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Die Marter der Zehntausend — Der Hellersche Altar


Mehr Arbeit als die beiden lebensgroßen Einzelgestalten machte dem Meister
ein Gemälde mit zahllosen kleinen Figuren, das Kurfürst Friedrich der Weise
bei ihm bestellte: „Die Marter der Zehntausend" (Hinrichtung der persischen
Christen unter König Sapor). Dürer verwendete den ganzen großen Fleiß, den
er besaß, auf dieses Bild, an dem er über ein Jahr arbeitete und das er im
Sommer 1508 vollendete (Abb. 61). Es befindet sich jetzt in der Gemäldesamm-
lung zu Wien. Da sehen wir, in wie staunenswürdiger Weise Dürer es verstanden
hat, sich mit einer Aufgabe künstlerisch abzufinden, die ihrer Natur nach ihm wenig
zusagen mußte. Die malerische
Bewältigung des Ganzen hat
er durch Einbinden der großen
Figurenmassen in die Linien
einer kühn erdachten Landschaft
erreicht; und im einzelnen hat
der Reichtum seiner Erfin-
dungsgabe in der großen Man-
nigfaltigkeit von Stellungen
und Bewegungen ein Mittel
gefunden, durch das der Künst-
ler den grausigen Gegenstand
für sich — und damit auch für
den Beschauer — anziehend
machte. Die ursprüngliche Far-
benharmonie des unglaublich
fein ausgefllhrten Bildes ist
leider dadurch gestört, daß das
reichlich angewendete Lasur-
steinblau im Laufe der Zeit
durch die Farben, mit denen es
gemischt war, durchgewachsen
und an die Oberfläche getreten
ist, so daß es jetzt sehr viel
stärker spricht, als es nach der
Absicht des Meisters sollte.
Mit der gleichen Sorgfalt
malte Dürer dann die Mittel-
tafel eines umfangreichen Al-
tarwerkes, mit dessen Ausfüh-
rung der reiche Frankfurter
Kaufmann Jakob Heller ihn
gleichfalls schon im Jahre 1507
Abb. 71. Der Schmerzensmann beauftragt hatte. Er selbst
Titelbild zur Kupferstichpassion (IMS) (Zu Sette 88) schrieb an den Besteller, daß
er all seine Tage keine Arbeit
angefangen habe, die ihm besser gefiele, und noch nach der Ablieferung im August
1509 war er um die vorsichtige Behandlung des Bildes besorgt. Von seiner fleißigen
und gewissenhaften Vorbereitung aus dieses Werk legen mehrere erhaltene Natur-
studien Zeugnis ab, die in feiner Pinselzeichnung ausgeführt sind (Abb. 63, 64, 65).
Gegenstand des Gemäldes war die Himmelfahrt Marias. Unten umstehen die
Apostel das leere Grab, und oben in den Wolken, in denen sich Scharen kleiner
Engel umhertummeln, wird die Jungfrau von Gott-Vater und Christus mit der
Krone der Himmeskönigin geschmückt. Die wunderbare Schönheit dieser von dem
Meister selbst für sein bestes Werk gehaltenen Schöpfung, in der sich mit der liebe-
vollsten Ausarbeitung der Einzelheiten eine großartige Einheitlichkeit der male-

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