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Die Melancholie

in schroffen Linen durchschnitten, sichtbar ist; man fühlt das schwingende Licht,
das die fern auf einer Bergeshöhe liegende Burg mit einem weichen Ton über-
zieht. In der schaurigen Schlucht aber ist es kühl und düster. Ein verglimmender
Abendstrahl, der auf einer Kante des Abhanges ruht, weicht der heraufrückenden
Dunkelheit. In unheimlicher Finsternis führt der sich verengende Weg zwischen
höher steigenden Wänden; — führt er ins Verderben? Neben dem Ritter reitet
als bleiches Gespenst der Tod, und hinter ihm schleicht ein grauenhafter Teufel,
der mit schauerlich gierigem Blick aus glühenden Augen die Krallenhand nach ihm

Abb. 1ÜV. Einzelbild aus dem HolzschniNblatt „Die Ehrenpforte":
Einzug in eine erstürmte Stadt (Zu Seite 98)


hebt. Des Ritters Roß und Hund ahnen etwas Beängstigendes. Er aber kennt
keine Furcht; ohne rechts noch links zu sehen, in unerschütterlicher Haltung, reitet
er vorwärts. Zeder Deutsche wird diesen Rittersmann verstehen, der trotz Tod
und Teufel auf dem eingeschlagenen Wege bleibt (Abb. 93). Solch einen Mann
der entschlossenen Tat quälen die grübelnden Zweifel nicht, auf die das träume-
rische Bild der „Melancholie" hinweist. Da sitzt eine Gestalt, die die Macht des
Menschengeistes verkörpert, mit dem Lorbeer des Ruhmes gekrönt, von allerlei
Zeichen menschlichen Wissens und Könnens wie Handwerksgerät und mathema-
tischen Körpern umgeben. Wohl mag dieses mächtige Wesen sich weithin tragen
lassen von seinen starken Schwingen; dennoch sinkt es schließlich in sich zusammen
im Gefühl seiner Unvollkommenheit. Es gleicht dem Kinde, das auf dem Mühlstein

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