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Das große Glück


Abb. so. Bildnis einer jungen Frau. Ölgemälde
Im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin (Zu Seite 80)

Neben dem Blatte „Adam und Eva" steht als eine der großartigsten Schöp-
fungen in Dürers Kupferstichwerk die Verbildlichung der Glücksgöttin, gewöhnlich
zum Unterschied von einem kleinen Blatte, auf dem ebenfalls Fortuna dargestellt
ist, „Das große Glück" genannt. Der Gedanke zu dieser Komposition mag Dürer
wohl einmal bei der Alpenwanderung gekommen sein, wenn die Wolkenschleier
sich hoben und einen weiten Blick freigaben auf die tief unten liegende Menschen-
welt. Solch ein Blick von erhabener Höhe ist hier mit einem wunderbaren
Schönheitsempfinden in einem zauberhaften Reiz künstlerischer Anschauung wieder-
gegeben. Burg und Kirche und die kleine Stadt am Flusse. Straßen und Pfad,
Brücke und Steg und das Kreuz am Wege, und was da sonst von der Menschen
Tätigkeit und vergänglichem Dasein erzählt, zeigen sich zwischen den gewaltigen
Gebilden der Natur, die Berge auftürmt und in Schluchten zerreißt und den
Wildbach schäumen läßt. Hinter waldigen Höhen recken sich, Kette über Kette,
kahle Hochgebirgsgipfel, bis die letzten im dunklen Wolkenschatten verschwinden.
Die Wolke, die hier schattet, trennt die Menschenwelt vom Unendlichen; ihr ge-
kräuselter Rand ist der Saum des Gewandes der Ewigkeit. Da oben wandelt
das Glück. Ein Riesenweib mit mächtigen Fittichen; auf einer Kugel gleitet es
dahin, unter deren Druck der Wolkensaum sich senkt, um gleich wieder empor-
zuwallen. Man erkennt das leichte Spiel der Zehen, das dem Rollen der Kugel
folgt. Sonst steht die Göttin regungslos in ihrer Vorwärtsbewegung; ein paar
Haare, die sich aus dem Kopfband gelöst haben, wehen, ein Gewand schleift und

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