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Das Selbstbildnis von 1800

Abb. 31. Die drei Bauern. Kupferstich (Zu Seite 38>


das Freie, wo Bäumchen und
Wolken in einer eigentümlich
kindlichen Weise angegeben
sind. Fast möchte man glau-
ben, Dürer wäre bei der Auf-
gabe, Personen aus einem so
vornehmen Geschlecht zu malen,
einigermaßen befangen ge-
wesen: die Malerei ist glatt
und sauber, aber ohne lebendi-
gen Farbenreiz. Ungleich male-
rischer ist das in der Münchener
Pinakothek befindliche prächtig
lebenswahre Bildnis des Os-
wald Krell, eines sonst nicht
bekannten Herrn, aus dem
nämlichen Jahre. Schwarzer
Sammet, brauner Pelz, eine
rote Stoffwand und das Blau
und Grün eines reizvollen
landschaftlichen Ausblicks um-
geben den von hellbraunen
Locken umwallten Kops des
jungen Mannes mit einem
kräftigen Farbenklang (Ein-
schaltbild Abb. 11). Im Jahre
1500 malte Dürer dann das
bekannteste und schönste seiner

Selbstbildnisse: in gerader Vorderansicht, das edle Antlitz von einer noch stärker
gewordenen Fülle wohlgepflegter Locken umrahmt, mit ruhigem Ausdruck und
mit klar beobachtendem Blick aus den glänzenden, offenen Augen. Die Kleidung
ist hier ein brauner Pelzrock,' dessen schlichte, dunkle Töne heben im Verein
mit dem schwarzen Hintergrund die Helligkeit des Gesichts und der einen sicht-
baren Hand zu gesteigerter Wirkung hervor (Abb. 1). In den Hintergrund hat
Dürer neben Jahreszahl und Monogramm die lateinische Inschrift gesetzt:
„K1bortu8 Vnroru8 Xoricrm ip8uni ino proprim 8io olkingobuin ooloribu8 uotuti8
anno XXVIII." (So bildete ich Albrecht Dürer mich selbst mit den richtigen
Farben ab im 28. Lebensjahr.) Das Gemälde ist Jahrhunderte hindurch vom

Nürnberger Magistrat als ein kostbarer Besitz bewahrt worden; erst im Anfang
des neunzehnten Jahrhunderts gelangte es in die landesherrliche Gemäldesamm-
lung, mit der es in die Pinakothek zu München gekommen ist.
Dasjenige, wodurch Albrecht Dürer schon in jungen Jahren zu einem weit-
bekannten Manne wurde, waren weder seine Kirchengemälde noch seine Bildnisse,
sondern ein Holzschnittwerk. Gemälde hafteten an ihren Plätzen auf den Altären
der Kirchen oder in den Wohnungen der Besteller. Es war immer nur ein mehr
oder weniger eng begrenzter Kreis von Menschen, der sie zu Gesicht bekam. Holz-
schnitte aber, die dank der Billigkeit ihrer Druckherstellung zu einem äußerst
niedrigen Preis vertrieben werden konnten, gingen als „fliegende Blätter" in alle
Welt hinaus. Durch diese wurde damals mehr noch als durch das gedruckte Wort
Tausenden und aber Tausenden eine begierig aufgenommene geistige Nahrung zu-
geführt. Im Jahre 1498 gab Dürer die Geheime Offenbarung des Evangelisten
Johannes mit lateinischem und deutschem Text und fünfzehn Holzschnitten von
sehr großem Format (28 zu 39 Zentimeter) heraus. Er kam mit der Wahl dieses
Stoffes der Stimmung der Zeit entgegen. Die erregten Gemüter des noch unklar

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