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JTr. 9.

Berlin, den 19. Februar 1865.

XVIII. Jahrgang

wochenkalender.

Montag, den 20. Februar.

o bab' icb denn die Stadt verlassen.
Wo ich geweitet lange Zeit.

Victor Emanuel.

Dienstag, den 21. Februar.

Ich bin noch so jung und bin doch schon
so arm,

'Fei» Gelt bab ich niemals — daß Gott
sich erbarm'!

G e o r g i o s.

Mittwoch, deu 22. Februar.

Vicbe, Liebe ist mich nöthig.

-/iebe ist mein Leben.

Christine.

wochmkalmder.

Donnerstag, den 23. Februar.

Wo bleibt mein Geld? jo frag' ich ave Tage,

Vergeblich sinnend-Austria.

Freitag, den 24. Februar.

Ich Hab' den ganzen Vormittag in Einem
fort studirt.

Und babe auch den Nachmittag dem Cäsar
dedieirt. ER.

Sonnabeud, deu 25. Februar.

E u l enb u r g hat mir an der K ammerthür
Freundlich zugenickt. —

Ach, wie ward mir da—a—a, als mir das
geschah

An der Kammcrtbür!

DaS Centrum.

Kladderadatsch.

Dieses Blatt erscheint täglich mit Ausnahme der Wochentage. Man Abonnements-Preis für Berlin und die preußischen Staate« 21 Sgr.
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Gg Der neue Prediger in der Wüile. \ )

, der ich rnch so oft gepredigt, war ein lauter Prediger
der lauteren Wahrt,eit.

Ich nannte schwär, — schwär,, und weiß — weiß; den
Thorhritcn ,rigte ich meine Zähne und den Nichtswürdigkeiten
meine Zunge.

Und wo es galt, der Vernunft eine Schanze ,u erobern,
war ich der Ersten Liner, und pstanzte die Fahne des Lichts
auf das Düppel der Finsterniß.

Aber siehe, es war eitel.

Denn die Lüge machte Alles wieder,nnichte.

Der Sieg der Wahrheit wurde vergessen, und der Triumph
ihrer Feindin betäubte den Mensche».

Und meine Wunden schmerzte» mich, und meine Seele
brannte.

Und ich sah Dummköpse und Schmarotzer, Heuchler, Kriecher
und Feiglinge geehrt, gepriesen, gelobt, erhoben, bewundert und
mit Lorbeeren bedeckt.

Und dir Hohlheit und Leerheit, die kniffige Gemeinheit
und die pfiffige Geistlosigkeit saßen auf dem Siegeswagcn, den
dir Menge »mtanztr.

Und ich schwor Uachr, fürchterliche Uache.

Und ich fing an ,n behaupten, daß Zweimal Zwei —
Siebzehn sei, und daß der Hecht zu den vierfüßigen Säuge-
thirrcn gehöre.

Und ich gelobctc hoch und heilig, daß die Sonne eine
veilchenblaue Droschkenlaternc, und der Frühling ein Lumpen-
hund geworden sei.

Und ich drohctc Jeden auf der Stelle niedcrzustechen, der
die Menschheit nicht für eine Affenbude, und die Wett nicht
für ein Uarrenhaus erklärte.

Und stehe da. meine Worte fanden Seifall.

Und ich wurde überschüttet mit Allem, was das Leben
angenehm macht.

Und ich erhielt Ehre und Anstern und Uuhm und
Champagner und Titel und Orden »nd andere Gänseleber-
pasteten.

Und mein Name kam in guten Geruch, und meine Havanah-
Ligarrcn dufteten noch besser.

Aber auch das ist nur eitel.

Denn der Mensch lebt nicht nur wachend, sondern auch
träumend.

Und men» ich mich hinstrrckc auf mein Lager, dann tanchen
auf dir öildcr ans den Tagen der Wahrheit.

Und ich fahre zufammen und erschrecke und strecke mich
unter die Decke.

Und ich verdamme meine Sättigung, und mein Mund wird
bitter, und meine Zunge schwer, und ich sehne mich nach dem
Morgen.

Und wenn das Licht anbricht und der Tag kommt, dräng!
es mich zu rufen: Höret, ihr Mrnfchrnl Zweimal Zwri
ist doch Vier, und die Sonne ist die ewig leuchtende
Flammcl

Aber stc hören es, und glauben mir nicht, dem Wahrheit
verkündenden —

Kladderadatsch.
 
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