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Um auch einen Einblick in den vom Hanptmann Wendelin
Böheim bearbeiteten statistischen Theil des Werkes zu gewähren,
seien hier einige demselben entnommene Notizen mitgetheilt.
Nach den vorhandenen Daten schätzt Gandchanx Picard d i e
jährliche Produktion von Glaswaaren in der ge-
sammten Welt ans beiläufig 500 Millionen Francs,
wobei sich ergäbe, daß Frankreich hieran mit einem guten
Fünftheile gegenwärtig betheiligt ist. Im Jahre 1818 dagegen
erzeugte Frankreich in allen Glaswerken Maaren im Werthe
von 15 bis 18 Millionen Francs.
Nach den neuesten Angaben besitzt Frankreich an 150 ver-
schiedenen Orten 200 Glasfabriken.
In sämmtlichen Fabriken Frankreichs sind 35200 Arbeiter
beschäftigt.
Die Glasindustrie Deutschlands hat sich zu hoher Bedeut-
ung anfgeschwnngen, hält in einzelnen Fächern, wie z. B. in
der Spiegelfabrikation und der Erzeugung von Grünhohlglas
jeder Concnrrenz die Waage und dürfte bei der Intelligenz
und der Rührigkeit eines großen Theiles der Fabrikanten auch
in anderen Zweigen schon in nächster Zeit einen noch weit
mächtigeren Aufschwung nehmen.
Deutschland zählt heute zum wenigsten 250 Glasfabriken;
es ist dies jene Ziffer, die wir bis jetzt zu erniren vermochten.
Immerhin mag noch eine Zahl kleiner Hütten mit beschränktem
Absatzgebiete in den verschiedenen Gebirgsgegenden des Reiches
nicht ermittelt sein, ebenso manche Unternehmungen, welche sich
nicht eigentlich mit der Erzeugung des Glases selbst, sondern
nur mit dessen Raffinirnng befassen, wie die Uhr- und Brillen-
glasfabriken, die Schleifereien, Glasbläsereien, die Raffinerien
von Knrzwaaren rc.
Im Jahre 1870 bestanden in der diesseitigen Neichshälfte
des österreichischen Kaiserthnms 147 Hohl- und Tafelglashütten
mit 198 Schmelzöfen nnd 1373 Häfen; ferner 190 Wasserräder,
7 Turbinen und 17 Dampfmaschinen als Motoren.
Hievon entfielen auf Böhmen allein: 82 Hütten mit 115
Schmelzöfen und 856 Häfen, ferner 72 Wasserräder und
7 Dampfmaschinen.
Die Gesammtzahl der Arbeiter belief sich auf 23825 In-
dividuen.
Ein Wort Sempers über die Industrie der alten
Deutschen.
Im ersten Bande des Semper'schen Buches „der Stil"
findet sich in dem Abschnitt, welcher „die Naht" betitelt ist, eine
Stelle, welche ein Licht wirft auf den auch in der nncnltivirten
menschlichen Natur liegenden Drang nach Erzeugung künstleri-
schen Schmuckes. Die Stelle lautet:
Es ist stannenswürdig, mit wie richtigem Takte der durch
tellnrische Fesseln an das Gesetz der Nothwendigkeit gebundene
und mehr willkürlos schaffende Halbwilde (sei dieser Zustand
nun ursprünglich oder Folge der Verwilderung, gleichviel, denn
die Kunstgeschichte zeigt, daß in dieser Beziehung der Anfang
und das Ende der Civilisation einander berühren) auch hierin
das Stilgesetz erkennt und wie seine ganze Knnsttheorie und
Praxis so zu sagen ans diesem Motive (der Naht) verbunden
mit wenigen anderen damit verwandten Motiven beruht. Wir
bewundern die Kunst und den Geschmack, womit die Irokesen
und sonstigen Tribns Nordamerika's ihre Dachsfelle und Reh-
hänte mit Federn, Darmsaiten, Thiersehnen oder anch mit ge-
sponnenen Fäden znsammenznnähen wissen, und wie ans dieser
Flickerei ein geschmackvolles buntes Stickwerk, ein Ornamenta-
tionsprinzip hervorging, welches gleichsam die Basis einer
eigenthümlichen, leider im Keime erstickten Knnstentwicklnng
bildet. Gleiches rühmten die Römer nnd byzantinischen Griechen
von unseren „barbarischen" deutschen Vätern, die uns in unserer
Jugendzeit lächerlicherweise als in rohe Felle gewickelte Wilde
geschildert worden sind. Sie waren in der Kunst der Pelz-
bereitnng, des Gerbens und besonders des Stickens und Be-
setzens der gegerbten Pelze so geschickt, daß ihre Lederwaaren,
besonders die Rennthierkoller, renones, schon im 3. und 4. Jahr-
hundert die fashionable Wintertracht der vornehmen Römer
wurde, so daß gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter Kaiser
Honorins ein Lnxusgesetz erlassen werden mußte, welches das
Tragen der reich gestickten fremden Pelztrachten bei schweren
Strafen verbot, damit nicht die gothische Mode die Vorläuferin
der gothrschen Herrschaft werde. Die Verzierungen an diesen
Pelzen, deren haarichte Seite nach innen gekehrt war und nur
an den Säumen und Verbrämungen sichtbar wurde, waren ans
der kunstfertigen Ausbildung der Nahtstickerei hervorgegangen.
Man setzte zwischen die Hanpttheile des Pelzes zur besseren
Hervorhebung der Naht lebhafter gefärbtes, rothes oder blaues
und grünes Leder, anch wohl bunt schillernde Fischhäute, wenn
anders Tacitns richtig verstanden wird, und diese Streifen
wurden mit zierlicher Schnörkelstickerei eingesetzt, ganz nach
kanadischer Weise und so, wie sie sich an den uns bekannteren
russischen Pelzstiefeln zeigt, die in der That sehr lehrreiche und
schöne Specimina der in Rede stehenden, für die Theorie des
Stiles so interessanten Knnsttechnik sind. Es bedarf, hier
wenigstens an dieser Stelle, keiner weiteren Durchführung,
wie die Nahtstickerei bei allen Völkern des Ostens und überall,
wo sich noch eine gewisse Ursprünglichkeit und Naivität der
Volksindnstrie knndgibt, zwar auf die verschiedenste Weise,
jedoch dem Prinzipe nach gleichmäßig geübt wird und die
eigentliche materielle Basis der gesamnuen Flächenornamentik
bildet.
Beschreibung der Kunstbeilagen.
Heft 3. Blatt 1. Handspiegel von Thomas Dennerlein. Die
Vorderseite ist bis zur äußeren Hohlkehle,
von welcher an der Spiegel beginnt, gleich
gebildet, wie die hier in wirklicher Größe
gegebene Rückseite. Der Spiegel ist in ge-
triebenem und oxpdirtem Silber gedacht.
Blatt 2. Fnßbodenmnster, Deckenmuster, Wandmnster,
entworfen von Niederhöfer.
Heft 4. Blatt 1. und 2. Thür- und Fensterbeschläge von
Kafka und Schulze. Diese Thür- und
Fensterbeschläge wurden für das in reicher Holz-
architektnr im Renaissancestpl ansgestattete
Speisezimmer des Banqnier Moritz Gnggen-
heimer, des Vorstandes des Collegiums der
Gemeindebevollmächtigten der Stadt München,
entworfen und von der Firma Franz Schörg
und Sohn dahier ansgeführt und zwar in
Schmiedeeisen, verzinnt, mit eingravirterZeich-
nung, die durch Austreiben einzelner Stellen
noch mehr hervorgehoben wird.
Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von Dr. Lichtenstein. — Kgl. Hof- u. Univerfitäts-Buchdr. v. I)r. C. Wolf & Sohn in München.
Um auch einen Einblick in den vom Hanptmann Wendelin
Böheim bearbeiteten statistischen Theil des Werkes zu gewähren,
seien hier einige demselben entnommene Notizen mitgetheilt.
Nach den vorhandenen Daten schätzt Gandchanx Picard d i e
jährliche Produktion von Glaswaaren in der ge-
sammten Welt ans beiläufig 500 Millionen Francs,
wobei sich ergäbe, daß Frankreich hieran mit einem guten
Fünftheile gegenwärtig betheiligt ist. Im Jahre 1818 dagegen
erzeugte Frankreich in allen Glaswerken Maaren im Werthe
von 15 bis 18 Millionen Francs.
Nach den neuesten Angaben besitzt Frankreich an 150 ver-
schiedenen Orten 200 Glasfabriken.
In sämmtlichen Fabriken Frankreichs sind 35200 Arbeiter
beschäftigt.
Die Glasindustrie Deutschlands hat sich zu hoher Bedeut-
ung anfgeschwnngen, hält in einzelnen Fächern, wie z. B. in
der Spiegelfabrikation und der Erzeugung von Grünhohlglas
jeder Concnrrenz die Waage und dürfte bei der Intelligenz
und der Rührigkeit eines großen Theiles der Fabrikanten auch
in anderen Zweigen schon in nächster Zeit einen noch weit
mächtigeren Aufschwung nehmen.
Deutschland zählt heute zum wenigsten 250 Glasfabriken;
es ist dies jene Ziffer, die wir bis jetzt zu erniren vermochten.
Immerhin mag noch eine Zahl kleiner Hütten mit beschränktem
Absatzgebiete in den verschiedenen Gebirgsgegenden des Reiches
nicht ermittelt sein, ebenso manche Unternehmungen, welche sich
nicht eigentlich mit der Erzeugung des Glases selbst, sondern
nur mit dessen Raffinirnng befassen, wie die Uhr- und Brillen-
glasfabriken, die Schleifereien, Glasbläsereien, die Raffinerien
von Knrzwaaren rc.
Im Jahre 1870 bestanden in der diesseitigen Neichshälfte
des österreichischen Kaiserthnms 147 Hohl- und Tafelglashütten
mit 198 Schmelzöfen nnd 1373 Häfen; ferner 190 Wasserräder,
7 Turbinen und 17 Dampfmaschinen als Motoren.
Hievon entfielen auf Böhmen allein: 82 Hütten mit 115
Schmelzöfen und 856 Häfen, ferner 72 Wasserräder und
7 Dampfmaschinen.
Die Gesammtzahl der Arbeiter belief sich auf 23825 In-
dividuen.
Ein Wort Sempers über die Industrie der alten
Deutschen.
Im ersten Bande des Semper'schen Buches „der Stil"
findet sich in dem Abschnitt, welcher „die Naht" betitelt ist, eine
Stelle, welche ein Licht wirft auf den auch in der nncnltivirten
menschlichen Natur liegenden Drang nach Erzeugung künstleri-
schen Schmuckes. Die Stelle lautet:
Es ist stannenswürdig, mit wie richtigem Takte der durch
tellnrische Fesseln an das Gesetz der Nothwendigkeit gebundene
und mehr willkürlos schaffende Halbwilde (sei dieser Zustand
nun ursprünglich oder Folge der Verwilderung, gleichviel, denn
die Kunstgeschichte zeigt, daß in dieser Beziehung der Anfang
und das Ende der Civilisation einander berühren) auch hierin
das Stilgesetz erkennt und wie seine ganze Knnsttheorie und
Praxis so zu sagen ans diesem Motive (der Naht) verbunden
mit wenigen anderen damit verwandten Motiven beruht. Wir
bewundern die Kunst und den Geschmack, womit die Irokesen
und sonstigen Tribns Nordamerika's ihre Dachsfelle und Reh-
hänte mit Federn, Darmsaiten, Thiersehnen oder anch mit ge-
sponnenen Fäden znsammenznnähen wissen, und wie ans dieser
Flickerei ein geschmackvolles buntes Stickwerk, ein Ornamenta-
tionsprinzip hervorging, welches gleichsam die Basis einer
eigenthümlichen, leider im Keime erstickten Knnstentwicklnng
bildet. Gleiches rühmten die Römer nnd byzantinischen Griechen
von unseren „barbarischen" deutschen Vätern, die uns in unserer
Jugendzeit lächerlicherweise als in rohe Felle gewickelte Wilde
geschildert worden sind. Sie waren in der Kunst der Pelz-
bereitnng, des Gerbens und besonders des Stickens und Be-
setzens der gegerbten Pelze so geschickt, daß ihre Lederwaaren,
besonders die Rennthierkoller, renones, schon im 3. und 4. Jahr-
hundert die fashionable Wintertracht der vornehmen Römer
wurde, so daß gegen Ende des 4. Jahrhunderts unter Kaiser
Honorins ein Lnxusgesetz erlassen werden mußte, welches das
Tragen der reich gestickten fremden Pelztrachten bei schweren
Strafen verbot, damit nicht die gothische Mode die Vorläuferin
der gothrschen Herrschaft werde. Die Verzierungen an diesen
Pelzen, deren haarichte Seite nach innen gekehrt war und nur
an den Säumen und Verbrämungen sichtbar wurde, waren ans
der kunstfertigen Ausbildung der Nahtstickerei hervorgegangen.
Man setzte zwischen die Hanpttheile des Pelzes zur besseren
Hervorhebung der Naht lebhafter gefärbtes, rothes oder blaues
und grünes Leder, anch wohl bunt schillernde Fischhäute, wenn
anders Tacitns richtig verstanden wird, und diese Streifen
wurden mit zierlicher Schnörkelstickerei eingesetzt, ganz nach
kanadischer Weise und so, wie sie sich an den uns bekannteren
russischen Pelzstiefeln zeigt, die in der That sehr lehrreiche und
schöne Specimina der in Rede stehenden, für die Theorie des
Stiles so interessanten Knnsttechnik sind. Es bedarf, hier
wenigstens an dieser Stelle, keiner weiteren Durchführung,
wie die Nahtstickerei bei allen Völkern des Ostens und überall,
wo sich noch eine gewisse Ursprünglichkeit und Naivität der
Volksindnstrie knndgibt, zwar auf die verschiedenste Weise,
jedoch dem Prinzipe nach gleichmäßig geübt wird und die
eigentliche materielle Basis der gesamnuen Flächenornamentik
bildet.
Beschreibung der Kunstbeilagen.
Heft 3. Blatt 1. Handspiegel von Thomas Dennerlein. Die
Vorderseite ist bis zur äußeren Hohlkehle,
von welcher an der Spiegel beginnt, gleich
gebildet, wie die hier in wirklicher Größe
gegebene Rückseite. Der Spiegel ist in ge-
triebenem und oxpdirtem Silber gedacht.
Blatt 2. Fnßbodenmnster, Deckenmuster, Wandmnster,
entworfen von Niederhöfer.
Heft 4. Blatt 1. und 2. Thür- und Fensterbeschläge von
Kafka und Schulze. Diese Thür- und
Fensterbeschläge wurden für das in reicher Holz-
architektnr im Renaissancestpl ansgestattete
Speisezimmer des Banqnier Moritz Gnggen-
heimer, des Vorstandes des Collegiums der
Gemeindebevollmächtigten der Stadt München,
entworfen und von der Firma Franz Schörg
und Sohn dahier ansgeführt und zwar in
Schmiedeeisen, verzinnt, mit eingravirterZeich-
nung, die durch Austreiben einzelner Stellen
noch mehr hervorgehoben wird.
Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von Dr. Lichtenstein. — Kgl. Hof- u. Univerfitäts-Buchdr. v. I)r. C. Wolf & Sohn in München.