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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1852 (Nr. 84-94)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1512#0041
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Trajan und des Titus; jedoch ist die Architektur edel und gut verstan-
Len. Nachdem aber Rom von Len Barbaren gänzt'ich zerstört und ver-
brannt worden war, scheint bei dem Brande und der traurigen Werwü-
stung der Gebäude auch die Baukunst zu Grunde gegangen zu sein. Denn
La stch Las Glück der Römer so sehr geändert hatte und an die Stelle
«nendlicher Siege und Lriumphe — Lrübsal und elende Sclavcrei getre-
ten waren, so veränderte sich sogleich mit dem Glück Lie Art, zu bauen
und zu wohnen, gleichsam als ob es denjenigen, Lie nun unterjocht und
Knechte der Barbaren geworden waren, nicht zieme, auf dieselbe Weise
und mit Lerselben Pracht zu wohncn, als zu der Seit, in welchcr ste
Lie Warbaren unterjvcht hatten. Die Wauart jener Zeit erscheint mit
Ler vormaligc» in eben so auffallendem GegensaHe, wie Lie Freiheit
zur Sclavcrei, und gestaltete stch, ihrer Armseligkeit entsprechend,
ohne Ebenmaß und ohne die mindcste Anmuth. Es scheint, als ob dis
Menschen dieser Zsit mit Ler Frciheit alle Fähigreit und Kunst verloren
hätten. Denn sie wurden so ungcschickt, daß sie keine Backsteine, ge-
schweige denn irgend eine Art von Zierathen zu verfertrgen verstanden.
Sie schlugen von den anlikcn Manern die Weklcidungcn herunter, um
Backsteine zu erhalten, zerstießen den Marmor «nd brauchten ihn zum
Mörtel, wie ma» gegenwärtig a» dem Lorre della Milizia gcnanntcn
Lhurm sieht. Ss suhren sie eine geraume Zeit mit jener Unwrsfenheit
sort, die man in allen Werken jener Zeit bcmerkt, und es scheint, daß
Lrese fürchtcrlichs und schreckliche Zerstörung und Nerwüstung nicht nur
nach Jtalien kam. sondcrn sich auch nach Griechenland verbreitete, wo
stch einst Lre Erfinder und vollkommenen Meister aller Künste befanden. i
Daher entstand auch dort ein äußerst schlechter und wershloser Geschmack
in Ler Malerer, Sculptur nnd Architektur. Darauf schien es, als ob die
Deutschen anfingcn, Lie letztgenannte Kunst ein wcnig zu crwecken. Abcr
ste waren in den Zierathen geschmacklos und weit entfernt von dcm
schönen Styl der Aömer. Diese zeigen nebst der Anlags des ganzen Ge-
bäudes schöne Gesimse, Friese, Architrave und Säulen mit rieriichen Ca-
pitälern und Basen und nach dem Maßstabe des Werhältuisscs des Man-
nes und dsr Frau. Aber die Dsutschen (Lcren Geschmack uoch an vielen
Orten Lauert) machtcn oft als Zierath eine klcine zusammengekaucrte und
schlecht gcarbeitere Figur znm Lrrgsteine cines Gobälkes und bizarre
Figuren und geschmackloses Laubwerk wider alls Ocdnung der Nalur.
Auch hatte ihre Baukunst den Ursprung, Laß ste von dcn unbeschnitte-
ncn Baumen entlehnt wrr, welche, wenn Aeste gebogen und zusammen-
gebundeii werden, SpiHbögeii bilden. Obglsich nun dieser Ursprung nicht
ganz verwerflich sein dürste, so rst er doch schwach; denn die Hütten mit
eingcklammerten Balken und Pfosten gleich den SLulen. mit Decken und
Giebeln, wie sts Vitrnv als den Ursprung der Lorischen Ordnung be-
schrieben, sind wcit haltbarer, als die Spitzbögen, wclche zwei Mittel-
pnncte haben. Drher gewährt nach den Grundsätzeii der Mathematrk ein
Rundbogen. dessen ganze Linie aus einem Mittelpuncte gezogen wird,
eine weit bcssere Stütze, als ein Spitzbogen, der außec seiner Schwächs i
auch unserem Auge, dem Lie Vollkommenheit dcs Cirtcls gcfällt, minder
angenehm erscheiut; so sicht man auch, daß L-e Natur fast keine andere Form,
als diese, sucht. Abcr es ist wcder nöthrg, von der römischen Baukunst
in Wergleich mit der barbarrschen zu sprechen, da bcide einen so auffal-
lenden Unterschicd zeigsn, noch ihre Regeln zu beschreiben, da Witruv
Svn denselben so trefflrch geschrieveir hat. Es genügt, zu wissen, daß die
rümischen Gebäude bis zur Zeit der letzten Kaifer stets nach gutcn Grund-
sätzen der Archrtektur aufgeführt wimden und Laher Nbereinstimmen- mit
Len älteren waren; ste lasscn fich ohne Schwierrgkcit von renen aus der
Zert der Gothen und den noch viele Jahre später crbauten leicht unter-
scherden; denn berde bilden gleichsam zwei Extreme und cinen völligen -
Gegensatz. Auch hat es keine Schwierigksit, sis von unseren mvdsrnen
Gedäuden, die durch viele Eigenthümlichkeiten und durch ihre Rcuhsit
insbessndere kenntlich sind, zu nnterscheiden."

Darf man sich nnn wundern, wenn nach den Ansichten und dem Wer-
werfungs-Urtheil eines sv bedenteadcn Mannss, dcssen Einfluß von ver-
nichtender Entscheidung war, die Werke des Spitzbogen-Styls gcgenwär- ;
tig in Rom so selte» strid? Man sieht aus seinen Worten, Rom hatte j
sich, wis auch das übrige Jtalien, des Einflnsses LeS Spitzbogen-Systems i
nscht ganz cntschlagen künnc». Jn Mailand, in dem benachbarten Ro- j
vieto, in Assisi hatte man in jenem Scnle, freilich nach seiner Weise, i
gedaut, nnd auch Rom kounte Kicchsn «vd Paläste in demselben aufwei- i
sen. Bon den ersteren ist uns dic Kirche Santa Maria sopra Mincrva, !
von den letzleren der venetianifche Palast geblieben- Die andere» haben -
stch umgewaiidelt, jedoch so. Laß an ihnen der ursprüngliche Charakter
noch brs zu hsutiger Gtunde nicht zu verkennen ist; andere abcr haben :
gänzlich weichen müffen. Auf allen Fall tritt er äußerlich nur hochst -
bescheiden und gleichsam wie ein Berbvrgener auf. So ist auch jener i
Gtyl äußerlich an der schonen Kirche Santa Maria sopra Minerva -
kaum bcmerkbar, wahrscheiulich auch schon deßhald, weil man in dcr
Zcit ihrer Errichtung auf Len Außenbau jene Sorzfalt nrcht zu verwsn- i
Len Pflegte, wie man dies in Deutschland und den übrrge» Ländcrn ge- '
than. Man hielt stch noch ganz an der Einrichtung dec Bastliken, «nd .
diese stnd nur Znucnbau. Aber der Jnnenbau von Santa Maria sopra
Mtnerva ist großartig und schön. Er ist von keinem Jtaliencr. Eine s
zweite Kirche, welche sich des Eliifluffes des Spitzbogcn-Systems nicht i
ganz entschlagen konnte, ist die im Jahre 1583 errauts, an dcr Stelle i
einer früheren vom Zahre 1470 gewiß im Spitzbogen-Ssyle errichteten i
Augu-iinerkirche. Die Jtalierrer nennen sie kormu Aoer es ist eine i

Gothik mit römischen Säu.'en, Lissenerr unv koriiithischcn Caprtälsrn. gerade '
wie wrr ste an mehreren Deiikmälern, an Sacramentshäuschen jsncr Zsrt '
anch in Deutschland bemerren. Rur tie Construction dec Gewölbe ist i
uicht italienrsch. Auch die deutsche Reichskirche Santa Maria dcl Anima,
gegcn Ansgang des XV. Jahrhunderts errichtst, erinnsrt trotz ihrer vie-
len Beräiidsruugsn uoch ganz an die Bauweisc diesseirs dcr Älpcn. Aber
nach Lem Bau jeuer Kirchen hörte sie auf. Bramante und Michel Au-
gelo suchcen den Kriumph Ler christiicheü Banknnst in dem Gedanken,
die beiden größten der rcligiösen Bauwcrke. welche uns aus dem Llrer-
thume erhalten sind, übec einandec z« setzen »nd in Ein Ganzes zu vcr-
binden, nämlich den Rundbau Les Paiitheons iiber den Fricdenstemvel
in die Luft zu erheben. So eutstand von Neuem der byzantinische Cen-

tralban mit den Kuppelu an deu Kircheu, die von uuu an die Lhürme er-
setzsn sollten.

Aber konnte auch das SpiHbogen-System in Rom an den Kirchen
seine Geltung nicht recht behaupten, so hat es doch an zwei anderen
° Wsrkcn scine Ebenbürtigkeit geltend gemacht, nämlich an Len Altären
: zweicr apostolischen Kathedralen, und zwar in Gt. Johann im Latera»,
i Ler Mutter Ler Kirchen Roms und der Erde, und in St. Paul außerhalb
i 'oer Mauern, beide Altäre, an wslchen nur der beilige Bater, und ohne
seine speeielle Erlaubniß. wozu ein ei-zencs päpstliches Wreve gehört,

- kein sonstiger Priester Messs lesen darf.

Unter deu erwahnten Altären st-id auch die Altäre von St. Maria in
Cosmedin — eincr Kirchs, die des Alterthümlichen noch so viel hat — und
i von Sta. Maria in Trastevere, an jener Stelle erbaut, wo zur Zeit der

- Gebnrt dcs Heilandes Oel auS dcrErde quoll und eine der ältesten und
gsschichtlich merkwürdigsten, im SpiHbogsn-Styl. Auch ia der Altar-
Rische von S. Ncreo in Achillei, ebenfalls ciner der ältcsten Kirchen,
wo Gregor L.r Große eineHomilie hielt, die sich noch auf der Kathedra

^ eing-graben findet, und zur Zert dsr bcrühmte Baronius Litular war»
ist erne Ausschmückung in jenem Style. Man darf aber bei diesen Al-
täceri nichr an eine Einrichtung Lenken, wie ste in Deutfchlaud, uament-
lich gcgen Ausgang des XV. und in Ler Mitte des XVI. Zahrhunderts
immcr üblicher wurde, also daß der Altartisch eiircn AufscH von Bild-
werk und Schnitzwerk erhielt, die sich in ihren Darstcllungcn gegen-
seitig ergänzten. Sie stnd viclmehr im SpiHLogen-Style errichtsts Bal-
dachine, die, auf antrken Säulen stehend, den Altartisch umgeben. Die-
ser hat sonft keiueii Aussatz, was schon mit dsr ganzen liturgischen Ein-
richtung nicht stimmrn würde. Denn d>ese Mtä're haben die Ei-irichtung,
daß der opfernde Priester, a:i ihnsn steyend, dasdAntlitz dem Bolke zu-
wendet. Sie stehen d. her frei und köuiren keineHinterwand haben. Zene
Altarwerke siud also mehr Tabernarel in großartlgem Style uird schlie-
ßen. wie Lie alten Sacrameiikshäuschen, mit ppramidaler SprHe. Der
Altar von St. Johann im Latsraa bildet drei Hauptmasscn, die durch
verschiedene Gliederungsn mit einander vcrbuuden stnd. Unten ist eine
Säulenhalle, woriii stch der Opfertisch befindet, über diesem cin vergit-
tertes Viereck zur Aufbewahrung der Häupter der Apostel PetruS urid
Paulus, mit einer Galerie umgeben, und hierübcr Ler dreicckige Schluß.
Hätke man mit dem neußsr Alkare so verfahren, wie Ler Altar St. Jo-
hann im Lateran aufgefaßt worden, wahrlich, man hätte ein ganz an-
deres Werk bekommen. als gegenwärtig dasteht, und zugleich eine zweck-
mLßige Stslle zur Lufbcwahrung der Iteliquisn des h. Quicinus, die nach
ziemlich sicheren Gpucen ernstens unter dem Hochaltar geruht, dcr bcim
Brande dcr Kuppel im Truchscß'schen Kriege vsrni'chtet wurde So viel
wsnigstens fuhlt Jeder. daß dem prachtvollen Hochaltare dsr neußer Qiii-
rinuskirche immer noch etwas fchlt. Abcr wir wollen nicht rechten über
das, «as nun einmal nicht zu Lndcrn i'st, sondern hier bloß darauf auf-
msrksam machsn, «ie bci ähnlichen FLllen Zu verfahren wäre. - Man
könnte fragen, ob iircht Stcllung und Einrr.htuiig des Altars iu St.
Johann im Laterau auch maßgebend sei'n möchte sür dsn künftigeu Altar
im Dome zu Köln. Allsrdrnqs wird bei Bollsndung Lss hohen Werkes
der gegenwäriize entstellende Hochaltar nicht mehr bleiben künnen, Das
sühlt Jsdsr. Auch wicd man dei dsr Wollendnng der Kirche nach ihcem
ursprüiiglichei! Plane zuversichtlr'ch a» der alren Elnri'chtung festhalten,
wie sie dsr srühsre Dsm-Altac hatte, daß dsr Bischof das Antlitz dem
Bolkc zuwendste. Fcrnsr glaubc ich, daß man den Reliquisn dcr h. drer
Könige einen andcren Bsrwahruugsort zugcdacht hatte, als Lie Stells,
wo fich dieselbe» gsgenwä tig bestndeu. Aver ein Hochaltar in dem köl-
ner Dome uach der Ausfaffuiig von St. Iohann im Lateran kö'nute nur
unter der Kuppsl, oder, wenn man tiese ans technischen Grüuden zn er-
richtcn 'Anstand nähme, an jciisr Stelle ern'chtet wsrdeu, ws stch Haupt-
unö Qucrschiff kreuzen, nnd dem widerstrebt die gauze Einrichtuug einer
im SpiHbogen Btyle erbauts» dsutschen Kirchs — warum? werden wir hö-
re», werm wir zur Zeit einen Aufsatz über den alten Lettcr i» römischen
und in deutschen Kirchen liefsrn.

Misc-NvLi';«

Jedem wahren Dombau-Fremide ist es ci'n wohltbuendes, erhebcndes
Gefühl, auch fsrn von Köln Männer zu fi'ndsn. welchs für das hsrrliche
Werk und seinen gedeihlichen Fortgaug wahrhaft begeistert sind. Kiele
solcher Dombau-Fr.'nnde fanden wir im südlichen Deutschlande, wo über-
haupt der Sinn für d utsche Kunst ein lebendi'ger, crn werkthätiger ist,
wie dics Lie Wisdcrherstellnng cinzelner Kirchen, viele öffenrliche Neu-
bauten und Lie Pfl.gs dcutscher Kunst i» den Gcwerbc- und polytech-
nischen Sbulcn am schönsten bekunden. Zn Baiern fand Lieses Streben
Lie ciste Liirsginig, Lufmunterung und ttiiterstütznng in dem edlen, hoch-
stnnigen Wirdsrbelever dcutsch.-r Kunst nach so langen Jahren der Schmach
mid Mißachtung, ia König Ludwig I. Durch sein Wollen und Wirke»
ist die Leutsche Kunst zu einer Höhe der Entwicklung gelangt, die vor
ihm die Gesyichte nicht gekannt, und welche um so großartrger belebend
wirkte, da dem königlichen Kunst-Mäcen, dem gleich Dentschlands Anua-
le» ksine» zwsiten aüfznweisen haben, alle Eiirseitigkcit fremd, sein
reiner Kmistsinn alle Richtmigen wahren Ku:-ststrebens mit glcicher Liebe,
gleicher Fürsorge nmfaßte.

Mit wclchec degcisterteu Lisbe König Ludwig den grvßen Gedanken der
Bollendung unseres Domes ergriff, ist bekanut und hai e.llseitrg den
wärmsten Dank dcr Anerkennung gefunden. Daß seine Bsq srung für
das herrlicke Gotteshaus eine lebendiZe, wcr! hätige, di s l .undet das
koiiiglichs Geschenk ker prachtvollen Fenster, mrt dem er Len Lempel schon
verherrlrchte, dies bewcisen die bedeittSiideu Beiträge, welche L-ar'ern bis
dahin zum Fortbaue anscrss Domes gespendet hat und noch furder spen-
Len wird, da Ludwig's Nachfolger. K m'g Mar lsi, nach ven trüben
Jahren politischsr Wirren Len baierischen Dombau-Berein zu erneuerter
Lhätigkeit aufgefordert hat und die Samim'ungen bcrsits wreder begon-
nen haben sollen.
 
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