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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 24.1875

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Heft 11/12
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Vom Büchertische
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Ornamentik für Schlosser und Architekten
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Landgraf, Josef: Musterrecht und Musterschutz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7030#0052

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der Umschließung der Gärten und an deren Portalen in hohem
Grade. Da sind die offenen Zwischenräume zwischen den eiser-
nen Stäben, Spiralen, Guirlanden rc. von der Natur selbst
unterlegt, sei es, daß durch die Zwischenräume bald das Pflan-
zengrün , bald die Himmelsbläue sichtbar wird. Je nach der
Färbung des Himmels und der Pflanzenwelt wechselt auch der
Eindruck der so wichtigen Formen, welche die Zwischenräume
haben. Diese Formen werden hauptsächlich durch die unmittel-
bar unterlegten Stoffe oder durch den ferneren von der Natur
oder der Architektur gegebenen Hintergrund verdeutlicht. Er-
scheint die bewegte, wechselvolle Natur als Hintergrund, so
müssen jene Formen auch bewegter aussehen. Die Alten haben
Gartenportale so flott herzustellen verstanden, daß die Umrah-
mungen der Zwischenrännie selbst mit den wechselvollen Natur-
schauspielen ein bewegtes, sich der Natur immer neu anpassendes
Spiel zu treiben scheinen. Ich glaube, daß mehr Leben in das
moderne Gitterwerk kommen wird, wenn die Znsammenwirkung
des Gitterwerkes n it dem Grund, von welchem es sich abhebt,
phantasievoller aufgefaßt wird. Das kommt natürlich auch in
Betracht bei den Gitterwerken der Eisenbahnbrücken, welche in
der Regel die Landschaft verunstalten, statt sie zu heben.

Musterrccht und Musterschutz.

Von

vr Joseph Landgras.

Leipzig. Weber.

Dieses warm und lebendig geschriebene Buch wird auch
nach der Verkündigung des Musterschutzgesehes seinen Werth
behalten. Denn es bietet einen interessanten geschichtlichen
Ueberblick über die Entwickelung des Musterrechts in den euro-
päischen Staaten und in den vereinigten Staaten von Nord-
amerika, worauf die Vorgeschichte des deutschen Musterrechts
folgt. Es ist das ein Stück Cnlturgeschichte. Außerdem be-
leuchtet der Verfasser das Kunstgewerbe in seiner Beziehung
zu den socialen Verhältnissen. Hiedurch bleibt das Buch auch
für die zukünftige Entwickelung von Wichtigkeit. Hören wir,
wie sich Di'. Landgraf über den Einfluß des Kunstgewerbes
ans den Arbeiter ausspricht: „Der Arbeiter ist wieder an dem
Ganzen, statt nur an den Theilen interessirt, ohne daß dadurch
eine gesunde Arbeiistheilung irgendwie ausgeschlossen ist. Denn
in der Beschränkung ans gewisse einzelne kunstgewerbliche Ge-
genstände steht der weiteren Ausbildung der Arbeiistheilung
ans diesem Gebiete kein Halt gegenüber. Daran mag man die
Hoffnung knüpfen, daß auch unser.Lehrlingswesen wieder glück-
lichere Zeiten erlebe, als sie die Gegenwart zu bedauern veran-
laßt ist. Insbesondere wird der unter der Herrschaft der Ma-
schinenindustrie halben und unfertigen technischen Ausbildung
in den Kunstgewerben gründlich gesteuert, eine Reform, die auch
der Maschinenindustrie selbst frommen wird, die sich eben daher
tüchtige Kräfte zu recrutiren vermag. Die Erfahrung zeigt
aber auch, daß in den Zeichnnngsanstalten entsprechend geschulte
Arbeiter weit versatiler sind, weit leichter in andereil kunstge-
werblichen Beschäsligungen verwendet werden können, als die-
ses der einseitig machende Maschinenbetrieb zuläßt. Daß aber
die Versatilität des Arbeiters eine der nothwendig anzustrebenden
Eigenschaften unserer Arbeiter ist, wenn anders den Gefahren
überreizter Arbeiistheilung mit Erfolg begegnet werden will,
ist eine unbestrittene Frage.

Ein iUustrantes Beispiel erzählt uns Semper, das zugleich
die gesammte sociale Bedeutung der Knnstgewerbe in ein recht
freundliches Licht treten läßt. Jules Dieterle, der Director des
ästhetischen Departement der Porzellanmanufaktnr von Sevres
hat als Laufbursche mit den niedrigsten Diensten in einer Ta-

petenmanufaktur angefangen. Er trat in die französische Staats-
fabrik als Neuling ein. Allein, meint unser Antor, sowie man
auf einem Felde der Knnsttechnik wirklich Praktikus ist, findet
man leicht auf jeder anderen seine Richtung. Er behauptet,
daß sich noch viele andere Fälle ans der französischen Fabrik-
praxis hiezu erbringen ließen."

Für die Bewahrheitung seiner Deductionen ruft Dr. Land-
graf auch den englischen Ornamentisten Wornum als Zeugen
an: „Wornum theilte schon 1852 mit, daß die englischen Fabri-
kanten anerkennen, daß diejenigen ihrer Arbeiter, welche nach
dem Besuche entsprechender gewerblicher Zeichnenschnleu in der
kunstgewerblichen Industrie verwendet werden, sich vortheilhaft
vor denen anszeichnen, bei denen dies nicht der Fall. Sie ver-
mögen viel rascher den Ideen des Fabrikanten zu folgen und
Arbeiten auszuführen, die früher denselben nicht möglich gewe-
sen. So haben insbesondere die Industriellen in Nottingham
(Spitzen), Coventry (Bänder und Posamentier-Waarenl, Bir-
mingham lMetallwaaren), Sheffield (Stahlwaaren), Spitalfields
(Webemaaren) und in den Thonwaaren außerordentliche Erfolge
gerühmt."

An solchen Stellen wird der Einfluß des Kunstgewerbes
und der Zeichnungsschnlen ans die eigentliche Arbeiterlhätigkeit
hervorgehoben.

Eine andere die socialen Verhältnisse berührende wichtige
Frag e, ans welche Weise den ärmeren Klassen mit den Mitteln
der Knnstuidustrie ein wohlthuendes Daheim geschaffen werden
können, wird auch in dieser Schrift betont. Dr. Landgraf theilt
aus einer Abhandlung von Dr. von Eye als Beweis dafür,
daß Frankreich auf die verschiedenen Vermögenskreise in kunst-
gewerblicher Beziehung Rücksicht nehme, folgende interessante
Thalsache mit: „Die Union centrale des Beaux-Arts appliques
ä l’lndustrie hat 1865 den größten Preis und zwar 8000 Francs
ausgesetzt für die vollständige Einrichtung eines Schlafzimmers,
entsprechend'den Bedürfnissen ärmerer Elasten, von der Ansicht
ausgehend, daß die Kunstindustrie, welche für die reichen Leute
arbeitet, alle Ressourcen zur Befriedigung des Geschmackes in
ihren Händen hat, während hingegen einer Knnstindustrie, welche
für die ärmeren Elasten arbeitet, jene Ressourcen fehlen, und
daß bei Einrichtnngsgegenständen für die ärmeren Elasten häu-
fig ohne Noth häßliche Formen angewendet werden. Diesem
Uebelstandc soll gesteuert werden: beruhe doch die wahre Schön-
heit aus Einfachheit der Linien und Formen. Würden dabei
zweckmäßige, Materialien und neue Erzeugungsmethoden ver-
wendet, so würde die Möglichkeit geboten, schönere und zugleich
wohlfeilere Einrichtungsstücke auch für die ärnieren Elasten zu
liefern." Es ist das ein sehr bemerkenswerther Vorgang. Und
in der That, die Kunstindustrie verjüngt sich erst dann wieder
am richtigen Jungbrunnen, wenn die verschiedenen Volksschich-
ten Sinn für eine anheimelnde Ausschmückung der Umgebung
zeigen. Erst dann kann sie einen wahrhaft nationalen Charak-
ter erhalten. Sonst bleibt sie nur eine Treibhauspflanze für
einige Bevorzugte.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Heft 11 Blatt 1. Eckkästchen, entworfen von F. Barth. Das
ganze Kästchen braun zu beizen.

Heft ll Blatt 2. Füllungen von Frosch.

Heft 12 Blatt 1. Trinkstübchen von Eugen Neureuther.

Heft 12 Blatt 2. Details zu Blatt 1.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von Or. Lichtenstein. — Kgl. Hof- u. Universitäts-Buchdr. v. vr. C. Wolf & Soh n in München.
 
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