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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Dresdner, Albert: Otto Greiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0433

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OTTO GREINER j>

| oder auszuschalten versucht, das, wie die Er- liehen Kindern aus ewigen Brüsten das Leben J

I fahrung von Jahrhunderten wahrscheinlich reicht (Abb. S. 395). Aber was ihn von allen Ö

I macht, in der Natur des deutschen Volksgeistes Menschlichkeiten am stärksten bewegt, das ist G

I besonders tief wurzelt und besonders stark das Problem des Weibes. „Immer dasselbe — ß

wirkt. so bekennt er einmal selbst in einer von Lehrs [5

Greiners Phantasie strebt darnach, an der (Graphische Künste 26, 106) veröffentlichten >

I menschlichen Gestalt Beziehungen und Vor- Briefstelle —: das Weib und die Flucht vor r,

gänge geistiger Art zum Ausdrucke zu bringen, ihm, aber die aussichtslose." Er schildert die Y

und wenn man sich diesen geistigen Gehalt Pikanterie der Erscheinung der modernen i

I vergegenwärtigt, so erkennt man, daß es in Dame. Er zeigt in der „Civetta" die frische (!

I erster Linie einige dunkle Grundfragen des volle, von natürlicher Koketterie gesättigte C

I Lebens sind, die er immer umkreist. Da ist Lebenslust. Er stellt das Weib in der sinn- G

' das Motiv des Schöpfungsaktes des Prome- liehen Schönheit seines Leibes dar. In seinen V

theus, das ihn wiederholt beschäftigt: der Kompositionen bildet dann die Wirkung des ;j

Mensch von der Laune eines Ueberirdischen Weibes im Menschenschicksale das Motiv. >

gebildet und in dies Leben gesetzt, wo er, Am Lager der schlummernden üppigen Eva n

sich selbst überlassen, sich hilflos und steuerlos erscheinen die greuliche Sünde mit der Schlange (,

fühlt und in unfruchtbarem Kampfe mit seines- und der Teufel mit dem Apfel, auf ihre künf- P

gleichen sich selbst aufreibt. VerwandtenGeistes tige Rolle hindeutend (Abb. S. 405). Die drei (

ist das schöne Blatt „Gäa": die Urmutter, eine auf ihre Schönheit eifersüchtigen Göttinnen C

Frauengestalt von michelangelesken Maßen, die, stellen sich dem Urteile des Paris, das so un- J!

selbst schlummernd, unbewußt, ihren begehr- endliches Unheil erzeugen wird (Abb. Jahrg. \

1900/01, S. 307). In der Blüte des Lebens £

und doch zugleich vor den Toren des Todes )

streckt die Verführerin lockend ihre Arme (j

nach dem Manne aus („An das Leben", (

Abb. S. 400). Selbst das Ganymed-Motiv f

wird in diesen Gedankenkreis hineingezo- (

gen, denn der olympische Adler scheint y

den Jüngling einem Weibe zu entführen, £

das ihn vergeblich zu halten sucht (Abb. l

S. 401). Am verwegensten hat Greiner *

das Problem in der Hexenschule behan- Y

delt, wo die Niederungen der Erotik ge- fj

streift sind, am größten in seinem Haupt- {,

werke „Odysseus und die Sirenen" (Abb. 0

Jahrg. 1902/3, S. 439). Hier ist das home- 0

rische Fabelmotiv rein menschlich umge- V

deutet: es ist die berückende Macht der ;

Frauenschönheit, die den Vielgeprüften an >

sich reißen und verderben will und der r,

er nur wider seinen eigenen Willen entgeht. Y

Das Thema vom Weibe wird ja in der (j
modernen Kunst in allen Tonarten be-

handelt; was Greiner kennzeichnet und C

auszeichnet, ist, daß er nicht bei der kör- G

perlichen Beschreibung des Weibes stehen V

bleibt und sich nicht in Lüsternheit verliert, Jj

sondern den Gegenstand in eine geistige V

Sphäre erhebt. Und dann: daß er ihn als «

ein Mann und männlich behandelt. Man £

kann bei allem nicht einmal behaupten, P

daß sein Werk erotisch gefärbt sei; es ist k

etwas von der Art des Historikers in ihm, t

der sine ira et studio die Dinge darstellt, «

otto greiner atelierszene(Ölgemälde. 1903) wie sie sich ihm zeigen. Die plastische V

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