Sckultzc. Bist Du denn ock beide Berliner Sterbekassc, Müller?
Müller. Ja wol!
Schultze. Na denn kannstDu Dir begraben lassen; sie kann ei nich
mehr, se iS Pleite.
Müller. Na ick babe ja immer gesagt: Nich übertreiben, Kinder!
Abcrst ne. sie mußten täglich ihren Tobten baden. Nu sind sc so weit. Ne,
ich sage: Nur leben und leben lassen?
Schultze. So iS et!
Müller. Hast de denn schonst in de Spenersche Zeitung den Bries von
die Herzoge von Orleans gelesen?
Schultze. I, der hat ja schon vor drei Wochen in de Voß'sche ge-
standen!
Müller. Na die Spenersche sagt doch aber, daß ihr die Mittheilung
janz besonders von einem Gönner geworden,
Sch ul he. Na ja, so 'ne Mitt Heilungen gönnt ihr jeder.
Im Later Rhein muß doch höllisch gesoffen werden. Wie ick gestern
früh vorbcijche, batten sc bis an de katholische Kirche durchjcbrochen.
Die Vorträge deS GedächtnißkünstlerS Kothc erfreuen sich einer so allge-
meinen Anerkennung, daß, wie man hört, die Direktion des Friedrich-Wil-
helmSstädtischen Theaters denselben engaziren will, um den „beliebtesten
Mitgliedern" dieser beliebten Bühne das Mcmoriren der Rollen beizubringcn,
da sämmtllchc LebenSversichcrnngS - Gesellschaften sich weigern sollen, die von
der Schwindsucht bedrohten Souffleurs jenes KunstinstituS als Mitglieder
aufzunehmen.
Die Kölnische Zeitung berichtet: .Als die Königin von Spanien am
Fenster erschien, schlugen einige Madrider aus Herzensfreude daS Rad,
Andere stellten sich auf den Kopf." Bei solchen Ehrenbezeugungen muß
wirklich den edlen Spaniern das Blut ins Gesicht steigen.
Obgleich die Berliner Polizei noch streng den Schluß aller Läden und
öffentlichen Lokale während der Kirchenzeil überwacht, dürste man doch, wie
wir aus bester Quelle vernehmen, sich namentlich in höheren Kreisen gegen
die LonntagSfeier in Preußen ausgesprochen haben.
Der Oesterrcichische Lloyd druckt in seinem Feuilleton ein schlechtes Lateini-
scher Gedicht ad, welches vr. McniS, Ocstcrrcichischcr.ProtomcdicuS in Dal-
matien und Abgeordneter zum SanitätScongreß in Pari«, dem Präsidenten
gewidmet hat.
ES scheint in der That nachgerade, als wäre ein SanitätScongreß
der einzige Congreß und die Acrzte die einzigen Staatsmänner, welche die
Frage über die Politik de» Prinz-Präsidenten zu einer endgiltigcn Entscheidung
bringen könnten.
Wönn auch dü Kasseler Rcvolutüon nüchtS getaugt hat, so scheunt
doch dü Restauration dort söhr gut ßu seun. WömgstcnS sünd die Kellner
von außerordentlicher Geschwündigkeut.
DaS kleine Zöt.
Schreiben der 15 jährigen Llinna Lind in Lasse! an ihre
Freundin LmiUc Stint in 0crtin.
^ „ Kassel, den 20. Februar 1552.
Liebe Emilie!
Du wirst Dich sehr wundern, daß Du so lange keinen Brief von mir be-
kommen hast, indem ich so lange die Bleichsucht gehabt habe und auch nichts
Besonderes bei uns passirt ist. Aber diese» kann ich Dir unmöglich verschwei-
gen. Denke Dir, wie e» mir gegangen ist. Neulich war großer Ball bei
MinistcrpräsidentS, die uns viel schuldig sind, nämlich Vätern, indem ich
sonst wohl gar nicht mit eingeladcn worden wäre und eigentlich auch noch gar
nicht tanzen darf, indem ich so lange die Bleichsucht gehabt habe. Ich hatte
blaue Vergißmeinnicht und weiße Rosen im Haar, und hellblaue Barregc
mit weiß drunter, welches die Pommcrschcn Farben sind, und Vater als
besondere Aufmerksamkeit gegen den Herrn Ministerpräsident befohlen batte, in-
dem er sich gern daran erinnern soll. Es waren 136 Paare eingeladen, und
es sollte um acht Uhr angchen. Wir fuhren um halb neun bin, indem Mutter
gesagt hat, e» ist fein, spät zu kommen. Allein cs waren erst elf Damen da
und bloß ein Herr, indem es der Hauslehrer von MinistcrpräsidentS
war. Wir warteten bis halb ein Ubr, allein es kam Niemand, und dann
fuhren wir wieder nach Hause. Mutter meinte, cs wäre idr eigentlich sehr lieb,
daß gar nicht getanzt worden ist, indem ich so lange die Bleichsucht gehabt
habe. Aber wir mußten so viel EiS und Mandelmilch genießen, daß ich zwei
Tage furchtbare Leibschmerzen hatte, indem alle» sonst umgclommen wäre. Mi-
nisterpräsidenIS haben sich schrecklich geärgert; sic war ganz falsch und er
war noch falscher. Aber er meinte, er würde sie schon kriegen. Eine Woche
später war wieder Ball bei MinisterprästdentS, aber sehr voll, indem die
ganzen Offiziere hincommandirt waren. ES gab de» alten Kuchen
von voriger Woche und die Baisers waren ganz zerschmolzen. Ich hatte wie-
der mein blaues an mit weiß drunter; aber cS wurde wenig getanzt, weil die
Offiziere nicht Luft batten, wofür einige schon auf die Latte» gekommen
sind. Ich habe bloß eine Polka mit dem Hauslehrer getanzt, welcher mir
immer ayf die Füße trat, was ich gar nicht vertragen konnte, da mein- Ner
vcn noch sehr schwach sind, indem ich so lange die Bleichsucht gehabt habe.
Ader jetzt wird cs anders werden. Wenn wieder Ball ist bei MinisterprästdentS,
wird kein Herr eingeladen, sondern fünf Minuten vorher soll in der Stadl
Gencralmarsch getrommelt werden, und das ganze Militair von
Cassel wird zum Tanzen commandirt. Da wollen wir doch einmal sehen.
O könnte ich doch lieber in Berlin sein, indem Sonnabend großer Ball bei
Kroll ist, wie ich aus der Zeitung gesehen habe, welche ich übrigens sonst gar
nicht lesen darf, da mir der Doctor jede Aufregung verboten hat, indem ich so
lange die Bleichsucht gehabt habe, womit ich bi»
Deine Dich ewig liebende
Minna.
AuS de Turincr Depentirtenkammer wird wörtlich, un sogar noch uf
telegraphischem Wege berichtet: .Jostv wirkt versöhnend auf die inneren
Angelegenheiten." Ick ziehe 'ne Weiße vor!
Müller.
In Sachen LouiS Philipp (Kläger) contra 6rancke Nation (Verklagte)
sind jetzt die Acten geschloffen und das Urtheil publicirt. Die Verklagte ist
schuldig befunden und zu 10 Jahr Bonapartc und Stellung unter
Polizeiaufsicht auf unbestimmte Zeit verurtbcilt. Die Kosten haben
beide Parteien zu tragen, jedoch in der Art, daß jeder nicht die Hälfte,
sondern das Ganze deckt. Zcugcngcbühren werden nicht liquidirt, da die Zeugen
sämmtlich ohne Verhör niedergeschlagen sind.
So eben erschien (als Supplement zum Kladderadatsch) und ist in allen Buchhandlungen zu haben:
Carnevals-Schwindel des Kladderadatsch für L8SÄ.
Inhalt: Lcil-rlikcl. — Hgdro-Vrggen-Sar-Ekroskopische Vorstellungen. — Lin F-stnachtslraum. — vie Deutschen törundrechtc al»
lebende Lilder. — Lquitibristlsche Politik. — König Ahosveros oder die Entstehung der Purim, Fastnachlsposse in 3 Acten. — Der Larneoal
in 0crlin (mit 9 Zeichnungen). 1 Bogen gr. Quart mit 20 Illustrationen. Preis 2 Tgr.
Die Verlagshandlung. A. Hofmann und Comp, in Berlin.