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Die Kleine Passion


Abb. 88. Aus der Kupfersttchpasston:
Christus vor Katphas (1512) (Zu Seite 87)

volkstümlichen Weise erzählen.
Die sämtlichen Bildchen, von
denen einige mit der Jahres-
zahl 1509, andere mit 1510
bezeichnet sind, scheinen schnell
hintereinander gezeichnet zu
sein. Die Erzählung beginnt
mit dem Sündenfall und der
Vertreibung aus dem Para-
dies, als der Vorbedingung
der Erlösung. Nachdem die
Menschwerdung des Erlösers
durch die Verkündigung und
die Geburt verbildlicht worden
ist, bildet der Abschied Jesu
von seiner Mutter die Ein-
leitung zu den Ereignissen der
mit dem Einzug in Jerusalem
beginnendenLeidenswoche.Vor
und nach dem letzten Abend-
mahl sind die Vertreibung der
Wechsler aus dem Tempel und
die Fußwajchung eingefügt.
Das Gebet am Ölberg eröffnet
die Darstellung des Leidens
miteinertiefergreifendenSchil-
derung des Seelenkampfes
(Abb. 75). Die Begebenheiten
zwischen der Gefangennahme
und der Verurteilung werden
in allen Einzelheiten veran-
schaulicht, von der Vorführung
vor Annas bis zur Hände-
waschung des Pilatus. Auf
die Kreuztragung folgt ein

Bild, das mit ruhig nebeneinander gestellten Figuren den Fluß der Erzählung
unterbricht: Veronika zeigt, zwischen Petrus und Paulus stehend, dem Beschauer
das auf ihrem Schweißtuch abgedruckte Dulderantlitz Christi. Nach diesem Bilde,
das gleichsam eine Aufforderung sich zu sammeln an den Betrachtenden richtet,
sehen wir, wie Christus an das Kreuz angenagelt wird, und wie er am Kreuze
die letzten Worte spricht; wie er in die Unterwelt hinabsteigt; wie sein Leichnam
vom Kreuze abgenommen, dann am Fuße des Kreuzes beweint und darauf in das
Grab gelegt wird. Auf die Auferstehung folgt die Erscheinung des Auferstandenen
vor seiner Mutter, vor Maria Magdalena — ein Bild von hochpoetischer Stimmung
— (Abb. 76), vor den Jüngern zu Emmaus und vor Thomas. Darauf folgt die
Himmelfahrt, bei der das Entschwinden Christi in befremdlicher, aber wirksamer
Weise dadurch veranschaulicht ist, daß man nur noch seine Füße sieht. Die Herabkunft
des Heiligen Geistes und die Wiederkehr Christi am Jüngsten Tage bilden denSchluß.
Nichts spricht mehr für die Unerschöpflichkeit von Dürers Gestaltungsvermögen,
als die Tatsache, daß er sich zu derselben Zeit mit der Ausarbeitung einer Folge
von Kupferstichen beschäftigte, die gleichfalls das Leiden des Heilands, in aber-
mals anders ersonnenen Darstellungen, behandelte.
Neben den vier Büchern brachte Dürer eine ganze Menge von einzelnen
Holzschnittblättern auf den Markt. Im Jahre 1510 veröffentlichte er auch einige

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