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Sonntag, den 3. Oktober 1852.

V- Jahrgang.


Hllmristisch-satyrischks Wochenblatt.

Mit dieser Nummer (42) beginnt da» neue Abonnement. Wir bitten um recht baldige Erneuerung desselben
bei den König!. Postämtern und Buchhandlungen, da wir sonst nicht für Nachlieferung der ersten Nummer einftehen

Die Verlag»h-ndl»ng.

können.


Wieder liegt ein Monat hinter uns und mit ihm Ereignisse, zu groß um sie in der Nähe betrachten zu können, und zu sehr noch in
unserer Nähe, um sie groß anzusehen. Was aber unmittelbar bei und vor uns geschieht, ist dasjenige, was unsere Aufmerksamkeit wie
die des ganzen Contincnts zumeist verdient und in Anspruch nimmt. Blicken wir daher zunächst auf die Zustände des Vaterlandes. Was sehen wir?
Im Loininarium puerorum in Fulda — gar nichts, da das Sonnenlicht dort in die Zellen der Jünglinge nur durch mattgcschlisscne
Scheiben bricht. Wozu diese Aengstlichkcit? Glaubt man so dem unreifen Auge des Knaben den Anblick der Jungfrau entziehen zu können? Wird
der Pedell, der Hausdiener des Pensionats nicht eine Tochter besitzen, die durch den heimlichen Verkauf von Butterbroten sich den Blicken der
frommen Zugendschaar prciggcbcn wird? Und warum gerade ma t> geschliffene Fenster? Welche Erinnerung an die Hauptstadt! Welche mög-
liche Verwechselung! Mit welchen Erwartungen wird der Großstädter die Schwelle dieses Hauses betreten!
Wenden wir uns ab von diesen Mißgriffen und fragen wir, hat Herr Albrccht das Recht, im Äroll'schc» Wintergarten Josty-Lier
zu verkaufen, das mit den Brüdern dieses Namens nie in Beziehung gestanden bat, so scben wir abermals, wie tief in unsercr Zeit die Geister
und Herzen gespalten sind über die einfachsten Fragen des Rechtes und des magcnwärincnden Eigcnthums. Schreiten wir so auf der Bahn der
Gewalt, der Willkür, der Macht des Stärkeren fort, so wird bald der Scharfrichter von Dstrowo allein auf die allgemeine Kopflosig-
keit zu blicken im Stande sein, und die elfjährige Kutschcrtochtcr des Superintendenten in Nimptsch wird allerdings die Be-
fugniß habe», die dortige Kirchcnvisilation in einem lateinischen Gedichte z» verherrlichen.
Was geht inbeß in Bremen vor? Laut darf die Aeußcrung fallen: „Die römische Kirche sei eine Ausgeburt der Hölle."
Und wer ist der lutherische Pastor, der seiner Bosheit solche Worte gicbt?' Lcderhosc aus Baden. Man müßte sie ihm stramm ziehen,
die Moral der Versöhnung, und ausbaden müßte er die gerechte Entrüstung des katholischen Deutschlands über das ganze Gelichter der
Dunkelmänner. Aber dieses Schauspiel wäre sittlich und ästhetisch betrachtet allzu widerwärtig, und cg gelüstet uns nicht den in diesem Augen-
blicke noch herrschenden Zustand Rendsburgs zu thcilcn und ungeschliffen zu sein. Erheben wir vielmehr unfern allerdings schweren
Standpunkt, wenn auch mit Gobard und Trichctti zugleich, nachdem wir uns mit Kleie und Hexe! das Herz gestärkt, da wir wohl wissen,
daß Shcrr» u. Rothwcin besser» Geistern zukvmmt, als uns, die wir nach einer vollen Viertelstunde erst eine halbe Spalte zurückgelcgt haben.
Kann jedoch, fragen wir, so großen Gegensätzen gegenüber, die handelspolitischc Frage, wie sehr sie auch den Moment bewegt, noch so
überaus wichtig erscheinen? Hüten wir uns vor dieser angeblich so praktischen Skaatsweishcit und wandeln wir die Miticlstraßc, in welcher
auch der von dem Postillon Schall ermordete Vichbändlcr Ebermann von mebreren Personen in bestem Wohlsein wiedergesehcn worden sein
soll. Denn noch liegen die Dinge des Unheils unbekannt in der geschlossenen Büchse der Pandora; noch ist der Deckel nicht abgezogen
worden vor dem Kaiser in Wien, und zehn Haubwcrkgbursche» sind dcßhalb mit zehntägiger Gefängnißstrafe in Eisen bestraft worden. „Wer
 
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