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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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aus Berlin Chopinsche Weisen, oder ein Sänger trug zur
Laute deutsche Volkslieder vor, wohlgemerkt, alles Sol-
daten, die für diesen Abend dem Schosse des Korps als
Künstler entstiegen, um am nächsten Tage wieder zum
Gewehr oder zur Schippe, zur Karte des Generalstäblers
oder zum Operationsmesser des Arztes zu greifen.

Werke, die nicht so flüchtig entschwinden, rief die
Korpsverlagsbuchhandlung Bapaume ins Leben. Diese
Lieblingsschöpfung Prestings hat sich in der Geschichte
des deutschen Schrifttums ein dankbares Gedenken ge-
sichert. Ihre Begründung entsprang dem Wunsche so-
wohl den litterarisch-produzierenden Kräften bleiben-
dere Werte als Zeitschriftenaufsätze abzugewinnen als
auch dem Verlangen nach tieferer Erkenntnis der Um-
welt Befriedigung zu gewähren. Sie gab zunächst zwei
Vorträge des Züricher Nationalökonomen Leutnant d.L.
Professor Sieveking heraus: „Konstantinopel" und „Der
deutsche Bund und das deutsche Reich", die trotz
wissenschaftlicher Gründlichkeit dem Verständnis des
einfachen Mannes das Ziel des grossen Krieges und das
Werden Deutschlands nahe brachten. Mit einem an-
regenden Werke eröffnete Vizewachtmeister Dr. Er-
hard die Serie: „Aus Städten und Schlössern Nord-
frankreichs" (von Karl Winters Verlag, Heidelberg,
leider recht mässig ausgestattet). Erhard hat eine
glückliche Begabung, durch charakteristische Schilde-
rungen der früheren Bewohner die Örtlichkeiten, die
er beschreibt, mit Leben zu erfüllen, in einem fein-
geschliffenen mit leisem Humor gewürzten Stil, dem
achtzehnten Jahrhundert angemessen, dem er vor allem
sein Interesse zuwandte. Zu Hilfe kamen ihm die un-
gehobenen Schätze der Schlossarchive und, eine Selten-
heit, die mündliche Tradition. Ergreifend liest es sich,
wie der alte ritterliche Marquis von Havrincourt in
seinem Schlosse vergeblich der Befreier harrend, den
gelehrten Feind durch die Gemächer führt und vor den
Bildern der grossen Ahnen von deren Thaten erzählt:
ein Kavalier der alten Schule, die leider in Frankreich
auszusterben scheint. Besonders wertvoll werden diese
Nachrichten den kommenden Generationen sein, denn
alle diese Monumente sind von der Furie des Krieges
schwer bedroht. Als zweiter Band der Reihe erschien
ein Buch über „Douai", in welchem der Giessener
Professor Chr. Rauch (bei der fteiwilligen Kranken-
pflege) dem reichen Museum der Stadt eine Würdigung
zu teil werden lässt, in einem Werke: „Cambrai" ver-
einigten sich drei Autoren zu eingehenden Studien.
Landsturmmann Dr. Franz Schnabel bearbeitete die
Geschichte von Cambrai, Vizefeldwebel Dr. Hermann
Burg erläuterte die Kunstschätze, Vizewachtmeister
Dr. Erhard zeichnete die Gestalt Fenelons, des grossen
Erziehers und Staatsmanns, der als Erzbischof in Cam-
brai residierte.

Den Kämpfen an der Westfront zur Erinnerung
werden die beiden Bilderwerke dienen: „Zwischen
Arras und Peronne" (mit 3 11 Bildern") und „An der

Somme" (mit 304 Bildern), an deren Herstellung eine
grosse Anzahl Angehöriget des Korps mit zum Teil
künstlerisch vortrefflichen Aufnahmen mitwirkten.

Ein Prunkstück unter den vom Korps herausgegebe-
nen Werken ist das Buch „La Tour", das fast sämt-
liche im Museum in St. Quentin vorhandenen Bilder
des grossen Pastellmalers, zum Teil zum ersten Male,
veröffentlicht.

Der geschmackvoll ausgestattete Band (durch den
Verlag R. Piper & Co., München) enthält 89 Abbil-
dungen, darunter 10 farbige Tafeln (z. T. nach Auf-
nahmen des Oberarztes Dr. Dietsche), die einen
Triumph der deutschen Reproduktionstechnikbedeuten.
Diese farbigen Abbildungen sind selbst für die Wissen-
schaft brauchbar, man erhält von dem farbigen Reiz
dieser Kunst eine anschauliche Vorstellung. In einer
ausführlichen Einleitung hat Erhard die Gestalt des
Künstlers umrissen. Dem Literarhistoriker gewann das
Biographische mehr wie das Künstlerische Interesse ab.

Erhards Feder schildert die amüsante und intrigante
Welt der Höflinge und Maitressen am Hofe Lud-
wig XV., denen der Pinsel des Künstlers ein schillern-
des Leben verlieh, er sucht auch feinfühlig in das
Wesen der Kunst des Malers einzudringen, wenn auch
seine Studie nicht „die erste eingehende Untersuchung
ist, die dem Meister in deutscher Sprache gewidmet ist",
wie sich die Voranzeige des Verlages etwas übertreibend
äussert. (Eine vortreffliche Beschreibung der Bilder La
Tours in St. Quentin von Levin steht im Novemberheft
1909 dieser Zeitschrift.) Auch seine Arbeit umfasst
keine erschöpfende und tiefer schürfende Biographie
dieses grossen Franzosen, so hat er das Problem von
dem Erblühen und Vergehen der Kunst des Pastells im
achtzehnten Jahrhundert nicht einmal gestreift, und
was den Realismus und die eindringende Charakteristik
der Bildnisse La Tours angeht, so ist es damit eine
eigene Sache.

Gegenüber der Bildniskunst der Generation vor ihm,
bedeutete seine Art eine Vertiefung, aber auch er packte
nur den „charakteristischen Moment", er sah die Per-
sonen, wie sie sich gaben, in die Gründe der Seelen
drang er nicht ein. Seine ungewöhnliche Treffsicher-
heit gab schliesslich, wie alle Kunst des achtzehnten
Jahrhunderts, nur die Oberfläche wieder.

Der Titel des Buches: „Französische Kunst, heraus-
gegeben von einem Reservekorps" lässt vermuten, dass
uns noch weitere Gaben beschert werden. Das von uns
besetzte Gebiet Frankreichs ist ja so unendlich reich
an Erzeugnissen grosser Kunst.

Mancher mag sich vielleicht über diese anmutigen
Blüten verwundern, die einer blutgedüngten Erde ent-
spriessen. Einst werden sie vernehmlich Zeugnis geben,
dass selbst die Schrecknisse des Krieges und die bittere
Not den Drang nach dem Guten und Schönen in den
deutschen Soldaten nicht ersticken liess.

Hermann Burg (im Felde)

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