Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Aus Künstlerkreisen.

Schultze. Del kann jut werden, wenn Miquels Stenerjrundsätze
durchjcsührt werden.

Müller. Woso?

Schultze. Na, er meent, die Waarenhäuser müßten deshalb höhere
Steuern zahlen, weil sie ihr Jeschäst in höheren Räumen als die Klein
betriebe unter Benutzung jrößer Lujtsäulen machen.

Müller. Ei weih! Je jrößer die Luftsäule, je jrößer die Steuer!

Schulde. Donnerwetter, da kommen aber die Thurmwächter schlecht
weg, denn die benutzen zu ihr Jeschäst die jroßten Luftsäulen.

Müller. Ach wat, die sind jetzt schon die Höchstbesteuertcu.

Schultze. Raun! William Pape hat also den Erzbischof Simar
bei seine Eidesleistung uich kuiecud jezeicheut.

Müller. Nee! Nu is die „Jermauiä" beruhigt. Aber so jauz nach
ihrem Jeschmack wird det Bild doch uich werden.

Schultze. Worum denn uich?

Müller. I. der Cultusminister. der ooch dabei war. mußte knieend
jemall werden.

Schultze. Ach so!

—-

Wrief des ßentrnmsabgeordneten Pocren an seinen Kreund
Akoisius Aallenkatter in Münster.

Lieber Freund!

Neulich habe ich etwas Schönes erlebt. Schreibt da die Generalver-
waltung'der Königlichen Museen an das Abgeordnetenhaus und theilt uns
mit. daß sie Führungen durch die Museumssammlungen veranstaltet. Ich
dachte, du mußt dir doch einmal das Zeug ansehen, und beschloß ganz
allein feierlich mich au dem Besuch des Allen und Neuen Museums zu
betheiligeu. Den! Dir, keinem Menschen Halle ich ein Wort von meinem
Vorhaben gesagt, und als ich mich in der Nolunde vom alten Museum
eiusiude, wer ist da? 49 College» vom Centrum, darunter sämmlliche
hockwürdige geistliche Herren, und die 50. Karte, mehr waren nicht ans-
gegeben. hatte ich bekommen. Wir wanderleu also unter der Führung
eines Kunstverständigen durch die Sammlungen. Tie tirchliche Kunst
interessirte uns natürlich sehr, aber unsere Hochwürdigen kannten das alles
schon, und schließlich sieht man sich auch die besten Sachen über. Wir
hatten alle ein lebhaftes Verlangen nach „sittlichem Ekel" und athmeten
erst aus, als wir die Antike in ihrer ganzen scheußlichen Nacktheit vor uns
sahen. „Aber, es ist ja gar nicht möglich!" rief der geistliche Herr X. ein
Mal über das andere, als wir zwischen die Venusse geratheu waren. „Bitte,
nicht ansasscn", warnte der Führer und bekam eS ordentlich mit der Angst
zu thuu, als die geistlichen College,, mit den Gcberden des lebhaftesten Ab-
scheus der Vxuus Kallipygos einige Mal kräftige Backenstreiche versetzten.
„Haben Sie noch mehr von der Sorte?" fragte U. äußerst entrüstet und roth
vor Zorn. „Psui Deibel! Da kniet ja so ein nacktes Weibstück!" ries ein anderer.
„Werden davon auch Bilder verkauft?" fragte schamglühend ein Dritter.
„Wo muß damals die Polizei ihre Augen gehabt haben", bemerkte ein
Vierter, der außer sich gerieth bei der Erläuterung des Führers, daß alle
diese Greuelfiguren nach der Natur gearbeitet seien. Entschuldige, daß ich
Dir nicht auseiuandersetze, was ..nach der Natur arbeiten" bedeutet. Du hättest
die Gesichter unserer geistlichen Herren scheu sollen, wie sie die Köpfe zusammen
steckten und Bemerkungen austauschien, als der Führer nns dies Thema
erläuterte. Der geistliche Rath N. erklärte kurzweg. Geschöpfe dieser Art
gäbe es überhaupt nicht, und thai dies mit solcher Bestimmtheit, daß jeder
Widerstand verstummte. Dann trennten wir uns, völlig verwirrt von den
Eindrücken, die wir in diesem „Staatsinstilut" empfangen hatten. Die
Eindrücke waren so nachhaltig, daß ich am nächsten Tage mich wieder in
die Sammlung der GypSabgüsje begab, um neues Material für die lex
Heinze zu sammeln. Aehnlich war es den andern gegangen: auch sie
waren alle wieder da und alle diejenigen Fractionsmitglieder. denen wir
vertraulich Mittheilung von nnserm Abenteuer gemacht hatten. Aus Wieder-
sehen zu Ostern! Ich bringe Dir dann einige Photographien mit. Du
wirst staunen. Herzlich grüßt Dich

Ein wahres Glück, daß die Lex Heinze ein paar Monate vor der
großen Berliner Kunstausstellung gekommen ist. Nun haben doch die
Maler noch Zeit, ihren nackten Figuren etwas anzuziehen. Damit sind
sie denn auch eifrig beschäftigt, wie nur aus einer Wanderung durch ver
schiedcne Ateliers zu sehen Gelegenheit hatten. Den Nymphen. Nixen.
Venussen, Even und andern gern hüllenlos aus der Bildsläche er-
scheinenden Personen werden die hübschesten modernen Costttme, die aber
alle bis hoch an den Hals hiuausreichen, angepiusell. Ein befreundeter
Künstler vertraute uns au. daß er seinem noch ungemalteu Adam einen
Frack anzuziehen gedenke. „Genügt das?" fragten wir. „Jawohl, er-
widerte er, „ich stelle ihn ja von hinten dar.

Sehr bequem haben es die Bildhauer, die ihren Figuren, um sie
salonfähig und staatsauwaltssicher zu machen, nur wirkliche Kleider anzu-
ziehen brauchen.

An demselben Tage, den 28. Februar, hat im Reichstag der Abg. Oertel
und im Landtag der Abg. Hahn von der Ploetzcigarre gesprochen. Der
Abg. Oertel betonte, daß sie klein ist. man möchte aber doch noch mehr
von ihr wissen. Das viele Reden über sie nützt nichts, sie muß aus den
Tisch des Hauses gelegt und muß vorgeraucht werden, damit man endlich
erfährt, was für ein Kraut ne ist. Hoffentlich dienen zu ihrer Herstellung
die Blätter der Kartoffelpflauze, die sonst ohne allen Nutzen verbrannt
werden, so daß auch dadurch noch ein Vorlheil für die Landwirthschajt
herbeigesührt wird.

In England beabsichtigt man Chambcrlain ein Denkmal zu setzen,
aus dessen Sockel seine beiden Helfershelfer Dr. Jameson und Cecil
Rh ödes angebracht werden sollen. Letztere sind nicht ganz zufrieden,
weil ihnen damit ihrer Ansicht nach zu wenig Ehre erwiesen wird. Wahr-
scheinlich wird man auf ihre Beschwerde Rücksicht nehmen und drei Denk-
mäler von gleicher Größe errichten, die den drei Helden von Südafrika,
Chamberlain. Ja meson und Rh ödes, gewidmet werden.

Unser Specialphotograph ist doch den Specialphotographcn aller andern
illustrirten Blätter bedeutend „über". Neulich in der Nacht folgte er dem
Schlosser-Ede. als dieser eben an die Arbeit ging, und stieg hinter ihm
unbemerkt ein paar Treppen in einem Hause von Berlin NW. empor,
nachdem Ede mittelst Nachschlüssels die Hausthür geöffnet hatte. Ebenso
unbemerkt — er hatte Filzschuhe angelegt — folgte er dem Einbrecher in
das Zimmer, in dem der Geldschrank stand. Während der Schlosser-Ede
diesen beim Schein einer Blendlaterne untersuchte, machte unser Special
Photograph geräuschlos seinen Apparat fertig. Dann gab er Feuer, d. h.
Blitzlicht, und sofort war auch das Momentbild, das sehr gut gelungen
ist. da. Sehr eilig trat darauf der geschickte Photograph mit seinem Apparat

den Rückweg an. Als das Blltzlicht ausslammte. stieß der Einbrecher,
von Entsetzen gepackt, einen gellenden Schrei aus und ließ das schwere
Brecheisen satten. Das scheint ihm schlecht bekommen zu sein, denn ein
paar Tage daraus befand er sich in einer Zelle, wo unser Lichtbildkünstler
ihn mit Ausdrücken des Bedauerns photographisch ausuahm. Es fehlt
jetzt nur noch „Der Schlosser-Ede im Kreise seiner Familie". Dies
Bild ließ sich noch nicht Herstellen, weil der Schlosser-Ede behauptet,
keinen Familienkreis zu besitzen. Er gab aber zu, mit einer gewissen
„Sauerkohl-Anna" ein Verhältnis; zu haben, und mit ihr zusammen,
als einer Art von Surrogat für die schlende Familie, werden wir ihn.
sobald es möglich ist, ausnehmen lassen.

Dein Uoeren.

Hierzu zwei Beilagen.

-usrtzvsq «V *WSMPOt rn rrsuzq rrsr
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen