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Naturstudium

flattert ihr nach. Das Gewand verbirgt nichts von den Formen der Gestalt.
Das sind Formen, die weder von der Anmut der Jugend noch von der Ehr-
würdigkeit des Alters etwas an sich haben. Ganz hart und ganz reizlos ist die
Gestalt, die Erscheinung eines Wesens, das weder lieben noch geliebt werden kann.
Das ist das Glück, das mit einem harten, fühllosen Lächeln auf den Lippen seine
Gaben für die Menschen bereit hält: den Ehrenpokal dem einen und dem andern
den hemmenden Zaum (Abb. 37). Es ist einer der prächtigsten malerischen Ge-
danken Dürers, wie diese scharfbeleuchtete große Gestalt mit den dunklen Schwingen
sich durch den leeren weißen Raum bewegt, während unten die Landschaft, reich
und vielgestaltig in kleinen Formen, als überwiegend dunkle Masse sich ausbreitet.
Wenn man bei dem Stiche „Adam und Eva" die köstliche Vollendung be-
trachtet, mit der nicht nur die Menschengestalten, sondern auch das gesamte Bei-
werk von Pflanzen und Tieren in allen Einzelheiten durchgearbeitet ist, so gewahrt
man, mit welch unermeßlichem Fleiß und mit welcher Liebe Dürer die Natur
auch in ihren kleinsten Gebilden in bezug auf Form, Oberfläche und Leben studiert
hat. Zahlreiche Studienblätter von seiner Hand sind aufbewahrt worden; die
meisten, dank der großen Sorgfalt, die ihnen ihrer Kostbarkeit wegen zuteil wurde,
in vortrefflicher Erhaltung. Gerade aus der Zeit vor dem Entstehen jenes
Kupferstichs sind ein paar Blätter vorhanden, in der Albertina, die als Meister-
werke einer an das Unbegreifliche grenzenden Kunst des Vollendens dastehen. Die
Ausführungsart ist Wasserfarbenmalerei über vorher sorgfältig durchgebildeter
Zeichnung, in Verbindung des Aquarellverfahrens mit dem deckenden Aufsetzen
einzelner Töne. Da ist vom Jahre 1502 ein junger Hase. Man glaubt jedes

Abb. 31. Das Rosenkranzfest. Ölgemälde von 1506. Im Prämonstratenserstift Strahow zu Prag
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