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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 6
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Eberstadt, Rudolf: Eine Dorfsiedelung des achtzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0244

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Gebäuden und dem Abbruchsmaterial noch acht
Bauernhäuser hergestellt wurden. Bereits im Jahre
1752 war die Siedelung mit zwanzig Kolonisten-
familien besetzt, von denen siebzehn aus Mecklen-
burg, drei aus Württemberg stammten.

Die beifolgende Abbildung S. 2 3 5 zeigt den
Grundriss des aus dem Schlosshof entstandenen
Dorfplatzes. Um den alten Achteckplatz — der
nunmehr den Mittelpunkt der neuen Dorfanlage ab-
gab — wurden die Stellen der Ansiedler und ihre
Ackergrundstücke angeordnet. Durch diese Planung
wird die eigenartige, auf den ersten Blick auf-
fallende Grundstückseinteilung (die noch heute er-
halten ist) bestimmt; die Grundstücke sind strahlen-
förmig um den Platz gelegt und konvergieren nach
der Mitte des Achtecks. Die Anlage, wie sie unsere
Skizze darstellt, ist wesentlich verschieden von der
üblichen Vorstellung eines Dorfes und schwerlich
unter den uns geläufigen Kategorien der Dorf-
siedlungen unterzubringen. Wir wissen jetzt, dass
die ursprüngliche Planabsicht in keiner Weise auf
eine Dorfanlage gerichtet war. Um so mehr ver-
dient es eine Hervorhebung, dass die aus einer
völlig fremdartigen Grundlage entstandene Plan-
form von Friedrichsthal alsbald Schule machte und
bei den seit 1754 unternommenen friderizianischen
Dorfgründungen in der Mark teils unverändert nach-
gebildet, teils mit Abwandlungen benutzt wurde.
Die Dörfer Kloster Zinna bei Jüterbog und Schön-
walde unweit Bernau haben als Mittelpunkt der
Planung den aus Friedrichsthal übernommenen
Achteckplatz, währendinderAnlageandererKolonie-
dürfer gleichartige Anregungen erkennbar sind.

Die Platzanlage in Dorf Zinna, bei der die einzelnen
Kleinhäuser durch Zwischenmauern verbunden sind und eine
geschlossene Umbauung der Freifläche aufweisen, macht einen
trefflichen Eindruck; man ist überrascht, hier manche Einzel-
heiten zu finden, die unsere heutige Plantechnik als neue
Effekte aufgenommen hat. Dass Kriegsrat Pfeiffer, der die vor-
erwähnten Dörfer anlegte, bei der Besiedelung von Friedrichs-
thal thätig war, wurde oben bemerkt. — In Friedrichsthal selbst
ergiebt der gegenwärtige Zustand ein von dem ursprünglichen
in wesentlichen Zügen abweichendes Bild. In die Mitte des
Dorfplatzes wurde im Jahre 1896 der Neubau einer Kirche ge-
stellt, der, trotz der nüchternen Alltäglichkeit seiner akade-
misch-gotischen Formen, störend wirkt und sich in die Um-
gebung nicht einzufügen vermag. An der Südecke des Platzes
ist ein zweieinhalbgeschossiger Privatbau von wenig erfreulicher
Gestalt entstanden. In der Nordecke ist die vormalige Ge-
schlossenheit durch die Niederlegung zweier Häuser und die
erforderliche Einführung einer Strasse aufgehoben worden. Im-
merhin bleibt noch genug an günstigen plan-uud siedelungs-
technischen Wirkungen übrig.

Eine dritte Wandlung in der Besiedlung von
Friedrichsthal vollzog sich nach dem Jahr 1780.
Friedrich II. wollte zur Hebung des Gewerbes und
zur Vermeidung des Geldabflusses nach dem Aus-

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lande "eine Manufaktur von Ressorts (Uhrfedern),
Ketten und anderen Fournitures zu denen Uhren
nach Genever Art" im Jnlande anlegen; für diesen
Zweck wurde Friedrichsthal ausersehen. Die Pflan-
zung einer solchen Fabrikation auf dem flachen
Lande bedeutete ein Abgehen von der älteren Übung,
die — zum Teil aus steuertechnischen Gründen —
die Gewerbethätigkeit in die Städte zusammenzog
und auf dem Lande nur die üblichen Landhand-
werke, namentlich die in Verbindung mit Land-
bau betriebene Spinnerei und Weberei, zuliess. Die
Einrichtung der neuen Manufaktur wurde dem
Unternehmer Louis Truitte übertragen, der sich
anheischig machte, die erforderliche Anzahl von
Handwerkern und Arbeitern aus der französischen
Schweiz zur Übersiedlung nach Preussen zu veran-
lassen. Die Wohnbauten für zwanzig Arbeiter-
familien (von denen die Mehrzahl aus Genf, die
übrigen aus anderen Orten der Westschweiz stamm-
ten), und für den Leiter der Fabrikation wurden
im Jahre 17 8 1 errichtet und die Herstellung von
Genfer Uhren kam alsbald in Gang. Die landes-
fürstliche Siedlungspolitik hatte nunmehr dem
Dorf Friedrichsthal die Entwicklung gebracht, die
wir heute wieder anstreben — die örtliche Verei-
nigung von Landbau und Gewerbethätigkeit.

Aus der Geschichte von Friedrichsthal ist noch zu er-
wähnen, dass im Jahre 1819 der königliche Gutsbesitz an einen
privaten Erwerber verkauft wurde. Das Schloss stand bis zum
Jahre 1875 un(i wurde dann wegen Baufälligkeit abgebrochen.
Die Uhrenfabrikation wurde nach 1810 allmählich eingestellt
und die Uhrmacherhäuser gelangten gleichfalls zum Verkauf.
Im Jahre 1844 brach am Dorfplatz ein Brand aus, der neun-
zehn Büdnerstellen in Asche legte. Bei dem Wiederaufbau der
Gebäude sind einzelne Abweichungen von der älteren Baulinie
eingetreten; auch sollen damals die Häuser an der Ostseite etwa
um Vorgartenbreite zurückgesetzt worden sein.

In der Gegenwart wird unser Interesse wieder-
um auf die landesfürstliche Bau- und Siedelungs-
thätigkeit hingelenkt. Wiederum gilt es, nach den
Zerstörungen und Schädigungen von Kriegsjahren
mit aufhelfender Kulturarbeit einzugreifen; wieder-
um gebrauchen wir eine systematische Baupolitik,
die sich nicht — wie es leider bisher zumeist
geschieht — auf Einzelmaassnahmen beschränkt,
sondern ein vollständiges Programm des Siedelungs-
wesens umfasst. Auch die Wirtschaftlichkeit im
Bauwesen, das Haushalten mit den verfügbaren
Mitteln wird vielleicht, wie in der alten Zeit, einen
Grundzug unserer Bauthätigkeit abgeben. Endlich
aber scheint es, dass sich in den während der
letzten fünf Jahrzehnte eingeführten städtischen
Bauformen eine Änderung anbahnen wird, indem
wir, in Rückkehr zu der älteren Überlieferung, in

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