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Aus der Sauerngurkenzeit.

In Schlesien verfolgten zwölf Reporter einen angeblich hundcrtundein-
jährigcn Greis, um Näheres über sein Alter von ihm zu erfahren. 'Er
floh über die böhmische Grenze, und es gelang ihm/den Wipfel einer hohen'
Tanne zu erklimmen. Keiner der Reporter war im Stande/ ihm u'achzu-'
steigen, weil sie nur schlechte Turner waren." Nachdem' sie drei Stunden
umsonst darauf gewartet hatten, dost er wieder her,intcrkäme, kehrte» sic
trostlos zur nächsten Bahnstation zurück. . • 1 ' '

Albert Träger greift wieder einmal heftig in die, Saiten... Im
Aufträge Eugens setzt er das neue Programm der freisinnigen Volkspartci
in Verse, damit das Volk cs leichter auswendig lernen, kann. Als er
neulich beim besten Dichten war, trat Eugen in sein Zimmer. „Wie weit
bist du?" fragtc^er den Poeten. „Beim.727sten Versc", erwiderte Albert.
„Nach welcher Melodie?'! fragte Eugen weiter/ '„Ach",, fnßte Albert,
kleinlaut, „cs ist mir ganz entfallen,/das, die Verse zu singen sein: müssen,,,
lind ich habe den Hexameter gewählt." Jetzt sitzt er da und muß nmdichten,

In der Nacht vom 30. zum 3l. August wollen einige Lilienthal in.
der Richtung von Zehlendorf nach Zosicn haben fliegen sehen. . Es kann
aber auch eine, ungewöhnlich.große Fledermaus gewesen sein. /

Neulich am späten Abend wurde heftig an der Thür des Gefängnisses
zn Plötzcnsec, geschellt. Zugleich hörte man eine rauhe Stimme rufen:
„Macht ans, Juden, oder ich schlage die Thür ein!" Man öffnete, und
wie man richtig, vcrmuthct hatte, stand draußen Ahlwarbt, der seit eiüigen
Tagen schon.aus seiner Sommerfrische znrückerwartct wurde. Man leitete
ihn feierlich »ach seiner Zelle, über deren Thür ein mit Eichenlaub und
Georginen umkranztcs „Willkommen!" prangte.

Kine Witte.

Es machte mir wenig Freude,

Als ich beschrieben sah
' In allen Blättern den Umzug
Der Reichsbank-Dcposita.

- Es fehlt in den alten Gewölben
. Für all die Papiere an Platz,

. Drum ward in neue Räume
Hinübcrgcschleppi der Schatz.

' Fast drei Milliarden sind es!

' Denk' ich gcthürmt zuhauf
s Mir alle die Werthpapicrc,

So regt mich das schmerzlich auf.

Ihr Herren, denkt an das minder
'Begüterte Publicum:

Wenn wieder zu knapp der Raun, wird,

Zieht ganz in der Stille um!

Lin Lleuerzshlkr.

Oute Zeugnisse.

Die „Norddeutsche Allgememe^Zeitung" 'veröffentlicht ein Schreiben
des Fürsten Bismarck 'an ihren' frühercn''Heü^i'u»d Meister, worin
diesem Dank und Anerkennung für ’ die jahrelang/geleistete Unterstützung .
der Rcgicrungspolitik gespendet.Nijtd,, und zwar ist, dieses Schreiben ans
Anlaß des 25jährigen Bestehens der Zeitung ergangen-Jeder Unbefangene .
wird zugcben müssen, ,daß diese,AneMmung /"ungemein beweiskräftig für
die Hochachtung'ist, diel Fürst BiSmarck dem Herr» Pindter entgegen-
gebracht hat, Böswilligen, Zweiflern zum Trotz veröffentlichen wir eine
! Reihe' ähnlicher Zeugnisse von derselben Beweiskraft?

1. Daß. mein' Hausdiener Friedrich Lebcrecht ^Schültzc 'mir’■

25 Jahre' lang treu' und' gewissenhaft die Stiefel geputzt und mir den
,,nöthigen Glanz bei meinem Auftreten verliehen hat, bescheinige'ich Ihin^n .
, dankbarlichst hiermit. ■ August Nenmann, Rentier.

; 2 Der Postillon-Fritz iTuter-jhat,25 Jahpe,,lai,g, die Chaussee
zwischen Becskow und Müllrose befahren , und sich nie im Wege geirrt.
Dies attestirt ihm wahrheitsgemäß Der.Kaiserliche. Posthalter.

3. Wo Barthel de» Most -holt, hat mein..Küfer Wilhelm
.Panischer während seiner 28jährigen Dienstzeit bei mir. gründlich gelernt,
weshalb ich ihn meinem Nachfolger angelegentlichst empfehlen kann.

Bumke, Weinhändlcr.

! Auf den Abdruck weiterer Zeugnisse 'müssen wir wegen Raummangels
verzichten.

Nennet und seine Kunde.

Der amerikanische vielfache Millionär Bennet, der zur Zeit in Toblach
verweilt, tritt daselbst mit drei Hunden auf, deren Halsbänder mit Diamanten
.besetzt sind. Den anderen Besuchern von Toblach fällt "es sehr auf,, daß
diese Hunde völlig stumm sind, und sie zerbrechen sich den Kopf darüber,
weshalb denn die so gut siiuirten- Köter niemals, bellen.

! Der Grund liegt doch nahe genug. ^ Es geht ihnen wie Johann den
.imunteyi, Seifensieder, als er den Goldklumpen geschenkt bekommen halte.

Sie sind verstummt, weil, sie!'.für,.ihre Schätze 'für-ken und sich keinen
Augenblick ihres Lebens sicher glauben. Bennet nehme ihnen die Hals-
bänder ab, und sic werden fröhlich bellend . uinherfpringen. So köniitm '
ihn, wenn er wollte,, seine Hunde lehren,' daß Rcichthumnicht immn i
glücklich macht.,, ' _

Aus der Kunstwekt.

. In. einer, peinlichen Lage befindet sich ., augenblicklich, einer., unserer.,.,
begabteste» jüngeren Bildhauer. . Als die-überraschenden EiUhüllungcn. über'..
den Einfluß kamen, den der Geheime Commissionsrath Pindter aus die
wichtigsten politischen Vorgänge bei uns in den letzten fünfundzwanzig
Jahren geäußert hat,'machte sich der Künstler'voll Begeisterung an,best
Entwurf cmeS Standbildes, bei dem er sich das Goethe-Schiller-,',!
.Denkmal in Weimar zum Muster,nahm. Das, in sechsfacher, Lebens-,. .
große hcrgestclltc Modell zeigt Pindter und Bismarck, wie sic ge-.,,
mcinschaftlich einen Lorbcerkranz halten, Pindter umfaßt den Kranz
kräftig mit der Rechten, während- der Altreichskanzler,! mit , einer Bf'
scheidenheit, die er in seiner amtlichen Thätigkeit oft vermissen ließ, seine
Linke leicht darauf legt. ,,

Die Dementis der „Hamburger Nachrichten" haben nun indemjungen.^
Meister peinliche Zweifel erregt, ob er mit seinem Entwurf bas Rechte
getroffen hat. Er hofft aber, baß die Sache sich noch zu Gunsten^PindterS
aufklärt/ und zweifelt nicht, daß er dann In der Concurrenz um das vor '
dcm^ neuen Rcichstagsgebäude zu errichtende BiSmarck-Denkmal den
ersten Preis erhalten wird.

Z>om Aoycott

Vor einigen Tagen saßen sechs eifrige Socinldemokcaten in einem
bohcottirtcn Local und besprachen bei dem wirklich guten Getränk das rück-
sichtslose Vorgehen der Bierprotzcn und die jämmerliche Lage der aufs Pflaster
geworfenen Böttchcrgesellcn. Eben hatten alle einen frischen Anstich bekommen,
als ein Biercontroleur erschien, der das Local täglich sechsmal zu revidiren
hat. Mit dem Ruf „Im Namen der Partei!" trat er an den Tisch und
trank die sechs Schoppen aus. Außerdem trug er natürlich die Namen der
Schuldigen in seine Liste ein.

Dieser Vorgang beweist wohl mit hinreichender Deutlichkest, baß die
socialdemokratischc Parteileitung auch nicht entfernt daran denkt, denBoycott'
verjunipfen zu lasten.
 
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