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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 24.1875

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Heft 3/4
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Miller, Ferdinand von: Aus der Geschichte der Münchener Erzgießerei, [2]: Vortrag gehalten im Kunstgewerbeverein von Inspektor Ferdinand v. Miller
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Bucher, Bruno: Geschichte der technischen Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.7030#0018

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wenn sie uns Aufschluß geben könnte, wie die Alten ihre kolos-
salen Erzwerke vergoldet haben.

Trotz dieser mannigfachen Thätigkeit im Felde der Erzgießerei
fand Stiglmayr noch immer Zeit, sich auch in anderer Weise zu
beschäftigen; neben vielen Büsten und Reliefs modellirte er die
ernst liebliche Figur des Fräuleins Karoline v. Manlich, welche
deren Grab unter den Arkaden des hiesigen Gottesackers schmückt,
ebenso die Madonna mit dem Christuskind in Aibling, an jener
Stelle errichtet, wo die königliche Mutter von ihrem geliebten,
jugendlichen Sohne Otto, König von Griechenland, Abschied nahm.

Das Original kam aus besonderer Veranlassung auf den
Marienaltar der Ludwigskirche.

Einfache Wahrheit zeichnet seine künstlerischen Schöpfungen
aus, welche deßhalb hoch geschätzt sind.

Noch in den besten Jahren, in Mitte des regsten Schaffens
erlahmte seine Kraft an den Folgen eines unheilbaren Magen-
übels; er konnte schon im Jahre 1841 die Gießerei nur selten
mehr besuchen und mußte bald auch diese kurzen Besuche aufgeben,
da sein geschwächter Körper keinerlei Bewegung und Anstreng-
ung mehr ertrug.

Bald nach seiner Rückkehr aus Italien hatte er den Sohn
der Schwester in sein Haus ausgenommen und sich einen treu
ergebenen Schüler herangebildet, der ihm die Sorgen dieser
schweren Jahre nach besten Kräften tragen half, dem er den
reichen Schatz seiner Kenntnisse, seiner Erfahrungen in väter-
licher Liebe vermachte und so konnte er durch seinen Rath noch
geistig wirken, als ihn die physischen Kräfte verlassen hatten.

Es war in der Nacht vom 1. auf den 2. März des Jahres
1844, als ich im Gießhause wachte; die Form zur Frankfurter
Goethe-Statue war in der Grube eingemauert und 80 Zentner
Erz lagen im Ofen.

Die Nacht vor einem großen Gusse hat selbst für den ge-
übtesten Gießer immer etwas Beängstigendes; zu viel der Arbeit
und des verausgabten Geldes steht auf dem Spiele und der Erfolg
ist von einigen Minuten des Glückes oder Unglückes abhängig.

Ist der Gießer müde und erschöpft von den Tagen der
Aufregung und Strapazen, so wirkt diese nächtliche Stille, die
nur von dem momentanen, gleichmäßigen Einwerfen des Holzes
und dem Krachen und Prasseln des Feuers unterbrochen ist, un-
heimlich, und alle Zweifel erwachen, ob wohl nichts von dem
versäumt oder übersehen wurde, was das Gelingen bedingt.

Nochmals wird eine Musterung gehalten über die ganze,
jahrelange Arbeit, ob die Form wohl überall geglüht, der Kern
mürbe sei und nirgends an der Form anstehe, ob die Mauer
fest, die Schrauben und Schlaudern stark genug gemacht, ob nicht
zu wenig Luftkanäle, zu wenig Eingüsse angebracht seien, ob das
Metall ansreichen und in guten Fluß gerathen werde u. s.w.

Auch mich beschäftigten lebhaft solche Gedanken in dieser
Nacht, ich prüfte, suchte und überzeugte mich, daß Alles recht
gemacht und in bester Ordnung sei; überdieß blies ein kalter
Märzwind unter dem Rost und ließ mich hoffen, daß bei Zeiten
das Erz flüssig werde, und dennoch konnte ich nicht froh wer-
den und hatte böse Ahnungen. — Die Flammen züngelten so
geisterhaft aus dem Ofen, die Beleuchtung schien mir heute so
schauerlich und die Befürchtung, der Guß werde mißlingen, über-
wältigte fast mein ganzes Denken. —

Entsetzlich dachte ich mir's, solche Botschaft dem viel kränker
denn je gewordenen geliebten Onkel und Meister zu hinterbringen
— wie würde ihn das erschüttern, ja würde sein schwacher
Körper solche Nachricht überleben können!

Welche Gnade ist in solchen Momenten das Gebet für den
Menschen, welchen Trost gewährt ein Aufblick zu Gott, der ja
diesen menschenfeindlichen Elementen gebieten kann; auch ich nahm
meine Zuflucht dahin und fand Beruhigung. In diesen Betracht-
ungen störte mich der Krankenwärter Stiglmayr's, er ließ mich
bitten, zu ihm zu kommen, die Nacht werde ihm furchtbar lange.

Wie verändert fand ich seine Stimme! er klagte übergroße
Schwäche, dennoch erkundigte er sich, wie es mit der Form und
dem Feuer stände, auch sprach er den Wunsch aus, am Morgen
die heiligen Sterbsakramente zu empfangen.

Am 5. März Mittags 12 Uhr war das Erz im Ofen zum
Gusse reif; viele neugierige Zuschauer hatten sich eiugefunden
und mit klopfendem Herzen stieß ich den Zapfen aus. Das
Metall war herrlich flüssig; dem dumpfen Donner aus der Tiefe
der Form folgte bald ein lustiges Sprühen und Spritzen flüs-
sigen Erzes aus den Luftkanälen, ein unfehlbares Zeichen, daß
sich die Form gefüllt habe und der Guß gelungen sei.

Voll Freude eilte ich an's Krankenbett des Meisters, doch
welcher Schmerz erwartete mich hier— zwar richtete er sich auf,
als ich in's.Zimmer trat und frug voll Spannung, wie es gehe;
als er gehört, daß Alles gut gelungen sei, sank er zurück in
seine Kissen und sagte deutlich noch und vernehmlich: „Nun Gott
sei Dank!" Es waren seine letzten Worte.

Daß seine Kunst nicht mehr verloren gehen würde, diese
Beruhigung nahm er mit hinüber über's Grab.

Geschichte der technischen Künste.

Im Verein mit

Justus Brinkmann, Albert Jlg, Julius Lessing, Fr. Lippmann, Herm. Rolett

herausgegeben

von

Bruno Bücher.

Stuttgart. Verlag von W. Spemann. 1875.

L. Es ist immer eitle angenehme Aufgabe, beini Erscheineu
eines neuen Schriftwerkes dem Lesepublikum mittheilen zu können,
daß es wirklich von demselben etwas hat, wofern es sich dessen
Inhalt aneignet. Man hat aber in Wirklichkeit etwas von einem
Schriftwerk, wenn dasselbe das Wachsthnm der Kenntnisse, der
Fähigkeiten und Fertigkeiten oder das Wachsthum des Schön-
heitssinnes fördert, und wenn es bei denr Lesenden als ein An-
regungsmittel für eigenes Wollen, Wirken und Schaffen sich
geltend macht.

Von der „Geschichte der technischen Künste," soweit sie uns
vorliegt, läßt sich jetzt schon die Versicherung geben, daß sie so-
wohl dem engeren Kreise der Leute vom Fach wie dem weiten
Kreise der sogenannten Laien eine gediegene Geistesnahrung
und mit ihr auch manche kräftige Reizmittel für eigenes Wirken
und Schaffen bietet.

Indem die Geschichte der technischen Künste den Entwick-
lungsgang einer besonderen Technik wo möglich von deren An-
fängen bis zur Erreichung ihres Höhepunktes schildert, und in
bestimmten Fällen deren Verkommen, zuweilen auch deren gänz-
liches Verschwinden, oder auch deren Wiedererweckung verfolgt,
legt sie ein besonderes Gewicht auf den Stoff, welcher vom
Künstler verarbeitet wird. Und mit Recht; denn der Stoff,
in welchem der Künstler arbeitet, muß auf mannigfache Weise
erst gefügig gemacht werden, auf daß er gewiffermaffeu willig
mitarbeite. Mit anderen Worten: der Künstler oder Kunsthand-
werker sollte in jedem Sinne Herr seiner Darstellungsmittel
werden. Man hat nur allzulange die technische und die eigent-
lich künstlerische Behandlungsweise des Materials in abstrakter
Weise von einander getrennt; um so freudiger ist es zu begrüßen,
daß die Geschichte der technischen Künste die liutrennbarkeit jener
Behandlungsweisen als den Hauptgesichtspuukt aufstellt, von
welchem bei einer Geschichte ausgegaugen werden muß, welche sich
hauptsächlich mit den Kunstgewerben befaßt.

Die vorliegenden Lieferungen bringen die Geschichte der
Glasmalerei, des Email, der Mosaik. Es folgt die Geschichte
der Miniaturmalerei, Wanddecoration, Formschneidekunst, des
Kupferstiches, der Glyptik, der kleinen Plastik, der Goldschmiede-
kunst, der Bearbeitung unedler Metalle, der Knnsttöpferei, des
 
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