Zeitschrift
des
Knnst-Gewerbe-Vereins.
Fünfundzwanzigster Jahrgang.
München._Ute 9 # MO. 1875.
Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. — 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St and ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von
Theodor Ackermann dahier wenden.
Entstehung non Zeitmessern überhaupt, sowie Ent-
stehung der ersten Räderuhren, .deren Construction und
Entwicketung.
Don I. Jagemann, Uhrmacher.
Die Eintheilung der Zeit steht mit unseren gegenwärtigen
Einrichtungen, welcher Art dieselben immer sein mögen, in so
innigem Zusammenhang, daß wir ohne einen Zeitmesser, der
uns zur genauesten Zeiteintheilnng behülflich ist, allen Anfor-
derungen nicht entsprechen könnten, die an uns herantreten und
von uns gestellt werden.
Zn Anbetracht dessen dürste es von Interesse sein, wenn
wir uns diesen Zeitmesser, Uhr genannt, etwas näher betrach-
ten, um zu untersuchen, wie derselbe entstand, welche Eonstruc-
tion zu Grunde liegt und wie durch die allmälige Entwicklung
die Vollkommenheit erlangt wurde, in deren Besitze wir gegen-
.wärtig sind.
Bevor wir z>l den eigentlichen, mechanischen Uhren (Räder-
uhrcn) übergehen, ist es nothwendig vorauszuschicken, was für
Zeitmaße bei den ältesten uns bekannten Völkern gebräuchlich
waren.
Die älteste Eintheilung des Tages war die nach dem schein-
baren Laufe der Sonne um die Erde, in Morgen, Mittag,
Abend und Mitternacht. Diese Zeiteintheilung mochte sich später
als ungenügend erwiesen haben; man suchte daher nach genaue-
ren Zeitmaßen und fand dieselben tu den Schatten aufrecht-
stehender, von der Sonne beschienener Gegenstände. Bel genauer
Beobachmng dieser Schatten mußte sich die Wahrnehmung auf-
drängen, daß dieselben, je nach dem Stande der Sonne, sich ent-
weder verkürzten oder verlängerten, so zwar, daß'bei Sonnen-
aufgang die Schatten kürzer, am Mittag bei dem höchsten Son-
nenstand am kürzesten wurden, um gegen Untergang sich wieder
zu verlängern. Man hat nun Anfangs die Längen dieser Schat-
ten gemessen und nach diesen Längenmaßen die Zeit bestimmt.
Erst in viel späterer Zeit mochte man gefunden haben, daß
diese Schatten, ihre Lagen verändernd, einen Bogen beschrieben,
weßwegen anstatt wie bisher die Längen, die Lagen dieser Schat-
ten auf einer horizontalen Ebene in einer bestimmten Anzahl
eingetheilt wurden. Man wählte zu dieser Eintheilung die Zahl
12 und auf diese Weise entstand die erste Sonnenuhr.
Letztere Verbesserung wird dem Chaldäer Berosus zuge-
schrieben und waren diese Sonnenuhren bei den Babyloniern,
Chaldäern, Aegyptern und Phöniziern, unter dem Namen Son-
nenweiser bekannt. Die Sonnenuhren waren noch vielfachen
Verbesserungen unterworfen und ist die wesentlichste die des
griechischen Mathematikers Anaximandros, der 546 v. Ehr.
starb; er construirte jene so, daß man auch an Orten, die
durch ihre geographische Lage (Polhöhe, Breitegrade) verschieden
waren, sie aufstellen und zur Ausmessung des Winkels oder
der Schiefe der Ekliptik benutzen konnte. Diese so verbesserten
und später vielfach in Form und Einrichtung verschönerten Sonnen-
uhren haben sich bis in unser Jahrhundert noch erhalten, wo
sie lediglich nur noch den Zweck haben, zur Vergleichung auf
die Regulirung der Räderuhren angewendet zu werden.
Eine andere Art Zeitmesser war die Wasseruhr.
Die Wasseruhr, Klepsydra, scheint assyrischen Ursprungs
zu sein. Die frühesten persischen Autoren berichten uns näm-
lich, daß bei dem Sturze des zweiten assyrischen Reiches, in der
Stadt Ninive, welche von den Medern und Babyloniern zer-
stört wurde, sich Wasseruhren vorfanden und daß man daraus
schließen könne, daß dieselben schon lange zuvor bekannt gewesen
sein mögen. Diese Wasseruhren bestanden aus cylind'erförmigen
ehernen Gefäßen, die an der Seite eine kleine Üeffnung hatten,
woraus das eingegossene Wasser langsam abfloß. Auf ein Zei-
chen des Wächters, der ans einem hohen Thurm postirt war und
den Sonnenaufgang zu beobachten hatte, wurden nun diese Ge-
fäße gefüllt und brauchten zu ihren Abläufen ohngefähr zwei
Stunden, was dann durch öffentliche Ausrufer bekannt gemacht
wurde. Diesen sehr einfachen Wasseruhren folgten später viele
Verbesserungen; doch blieben dieselben immerhin sehr mangel-
haft, indem es schwierig ist, zwei Gefäße mit gleichem Raum
und gleicher Oesfnung herzustellen. Das Princip aller dieser
Uhren beruht entweder ans Ein- oder Ausfließen des Wassers.
Eine bemerkenswerthe Verbesserung wurde einige Jahrhunderte
v. Chb. durch die Aegypter gemacht, welche die Wasseruhren
mit Zifferblatt, Zwölfstundentheilung und Zeiger versahen und
damit einen Welthandel trieben. Während die Sonnenuhren
in Europa Eingang und Nachahmung fanden, und in Rom 500
Jahre nach Erbauung der Stadl (254 v. Ehr.) die erste Son-
nenuhr von Papirius Cursor aufgestellt wurde, scheinen die
Wasseruhren, die von den Römern aus ihren asiatischen Erobe-
rnngszügen als werthvolle Beutestücke mitgebracht wurden, mehr
augestaunt und bewundert, als nachgeahmt worden zu sein.
Eine Wasseruhr ist noch zu erwähnen, die der Kalife
Harun al Raschid zu Anfang des 9. Jahrhunderts dem Kaiser-
Karl dem Großen, dessen Zeitgenosse er war, als Zeichen seiner
Verehrung zum Geschenke machte.
Auch im Frankenreiche ist von einer Nachbildung nichts
bekannt, was daher kommen mochte, daß kurz vor dem Regier-
ungsantritt Karl des Großen, eine viel einfachere und bessere Er-
findung gemacht wurde, nämlich die der Sanduhr. Die Sanduhr
besteht aus einem kegelförmigen, mit seinem Sande gefüllten
Glase, dessen Spitze eine kleine Oesfnung hat, wodurch der
Sand in ein zweites mit dem oberen verbundenes, gleiches Glas
ablief. Nach geschehenem Ablaufe konnte das Ganze umgekehrt
werden. Diese Sanduhr war unter dem Namen Stundenglas
bekannt und wurde von einem Mönche (Luitprand) in einem
Kloster zu Chartres (Frankreich) erfunden. Diese Sanduhren-
waren in Europa die gebräuchlichsten Zeitmesser und Karl der
Große ließ ein großes Stundenglas, das l2 Stunden zum Ab-
des
Knnst-Gewerbe-Vereins.
Fünfundzwanzigster Jahrgang.
München._Ute 9 # MO. 1875.
Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr. — 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. St and ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von
Theodor Ackermann dahier wenden.
Entstehung non Zeitmessern überhaupt, sowie Ent-
stehung der ersten Räderuhren, .deren Construction und
Entwicketung.
Don I. Jagemann, Uhrmacher.
Die Eintheilung der Zeit steht mit unseren gegenwärtigen
Einrichtungen, welcher Art dieselben immer sein mögen, in so
innigem Zusammenhang, daß wir ohne einen Zeitmesser, der
uns zur genauesten Zeiteintheilnng behülflich ist, allen Anfor-
derungen nicht entsprechen könnten, die an uns herantreten und
von uns gestellt werden.
Zn Anbetracht dessen dürste es von Interesse sein, wenn
wir uns diesen Zeitmesser, Uhr genannt, etwas näher betrach-
ten, um zu untersuchen, wie derselbe entstand, welche Eonstruc-
tion zu Grunde liegt und wie durch die allmälige Entwicklung
die Vollkommenheit erlangt wurde, in deren Besitze wir gegen-
.wärtig sind.
Bevor wir z>l den eigentlichen, mechanischen Uhren (Räder-
uhrcn) übergehen, ist es nothwendig vorauszuschicken, was für
Zeitmaße bei den ältesten uns bekannten Völkern gebräuchlich
waren.
Die älteste Eintheilung des Tages war die nach dem schein-
baren Laufe der Sonne um die Erde, in Morgen, Mittag,
Abend und Mitternacht. Diese Zeiteintheilung mochte sich später
als ungenügend erwiesen haben; man suchte daher nach genaue-
ren Zeitmaßen und fand dieselben tu den Schatten aufrecht-
stehender, von der Sonne beschienener Gegenstände. Bel genauer
Beobachmng dieser Schatten mußte sich die Wahrnehmung auf-
drängen, daß dieselben, je nach dem Stande der Sonne, sich ent-
weder verkürzten oder verlängerten, so zwar, daß'bei Sonnen-
aufgang die Schatten kürzer, am Mittag bei dem höchsten Son-
nenstand am kürzesten wurden, um gegen Untergang sich wieder
zu verlängern. Man hat nun Anfangs die Längen dieser Schat-
ten gemessen und nach diesen Längenmaßen die Zeit bestimmt.
Erst in viel späterer Zeit mochte man gefunden haben, daß
diese Schatten, ihre Lagen verändernd, einen Bogen beschrieben,
weßwegen anstatt wie bisher die Längen, die Lagen dieser Schat-
ten auf einer horizontalen Ebene in einer bestimmten Anzahl
eingetheilt wurden. Man wählte zu dieser Eintheilung die Zahl
12 und auf diese Weise entstand die erste Sonnenuhr.
Letztere Verbesserung wird dem Chaldäer Berosus zuge-
schrieben und waren diese Sonnenuhren bei den Babyloniern,
Chaldäern, Aegyptern und Phöniziern, unter dem Namen Son-
nenweiser bekannt. Die Sonnenuhren waren noch vielfachen
Verbesserungen unterworfen und ist die wesentlichste die des
griechischen Mathematikers Anaximandros, der 546 v. Ehr.
starb; er construirte jene so, daß man auch an Orten, die
durch ihre geographische Lage (Polhöhe, Breitegrade) verschieden
waren, sie aufstellen und zur Ausmessung des Winkels oder
der Schiefe der Ekliptik benutzen konnte. Diese so verbesserten
und später vielfach in Form und Einrichtung verschönerten Sonnen-
uhren haben sich bis in unser Jahrhundert noch erhalten, wo
sie lediglich nur noch den Zweck haben, zur Vergleichung auf
die Regulirung der Räderuhren angewendet zu werden.
Eine andere Art Zeitmesser war die Wasseruhr.
Die Wasseruhr, Klepsydra, scheint assyrischen Ursprungs
zu sein. Die frühesten persischen Autoren berichten uns näm-
lich, daß bei dem Sturze des zweiten assyrischen Reiches, in der
Stadt Ninive, welche von den Medern und Babyloniern zer-
stört wurde, sich Wasseruhren vorfanden und daß man daraus
schließen könne, daß dieselben schon lange zuvor bekannt gewesen
sein mögen. Diese Wasseruhren bestanden aus cylind'erförmigen
ehernen Gefäßen, die an der Seite eine kleine Üeffnung hatten,
woraus das eingegossene Wasser langsam abfloß. Auf ein Zei-
chen des Wächters, der ans einem hohen Thurm postirt war und
den Sonnenaufgang zu beobachten hatte, wurden nun diese Ge-
fäße gefüllt und brauchten zu ihren Abläufen ohngefähr zwei
Stunden, was dann durch öffentliche Ausrufer bekannt gemacht
wurde. Diesen sehr einfachen Wasseruhren folgten später viele
Verbesserungen; doch blieben dieselben immerhin sehr mangel-
haft, indem es schwierig ist, zwei Gefäße mit gleichem Raum
und gleicher Oesfnung herzustellen. Das Princip aller dieser
Uhren beruht entweder ans Ein- oder Ausfließen des Wassers.
Eine bemerkenswerthe Verbesserung wurde einige Jahrhunderte
v. Chb. durch die Aegypter gemacht, welche die Wasseruhren
mit Zifferblatt, Zwölfstundentheilung und Zeiger versahen und
damit einen Welthandel trieben. Während die Sonnenuhren
in Europa Eingang und Nachahmung fanden, und in Rom 500
Jahre nach Erbauung der Stadl (254 v. Ehr.) die erste Son-
nenuhr von Papirius Cursor aufgestellt wurde, scheinen die
Wasseruhren, die von den Römern aus ihren asiatischen Erobe-
rnngszügen als werthvolle Beutestücke mitgebracht wurden, mehr
augestaunt und bewundert, als nachgeahmt worden zu sein.
Eine Wasseruhr ist noch zu erwähnen, die der Kalife
Harun al Raschid zu Anfang des 9. Jahrhunderts dem Kaiser-
Karl dem Großen, dessen Zeitgenosse er war, als Zeichen seiner
Verehrung zum Geschenke machte.
Auch im Frankenreiche ist von einer Nachbildung nichts
bekannt, was daher kommen mochte, daß kurz vor dem Regier-
ungsantritt Karl des Großen, eine viel einfachere und bessere Er-
findung gemacht wurde, nämlich die der Sanduhr. Die Sanduhr
besteht aus einem kegelförmigen, mit seinem Sande gefüllten
Glase, dessen Spitze eine kleine Oesfnung hat, wodurch der
Sand in ein zweites mit dem oberen verbundenes, gleiches Glas
ablief. Nach geschehenem Ablaufe konnte das Ganze umgekehrt
werden. Diese Sanduhr war unter dem Namen Stundenglas
bekannt und wurde von einem Mönche (Luitprand) in einem
Kloster zu Chartres (Frankreich) erfunden. Diese Sanduhren-
waren in Europa die gebräuchlichsten Zeitmesser und Karl der
Große ließ ein großes Stundenglas, das l2 Stunden zum Ab-