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Jdealköpfe — Lucretia

das Herkommen der älte-
ren Kunstweise veranlaßt
haben; er hat hier auch,
ganz gegen seine Gewohn-
heit, Lichtscheine um die
beiden Köpfe gemalt. Aber
befremdlich berühren einen
in einem Dürerschen Werk
diese unnatürliche Ver-
schmälerung der Nase, diese
Verkleinerung des Mundes.
Im seelischen Ausdruck je-
doch, in der unendlichen Lie-
benswürdigkeit dieser jung-
fräulichen Mutter ist das
Bild ganz des großen Mei-
sters würdig.
Als Jdealköpfe kann
man wohl auch die beiden
Apostelbilderbezeichnen, die
sich in der Uffiziengalerie
zu Florenz befinden. Aber
das Ideale ist in diesen
prächtigen Ereisenköpfen,
welche die Glaubensboten
Philippus und Jakobus,


Abb. IIS. Kaiser Maximilian. Kohlezeichnung
In der Albertina zu Wien
Beischrift: „Das ist Kaiser Maximilian den hab ich ! Albrecht Dürer
zu Augspurg hoch oben auff ! der Pfalz in seinem kleinen stüble
kunterfett ! do man zalt 1S18 am montag nach ! Johannes tauffer"
<Zu Seite 118)

den weitgewanderten, vor-
stellen, nicht in einer ver-
meintlichen Veredelung der
Form gesucht, sondern es
ist aus dem Innern der
Persönlichkeiten heraus ent-
wickelt; Charakterbilder zu schaffen, war die Aufgabe, die Dürer sich hier gestellt

hatte (Abb. 105 u. 106).
Im Jahre 1517 scheint Dürer die Malerei wieder ganz beiseite gelassen zu
haben. Wenigstens findet sich diese Jahreszahl auf keinem seiner Gemälde. Als
Arbeit von 1518 ist ein Marienbild im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin be-
zeichnet. Ein Werk von geringem Umfang: Kopf und Hände der im Gebet
emporblickenden Jungfrau; ein liebenswürdiges Ausdrucksbild, fesselnd durch die
Vereinigung der Herzlichkeit und Zartheit, mit der das fromme Mädchengesicht
und die gefalteten Hände sprechen (Abb. 109). Ein Gemälde in der Münchener
Pinakothek trügt die nämliche Jahreszahl. Hier hat Dürer sich noch einmal an
der Aufgabe versucht, eine lebensgroße unbekleidete Figur zu malen. Den Vor-
wurf hierzu nahm er, auf einen zehn Jahre früher gezeichneten Entwurf zurück-
greifend, aus der römischen Geschichte, mit der sich in der Renaissancezeit ja jeder
Gebildete beschäftigte. Er malte die Lucretia, die, an ihr Bett sich anlehnend,
im Begriff steht, sich mit dem Dolch zu durchbohren (Abb. 110). Dieses Bild ist
bedeutsam als ein Beweis von Dürers unausgesetztem Arbeiten an seiner eigenen
Ausbildung. Denn es ist kaum anzunehmen, daß er zum Malen dieses Bildes
einen anderen Grund gehabt habe als die Absicht, sich zu üben durch die Be-
wältigung der Schwierigkeiten, die in der malerischen Wiedergabe der nackten
Menschengestalt liegen. Die Bewältigung dieser Schwierigkeiten ist ihm indessen
hier lange nicht so gut gelungen wie bei den früheren Bildern von Adam und
Eva, denen die Lucretia in bezug auf Malerei und Farbe ebensowenig ebenbürtig

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