners Phantasie strebt darnach, an der (Graphische Künste 26, 106) veröffentlichten >
I menschlichen Gestalt Beziehungen und Vor- Briefstelle —: das Weib und die Flucht vor r,
gänge geistiger Art zum Ausdrucke zu bringen, ihm, aber die aussichtslose." Er schildert die Y
und wenn man sich diesen geistigen Gehalt Pikanterie der Erscheinung der modernen i
I vergegenwärtigt, so erkennt man, daß es in Dame. Er zeigt in der „Civetta" die frische (!
I erster Linie einige dunkle Grundfragen des volle, von natürlicher Koketterie gesättigte C
I Lebens sind, die er immer umkreist. Da ist Lebenslust. Er stellt das Weib in der sinn- G
' das Motiv des Schöpfungsaktes des Prome- liehen Schönheit seines Leibes dar. In seinen V
theus, das ihn wiederholt beschäftigt: der Kompositionen bildet dann die Wirkung des ;j
Mensch von der Laune eines Ueberirdischen Weibes im Menschenschicksale das Motiv. >
gebildet und in dies Leben gesetzt, wo er, Am Lager der schlummernden üppigen Eva n
sich selbst überlassen, sich hilflos und steuerlos erscheinen die greuliche Sünde mit der Schlange (,
fühlt und in unfruchtbarem Kampfe mit seines- und der Teufel mit dem Apfel, auf ihre künf- P
gleichen sich selbst aufreibt. VerwandtenGeistes tige Rolle hindeutend (Abb. S. 405). Die drei (
ist das schöne Blatt „Gäa": die Urmutter, eine auf ihre Schönheit eifersüchtigen Göttinnen C
Frauengestalt von michelangelesken Maßen, die, stellen sich dem Urteile des Paris, das so un- J!
selbst schlummernd, unbewußt, ihren begehr- endliches Unheil erzeugen wird (Abb. Jahrg. \
1900/01, S. 307). In der Blüte des Lebens £
und doch zugleich vor den Toren des Todes )
streckt die Verführerin lockend ihre Arme (j
nach dem Manne aus („An das Leben", (
Abb. S. 400). Selbst das Ganymed-Motiv f
wird in diesen Gedankenkreis hineingezo- (
gen, denn der olympische Adler scheint y
den Jüngling einem Weibe zu entführen, £
das ihn vergeblich zu halten sucht (Abb. l
S. 401). Am verwegensten hat Greiner *
das Problem in der Hexenschule behan- Y
delt, wo die Niederungen der Erotik ge- fj
streift sind, am größten in seinem Haupt- {,
werke „Odysseus und die Sirenen" (Abb. 0
Jahrg. 1902/3, S. 439). Hier ist das home- 0
rische Fabelmotiv rein menschlich umge- V
deutet: es ist die berückende Macht der ;
Frauenschönheit, die den Vielgeprüften an >
sich reißen und verderben will und der r,
er nur wider seinen eigenen Willen entgeht. Y
Das Thema vom Weibe wird ja in der (j
modernen Kunst in allen Tonarten be-
handelt; was Greiner kennzeichnet und C
auszeichnet, ist, daß er nicht bei der kör- G
perlichen Beschreibung des Weibes stehen V
bleibt und sich nicht in Lüsternheit verliert, Jj
sondern den Gegenstand in eine geistige V
Sphäre erhebt. Und dann: daß er ihn als «
ein Mann und männlich behandelt. Man £
kann bei allem nicht einmal behaupten, P
daß sein Werk erotisch gefärbt sei; es ist k
etwas von der Art des Historikers in ihm, t
der sine ira et studio die Dinge darstellt, «
otto greiner atelierszene(Ölgemälde. 1903) wie sie sich ihm zeigen. Die plastische V
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