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Adam und Eva

anzulehnen. Die Nachahmung der Italiener hat nach ihm die deutsche Kunst
zugrunde gerichtet.
Nach der Rückkehr schuf Dürer in rascher Folge mehrere größere Gemälde.
Das erste war eine Darstellung von Adam und Eva auf zwei Tafeln in lebens-
großen Figuren. Zn Italien hatte Dürer gesehen, mit welch hoher künstlerischer
Schönheit die nackte Menschengestalt bekleidet werden kann. In diesen beiden
Gestalten des Mannes und des Weibes, die eine Vollkommenheit der Formen
zeigen, wie sie der Kunst des Nordens bis dahin unerreichbar gewesen war, legte
er gleichsam öffentlich Zeugnis ab von dem, was sich in ihm für seine Kunst-
anschauung Neues in dem Lande der alten Kunst offenbart hatte. Aber man
würde Dürer großes Unrecht tun, wenn man die beiden Figuren bloß auf die
Form hin, der denn doch noch nordische Mängel anhaften, betrachten wollte.
Das Beste daran ist vielmehr die Feinheit des Gefühls, mit der die Empfindung
der beiden erdacht und ausgesprochen ist. Der Ausdruck liegt nicht bloß in den
Köpfen. Hier das mit weiblicher Zurückhaltung gemischte schmeichelnde Verlocken,
dort scheues Zagen im Verein mit der Unfähigkeit zu widerstehen: das ist in den
ganzen Gestalten, bis in die Füße und Fingerspitzen hinein, zur Anschauung
gebracht mit einer Meisterschaft, die in dieser Beziehung kaum ihresgleichen hat
(Abb. 59 u. 60). Man kann sich vorstellen, welches ungeheure Aufsehen diese beiden
Tafeln bei ihrem ersten Erscheinen erregten. Sie sind schon früh mehrmals kopiert
worden. Die prachtvollen, wunderbar ausgeführten und vortrefflich erhaltenen
Originale befinden sich im Pradomuseum zu Madrid. Aus jedem Strich spricht
hier die Eigenhändigkeit Dürers, und für die heutigen Kenner und Verehrer des
Meisters Hütte es des Znschrifttüfelchens nicht bedurft, das an einem Zweige
des Erkenntnisbaumes aufgehängt ist und auf dem zu lesen steht, daß der
Deutsche Albrecht Dürer das Werk gemacht hat („Klbortus Ouror uloinunus
kueiebat post virßinis partum 1507"). Unter den vorhandenen Nachbildungen
des Bilderpaares ragt eine, im Pittipalast zu Florenz, in so hohem Maße hervor,
daß sie von vielen ebenfalls als Dürers eigene Arbeit angesehen wird. Es ist
freilich schwer, dem Gedanken Raum zu geben, daß Dürer, bei der unerschöpflichen
Schaffenskraft und Schaffenslust seines reichen Geistes, es über sich gebracht hätte,
in einem reifen Werk sich selbst zu wiederholen, — wenn er auch vielleicht ein-
mal in früher Jugend ein wohlgelungenes Selbstbildnis für seine Angehörigen
oder Freunde kopiert hat. Aber angesichts der großen künstlerischen Eigenschaften
der Florentiner Bilder von Adam und Eva, deren Würdigung leider durch minder
gute Erhaltung erschwert wird, läßt sich der Gedanke doch nicht ganz abweisen,
der Meister könnte sich dazu entschlossen haben, das Werk, in dem er etwas nie
Dagewesenes erreicht hat, mit eigener Hand noch einmal zu malen. Unterstützt
wird diese Annahme durch die Tatsache, daß das Florentiner Exemplar keine
einfache Wiederholung ist, sondern eine, wenn auch nur auf den Hintergrund sich
erstreckende, Umarbeitung der Bilder zeigt. Die Figuren stimmen hier und dort
ganz genau miteinander überein. Im übrigen aber unterscheiden sich die beiden
Ausführungen in ähnlicher Weise, wie die Zeichnung und der Kupferstich von
1504. In Madrid heben sich die beiden Gestalten, um ganz unbeeinträchtigt für
sich selbst zu wirken, von schlichtem schwarzem Grunde ab; selbst der Baumstamm
mit der Schlange an der Seite Evas ist hier nicht in malerischer Ausführung, son-
dern mehr als bloße Andeutung gemalt. Zn Florenz dagegen treten die Figuren,
wie es dem Inhalt der Darstellung entspricht, aus einem landschaftlichen Hinter-
grund, den Tiere beleben, hervor. Vielleicht ist das Florentiner Vilderpaar, wenn
es nicht dem Meister selbst seiüe Entstehung verdankt, auf dessen Anweisung hin,
zu dem Zwecke, durch das Umgeben des Menschenpaares mit der Andeutung des
Paradieses eine vollständigere Darstellung zu schaffen, und unter seiner Leitung
ausgeführt worden; jedenfalls durch einen sehr tüchtigen Maler; man denkt an
Hans Baldung Grien, dem Dürer eine solche Aufgabe wohl anvertrauen konnte.

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