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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1909

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Heft 1-2
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Bauer, Max: Ein neuer Entwurf eines österreichischen Denkmalschutzgesetzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.26207#0018
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Max Bauer Ein neuer Entwurf eines österreichischen Denkmalschutrgesetzes

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betreffen; was darunter in der Praxis verstanden
werden soll, ist zweifelhaft; denn den Landes-
denkmalkommissionen hierin Direktiven für ihre Ent-
scheidungen zu geben, ist nach dem Entwurfe nicht
möglich, da diese Kommissionen ganz unabhängig
vom Denkmalrate sind; ferner Abgabe von Gutachten
in allen Fällen, in welchen eine Subvention aus
Staatsmitteln verlangt wird; weiter Entscheidung
über Berufungen gegen die Erkenntnisse der Landes-
denkmalkommissionen; endlich die Ernennung von
Korrespondenten über Antrag der Landesdenkmal-
kommission. Die Beschlüsse erfolgen in kollegialer
Beratung, nach Anhörung des Generalkonservators.
Über Berufungen gegen Straferkenntnisse entscheidet
ein Senat aus ftinf Mitgliedern, worunter sich ein
richterlicher Beamter befinden muß.

Die Landesdenkmalämter stehen unter der Lei-
tung des politischen Landeschefs und erhalten einen
Landeskonservator als Berufsbeamten. DerWirkungs-
kreis dieser Ämter umfaßt: Vorschläge zur Inven-
tarisierung der Denkmale; Bewilligung zur Restau-
rierung, Änderung oder Demolierung der Denkmale;
Genehmigung von Bauten in der Umgebung von
Denkmalen; Feststellung der Fluchtlinie, welche ein
Denkmal gefährdet; Anträge zur Herabsetzung der
Hauszinssteuer bei Privatdenkmalen; wissenschaft-
liche und bildliche Aufnahme von Funden; Bewilli-
gung zu Ausgrabungen; Fällung von Straferkennt-
nissen als erste Instanz; endlich Erstattung von
Tätigkeitsberichten an das Staatsdenkmalamt.

Die Landesdenkmalkommission besteht aus
(vermutlich ehrenämtlich fungierenden) Mitgliedern
und Ersatzmännern, die der Minister für K. u. U.
auf fünf Jahre ernennt und deren Vorsitzenden
er bestellt; außerdem werden in die Kommission
Vertreter der Akademien der Wissenschaften, des
Landesausschusses, der Gemeinden mit eigenem
Statute und der Ordinariate berufen. Die Entschei-
dungen werden in kollegialer Beratung und nach
Anhörung des Landeskonservators gefällt. Der
Landesdenkmalkommission obliegt: die Entscheidung
über Eintragung von Denkmalen in das Inventar
und Löschung aus demselben; Entscheidung über
Konservierung und Enteignung der Denkmale (der
Umfang dieser Berechtigung ist unklar, da nach dem
Wortlaute des Gesetzes iiber beabsichtigte Restau-
rierungen oder Änderungen das Landesdenkmalamt
entscheidet und ein Rekurs an die Landesdenkmal-
kommission nicht vorgesehen ist); Anträge zur Ge-
währung von Subventionen aus Staatsmitteln; Fäl-
lung von Straferkenntnissen als zweite Instanz in
einem Senate von vier Mitgliedern, worunter sich
ein richterlicher Beamter befinden muß.

Die Korrespondenten sind ehrenamtlich fungie-
rende Hilfsorgane der Landesdenkmalämter; sie wer-
den vom Denkmalrate auf die Dauer von fünf Jahren
ernannt und können nach Ablauf dieser Zeit wieder
bestellt werden. Sie sollen sich um die Erforschung
und Erhaltung der Denkmale schon vor ihrer Er-
nennung Verdienste erworben haben und haben die
Pflicht, auf alle Vorkommnisse in ihrer Umgebung
zu achten, welche Denkmale, Funde und Ausgra-
bungen betreffen und darüber an das Landesdenk-
malamt zu berichten.

Den Prinzipien, von denen die beantragte Organi-
sation ausgeht, kann im allgemeinen zugestimmt wer-
den. Es sind dies vor allem eine weitgehende Dezen-
tralisation der Denkmalpflege und die Ernennung von
verantwortlichen Beamten, welche die wissenschaft-
lichen Aufgaben der Denkmalpflege zu lösen und die
konkreten Fälle für die Entscheidung vorzubereiten
haben. Bedenklich sind zwei Umstände: die An-
gliederung der Denkmalämter an die politischen
Behörden und die Übertragung der endgültigen Ent-
scheidungen an die Landesdenkmalkommissionen, be-
ziehungsweise an den Denkmalrat, selbst bei Fällung
von Straferkenntnissen. Abgesehen von dem Um-
stande, daß diese Kommissionen und der Denkmalrat
aus ehrenämtlichfungierendenunddaherunverantwort-
lichen Personen bestehen, müssen in diesen Körper-
schaften die Vertreter des Denkmalschutzes (Fach-
männer) gegenüber den Vertretern der Gegenwarts-
werte (Land, Gemeinde, Ordinariat) bedeutend über-
wiegen, soll diese Körperschaft nicht von vorne-
herein ihren Zweck verfehlen. Es kann daher der
Majorität jedenfalls nicht jene rein objektive Be-
handlung des Falles, das heißt, das sorgfältige Ab-
wägen a 11 e r in Betracht kommenden Interessen
(nicht nur jener der Denkmalpflege) zugemutet wer-
den, welche die Übertragung der endgültigen Ent-
scheidung rechtfertigen wiirde. Der Bau einer für
den Verkehr sehr wichtigen Straße soll z. B. die
Demolierung eines Denkmals zur Folge haben. Die
Kommission entscheidet (gegen die Stimmen der
Vertreter des Landes und der Gemeinde), das Denk-
mal sei zu belassen. Der Bau der Straße muß ent-
weder ganz unterbleiben oder ein neues Projekt
ausgearbeitet werden, das unter Umständen eine viel
höhere Kostensumme aufweist, welche, da ein
Schadenersatz im Gesetze nicht vorgesehen ist,
allein die Interessenten trifft. Wenn auch gegen die
Zusammensetzung der Kommissionen nichts Wesent-
liches eingewendet werden kann, so erschiene es
doch zweckmäßiger, sie auf die Abgabe eines Gut-
achtens zu beschränken, welches einzuholen in allen
für den Denkmalschutz belangreichen Fällen die po-
 
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