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Arbeiten in Venedig

malung der Köpfe von Maria und dem Jesuskind, sowie der Luft und anderer
Teile schwer gelitten. Die Schönheit der Gestalten und der Komposition, bei
der Mehrzahl der Figuren auch den Charakter und den Ausdruck der Köpfe und
Hände können wir noch bewundern, aber der einst aufs höchste gepriesene Reiz
der Farbe und der meisterlichen Ausführung kommt nur noch stellenweise zur
Geltung und läßt uns die Zerstörung doppelt beklagen. Eine bessere Vorstellung
von der ursprünglichen Klarheit des Gemäldes und besonders von dem Kopf
der Maria erhalten wir durch eine alte Kopie im Hofmuseum zu Wien, obgleich
diese Kopie der Feinheit Dürers, besonders in den Köpfen, bei weitem nicht

gerecht wird (Abb. 52).
Nebenher malte
Dürer in Venedig einige
Bildnisse und mehrere
kleinere Gemälde. Das
schönste von diesen be-
sitzt die Dresdener Ga-
lerie in der ergreifen-
den und malerisch wir-
kungsvollen Darstel-
lung des Gekreuzigten,
die ungeachtet des mi-
niaturartigen Maß-
stabes ein wahrhaft
großartiges Werk ist.
Finsternis senkt sich
über die Erde herab;
nur am Horizont glüht
ein gelblicher Lichtstrei-
fen über dem Meere.
Der Wind macht die
Haare und das Len-
dentuch des Gekreuzig-
ten flattern, dessen
hellbeleuchtete Gestalt
als das Licht in der
Finsternis erscheint.
Kein Zucken in dieser
Gestalt weist auf die
Qual der Schmerzen
hin; Ruhe ist über den


Dulder gekommen, er
hebt das edle Antlitz
mit dem Ausdruck un-

Abb. 62. Der heilige Georg. Kupferstich (Zu Seite 85)

gebeugten Vertrauens empor, und wir vernehmen die Worte: „Vater, in deine
Hände befehle ich meinen Geist" (Abb. 53). Zn der Barberinischen Sammlung zu
Rom befindet sich ein laut Inschrift in fünf Tagen gemaltes Bild, das den zwölf-
jährigen Jesus im Gespräch mit den Schriftgelehrten darstellt. Es ist die schnelle,
wenn auch durch Studien (Abb. 55) vorbereitete Niederschrift eines Gedankens, zu
dem Dürer durch den Anblick von Leonardo da Vincis Charakterköpfen angeregt
werden mochte. Das Ganze besteht eigentlich nur aus Köpfen und Händen; aber
diese sind alle gleich ausdrucksvoll (Abb. 56). Als unmittelbar aus der Beschäf-
tigung mit dem Rosenkranzbild hervorgegangen, gleichsam als eine Nebenfrucht
dieser Arbeit, erscheint das reizvolle Marienbild des Kaiser-Friedrich-Museums zu
Berlin: „Die Madonna mit dem Zeisig." Wie dort sitzt Maria mit dem nackten

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