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Wer ist es gewesen?

(Eine Hosgeschichte.

^ßtncS Xngcä erhielt Guste, Köchin bei Gehennralh X. in Berlin W.
^eine anonyme Postkarte, ans der zn lesen Ivar: „Paß auf, Jnstckcn,
Karl bekriegt Dir. Jestcrn is er mit Meyers Anna von nebenan im
kleinen Thicrjarten jcwcscn."

Das ries in Hoskrcisen eine enorme Aufregung hervor. Als Guste
die Karte bekommen hatte, brach sie zunächst in Schluchzen ans und weinte
so sehr ans die Kartoffeln, die sie schälte, daß diese dadurch in Salzkartoffcln
verwandelt wurden. Dann-schrieb sic an Karl: „Aus für immer. Laß
Dir »ich wieder sehn. Deine Dir ewig liebende Auguste." Karl, der
beim Militär steht, kam, sobald cs sein Dienst erlaubte, und zeigte, als er
die Karte gesehen hatte, die Entrüstung des guten Gewissens. Auch erbot
er sich, den anonymen Kartcnschrciber zu verhauen. Mit vieler Mühe gelang
es ihm, Guste» z» beruhigen und zu den für ihn kalt gestellten Bral-
klopsen zu gelangen.

Bald wüßte man auch anf den Höfen der Nachbarhäuser davon. Am
zweiten Tage schon war die Sache Meyers Anna von nebenan ziv-
gclragen worden. Sie gericth in eine solche Aufregung, daß sie eine Kar-
toffelschüsscl zerbrach, ein junges Huhn verbrennen ließ und den Gurken-
salat mit Petroleum anrichtetc. Darauf erbot sic■ sich, ihr Alibi zu
beweisen und dem Kartcnschrciber sowie allen andern, die an der Sache
betheiligt waren, langsam die Augen auszukrahen.>

Im Grünkramkellcr aber erzählte sie beim Rollen: „Sic sollen'
man sehn, das hat allens Jnstckcn selbst nnjezcttcll. Und warum? Sie
will mir man bloß meinen Aujnst abspenstig machen:" Die Thatfachcn
schienen ihr Recht zu geben, denn am andern Abend kam August nicht,
obgleich er cs fest versprochen hatte. Ihm war augenscheinlich ein Floh
ins Ohr gesetzt worden.

In der Waschküche wusch die Waschfrau Schlumpe mit den beiden
Müllcrschcn Mädchen, Ricke und Berta.

„WaS sage» Sie zu der Geschichte mit der Postkarte?" fragte Frau

„ES wird doch wohl was dran sein", erwiderte Ricke.

„Ratierlich is was dran", sagte Frau Schlumpe. „Der Juste ihr
Karl läuft ja jetzt wohl mit scchsen rum."

„Abschcilich!" warf Berta ein.

„Ra, und die Anna", fuhr Frau Schlumpe fort, „zieht sich ja wohl
auch mit'u halbes Dutzend rum. Ucbcrhanpt'ne nette Person! Wer untreu
ist, st'ehlt auch. Wo ist denn der Kindcrlöffel geblieben, der neulich bei
Meyers verschwunden war, und die Windeln und die Pichcl und die
Slrümpfchcn? Ra, die Anna hat wohl allen Grund, sich mit so was zn
versorgen. Sic kann cs ja wohl bald brauchen."

„Was Sie sagen!" riefen einstimmig Ricke und Berta.

„Und das Justekcn", sagte Frau Schlumpe, „ist um kein Haar
breit besser. Von der könnt' ich Ihnen Sachen erzählen, daß Ihnen die
Haut schaudert."

„Bitte, erzählen Sic!" riesen Anna und Ricke zugleich.

Und die Waschfrau erzählte.

Beim Portier Hinterthür fand eine Versammlung des dienenden
Personals des Hauses statt, in dem die Geschichte anfing. Gustchen war
nicht dabei. Mali sprach über die geheimnißvolle Karte. Da sagte Hinter-
thür: „Je mehr ich mir die Sache bedenke, desto klarer wird mir alles.
Der da oben" — er wies mit-dem Finger nach oben, und jeder wußte, daß
er den Geheimen Rath R. meinte — „der da oben is mir lange schön
schnurrig vorgckounnen. Wenn' er man nich mit die Karle was zu thun
hat!" Und mit gedämpfter Stimme fügte er hinzu: „Ich Hab' ihm lange
schon im Verdacht, daß er Jnstckcn nachjeht."

Ein allgemeines „Ah!" folgte dieser 'vertrauliche» Mitthcilung.

■ Der Milchmann war anf einer andern Fährte. Er hatte einen gewissen
Ncuniann in Verdacht, der 1887 aus Prcnzlau zngezogcn war, zuerst in
der Rcichenberger Straße gewohnt hatte und dann nach Rixdors übersiedell
war. Er äußerte, daß er diesen Reumann jeder Schandlhat für Mg
hielte, konnte aber Bestimmtes nicht Vorbringen. Also bleibt immer noch
die Frage übrig: Wer ist es gewesen?

M o m Adelstag.

Mein Schatz ist von Adel,.
Zum Adelslag ging
Er neulich mit andern.

Wie freut mich das Ding!
Und die Männer, die Ahnen
Besitze» >vic Heu,

Sie schürfen die Wahrheit
So blitzblank und neu.

Was lange verborgen
Geruht in dem Schacht,

Es wurde von ihnen
Zn Tage gebracht.

Sic beschlossen: wer ohne
Baar Geld hazadirt,
Dadurch seine Edelmanns
Ehre verliert.

Wer Passionen zu Liebe
Rur Schulden gemacht,
Der sei nicht als Edel-
Mann fürder gcacht't.

Was mich an dem Adels-
Tag wirklich gefreut:

Der Adel will sein jetzt
'Wie andere Leut.

Herr Miguel soll Herrn von Diest-Dabcr brieflich mitgetheilt
haben,' daß ihii, eine Agitation für sein Spiritnsmonopol-Project ganz
angenchni sei. Man kennt diese Agrarier, vor nichts schrecken sie zurück.
Man stelle sich blos vor, waS für ein Gesicht Herr Miguel viachen würde,
wenn er ganz harmlos im Walde aus scincm Stande stünde und plötzlich
eine Aiizahl Leute vor ihm mit Geschrei durch das Dickicht ans ihm los-
kämc». Müßte da nicht das ar>ne gcängstigte Wild direct auf ihn zu-
lausen! Das wäre ein barbarisches Verfahren! Einen Mann, wie imsern
guten Finanzminister im Raturgenuß zu stören! Selbstverständlich ivürdc
er sich sofort entfernen und seine Flinte umhäugen. Er will Ruhe haben,
Natur kneipen. Von diesem Gesichtspunkt ans betrachtet, gewinnt die
frivole Ersindnng des Herrn von Diest-Dabcr in den Kreisen der aus-
gcschcnchtcn Interessenten erst ihre wahre Physiognomie.

Der „Vorwärts" warnt in seinen Parteinachrichtcn vor einem gewissen
B. Schwarz, der in Berlin aufgetaucht ist und „Auswcispapicrc der
Zugehörigkeit zur Socialdemokratie Serbiens besitzt." Der Gedanke, daß
sich ein Individuum, das das Pulver erfunden hat, in die Redaction des
Herrn Liebknecht eindrängcn könnte, ist in der That schrecklich.

Z n m Wo 1, cott.

Äus dem „Borwärts".

Schon lange haben selbst die klügsten Genossen sich vergeblich die Köpfe
darüber zerbrochen, wo jetzt die boycottirten Brauereien mit ihrem Bier
bleiben, für das ihnen doch so gut wie jeder Absatz fehlt. Ein glücklicher
Zufall hat endlich diese dunkle Angelegenheit aufgeklärt.

Jüngst kehrten einige der von den übcrmüthigen Branhcrren aus die
Straße geworfenen Böttchergcsellen in der Nacht von einem Ausflüge heim.
ES schlug eben ein Uhr, als sic an einer großen Brauerei im Südosten von
Berlin vorüberkamcn. Sic machten einen Augenblick Halt und riefen einige
Ausdrücke über die Mauer hinüber, in denen sie ihrer Ansicht über die
Besitzer offen Ausdruck verliehen. Da öffnete sich plötzlich das Thor, und
eine Reihe schwer beladener Bicrwagen kam herausgefahren. Die Gespanne
wurden nicht von ihre» gcivöhnlichc» Führern gelenkt, sondern von den
Besitzern und Braumeistern: ihnen ging eine Anzahl von wohlgenährte»,
elegant gekleideten älteren Herren zur Hand, die offenbar zu den Actionärcn
der Brauerei gehörten. In großer Eile und tiefer Stille bewegte sich der
Zug auf die Spree zu, an deren Ufer Halt gemacht Ivurde. Rasch lud man
jetzt Faß um Faß ab und ließ den Inhalt in den Fluß laufen. Dann
trat die saubere Gesellschaft den Rückzug an, ohne zu ahne», daß scharfe
Augen sie bei ihrem dunklen Werk beobachtet hatten.

Zu so niederträchtigen Rütteln greisen die Bicrprotzcn, nm nur immer
wcitcrbrancn zu können! Wir übernehmen, wie bei allen unseren Mit-
theilungen, die volle Garantie für die Nichtigkeit deS Erzählten und sind
bereit, die Namen unserer Zeugen privatim zu nennen.

Der Vorstand des deutschen AdclStagcs ist bei, der Negierung um
Herabsetzung des Fideicommißstempels eingekonunen.

Wie wäre cs, wenn die Regierung des Princips wegen anf der Stempel-
zahlnng bestände, aber in Erlvägung der hohen und segensvolleu Bedeutung
der Fidcicommisse eine Prämie in Höhe des Stempelbetrags für die
Majoratsgründungcn aussetzte.

Die alte schöne Weise „Mang uns mang iS Eener niang, der nich
mang uns mang jeheert", soll neuerdings in Hosschranzenkreisen viel ge-
sungen werden.
 
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