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(^DMi-iser Mi»1,'n'l,'».<ZD
<Ju bekannter Manier.)

)—( Der Kaiser ist Frankreich, als» ist Frankreich in Vickv.
Paris ist ausgestorben. Paris ist so still, daß man jeden Fußtritt
hört — den sich gewisse Großstaaten geben! daß man das leiseste
Flüstern der Angst in verschiedenen kleinen Cabincten vernimmt,
aber leider nicht den großen, gewaltigen Schmerzensschrei der civili-
sirtcn Menschheit über die nichts weniger als moralischen Er-
oberungen einer jungen Regierung im Norden Deutschlands.
Abends dagegen speist der Kaiser nur einfach seine Suppe, ißt
wenige Backpflaumen dazu, raucht dann seine zuckerfreie Cigarre,
liest im Cäsar, oder arbeitet an seinem neuen Lustspiel: „Doch
durchgesekt", oder: „Der europäische Congreß in Paris".
Die Intrigue des Stückes soll überaus fein angelegt, und die Ent-
wickelung rasch und belustigend sein, wie sich von dem bewährten
Autor wohl nicht anders erwarten läßt.
Was die gute Gesellschaft betrifft, so ist ihr Ton jeht der
schlechteste, da alle Mittel erschöpft sind, sie zu unterhalten. Man
greift daher nach bekannten Straßen- oder Gartensängerinnen,
die man einladet, der blasirten Versammlung ihre oft sehr bedenk-
lichen Lieder vorzutragen. So war neulich bei dem Du« äsKou-
eky die bekannte Sängerin Therese aus dem Oats eliantunt ^leaxar,
und ärndtetc mit der bekannten, aus dem Deutschen übertragenen
Chansonette:
„Lbarloltv est morte, Oburlotte esl morls!
guliette est mourante" etc. etc.
ungeheuren Beifall. Denn Frankreich bedarf der Ruhe, der Er-
holung, der Völkcrpauie, und schon einmal vor hundert Jahren über-
ließ es Preußen einige Zeit daS Amt der Vorsehung in Europa,
während es selbst sich an dem Ruhme Buffon's, M ontesquieu's,
Voltaire's und Rousscau's berauschte. Wir sind — ick sage:
„wir", denn in Paris sind wir alle Franzosen— wir sind also der
vielen Einzüge endlick müde. Scba st e pol, M ailand, Peking,
Mexico — toujours perärix! Warum sollen wir unseren Lands-
leuten im Norden nicht den Uebergang auf Alsen gönnen? Ich
sage: „unseren Landsleuten"; denn man weiß hier so gut wie
irgendwo, daß die französischen Colonisten der preußischen
Racc das ritterliche Blut eingeimpft, die Bravour und Tapferkeit
vererbt haben, welche ihre Siege möglich machen. Daß vorzugs-
weise die Brandenburger verbesserte Franzosen sind,
war schon das Geheimnis? Friedrichs des Großen, lleberl'aupt
wo sich Heldeumuth und Kühnheit zeigen, wird man nie irre
gehen, wenn man sie auf Frankreich zurück führt! —
Und ist Blondin, der nächstens auch den Berlinern auf den Kopf
kommen wird, nicht auch ein Franzose? Warum also, frage ick',
sollen wir immer selbst in den Circus treten, warum nicht auch
einmal in den Logen siffcu, und uns in den Zwischenakten der
großen Vorstellung an den Sprüngen und Katzbalgereien
mitteldeutscher Clowns ergehen? Daker auck der allgemeine Miß-
mut!' über den im Moniteur vorgestern angeklebten rotbcn
Z ettel: „Wegen Uebelseins eines Betheiligten, preußiscb-
österreichisch-dänischer Waffenstillstand!" Der Kaiser war
außer sich über Liesen Abbruch — an Zerstreuung für die Nation,

und schrieb sofort daS in solchen Momenten ihm nicht mehr unge-
wöhnliche Handbillct an den Grafen Vaillant, daß das neue
Theater nickt früher fertig werden darf, als die neue pariser
Charit,':. Der Brief ist liebenswürdig und verständig nnd ver-
schmäht jedes naheliegende Wortspiel ans ein Theater, das schon
lange fertig ist, ohne daß die Charit« u. s. w. tzus In, ?ru88s
mouhlis p»8 «stts Is^on! Vive la chvanee! Der große Cond«
schleuderte seinen Marschallsstab in die feindliche Schanze, damit
seine Truppen ihn holen sollten. Louis Napoleon zerstört den
Nimbus des Köuigthums durch Haudbillete, in denen er seine
kaiserliche Würde weit von sich schleudert und wie ein vernünf-
tiger Mensch spricht. „Diese meine Combination Kat nicht
den geringsten praktischen Nunc n" — sagt er in seinem Schreiben
an den Minister. Welcher Fürst von Scku euz-Kreuz-Sprciz-
Dudeldei würde den Mutb haben, dergleichen vor Europa zu
sagen? Es ist aber etwas von „reiner Vernunft" in diesem
Manne, was in der Kant'schen Kritik derselben nur in einem
mit Papier durchschossenen Exemplar zu finden sein dürste. Und
sein großer Schüler! Welche Ehre macht er seinem Meister!
lind wie geschmeichelt fühlt fick dieser hierdurch! Sie wissen, daß
der Kaiser zur Kräftigung seiner durch zu starke Cigarren an-
gegriffenen Nerven sich von seinem Kammerdiener jeden Morgen
kalt abreibcn läßt. Aber jcut reibt er fick auch selbst noch
jeden Abend vor dem Schlafengehen heimlich — die Hände,
vor Freude über die wiener Triumphe des Herrn von
Bismarck. Das ist nun aber auch schon die dritte Demütbigung,
welche England, wenn auch nur indirect, für die schroffe Zurück-
weisung des Congrcß-Projectö erkält. Es wird auch noch die
vierte und fünfte Demütbigung erkalten, und bei Entnahme
eines ganzen Dutzends auf einmal würde der Preis sich vielleicht
etwas niedriger stellen.
,Aon8 ä«ts8ton8 Is Pavillon — sagte kürzlich
wieder in Gegenwart des englischen Gesandten Graf Boissn, das
Lnkant terridls aller Regierungen. Aber Großbritannien hat
Baumwolle genug — um die Ohren aller Engländer zuzustopfen,
wenn derartige Aeußerungcn fallen!
Daß Mocguard, der Seeretair des Kaisers, Renan's Buch-
dramatisirt Kat, werden Sie bereits erfahren haben. Nach der
Aufführung des Stückes im Ilii-Ltrs krangais beabsichtigt die Kai-
serin eine große Buß- und Pilgerfahrt nach einem giiadcn-
spendenden Muttergottesbilde. Bereits sind ihre sämmtlichen Hof-
Schneider mit Anfertigung der entsprechenden Toilette für diesen
frommen Ausflug beschäftigt. Was die Farbe der Stoffe betrifft,
so verlautet noch nichts 'Näheres darüber. „So blau!" sagt
Montjoye.
Ick schließe mit diesem größten und schönsten Gedanken des
französischen Jahrhunderts und bitte Sie, wenn Sie etwas von
den Landstrichen und Höbenzügen am linken Rbcinufer
erfahren, die Herr von Bismarck bereits heimlich an Frankreich
für seine Neutralität abgetreten hat, um Ihre gefälligen Mit-
theilungen.
Uladdkrnkwlsch.

M^I-euilketc,«.^^)

La irisch-sächsisch-Hanno verscheb Programm.
Die Trias nur. und nickt die Zwei.
Muckt Deutschland einig, iiart und scei!
Drum hoch die Trias, bock die Drei!
Ec lebe die Triäselei!

Wie schleckt unterrichtet die französischen Blätter über Dcutichland find,
beweist wieder einmal ein Artikel des „l'emps", worin der Bundestag mit
einer Glocke mit zwei aUöppcln verglichen wird. Tic beiden.'Ucppcl, Tester
reich und Preußen, „schlagen an das Metall, und die Glocke gibt dann den
Ton an". Tic Franzosen wissen alio nickt einmal, daß di- Glocke längst
geborsten ist, und daß, wie und wo man auch klopfen und anklopsen mag,
^ der Bundestag doch niemals den Ton angibt.
 
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