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Das politische Friedrichbild und das Friedrichbild
Menzels: Gleichklang oder Konflikt?

i. Patriotische Malerei?

Am Beginn einer weiteren kunsthistorischen und auch politischen Einordnung der
Friedrich-Bilder steht im folgenden zunächst noch einmal Friedrich und die Seinen bei
Hochkirch (Abbb. 72 und Tafel 8). Es wäre sicherlich falsch, in der thematischen Wahl
einer Niederlage einfach mangelndes patriotisches Engagement zu sehen. Erstens er-
schienen Darstellungen von Niederlagen und der Verzweiflung Friedrichs angesichts
eines schier übermächtigen Feindes gerade verstärkt in der vaterländischen Bild- und
Graphikproduktion des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Bekannt sind vor allem
die bereits zitierten Szenen, in denen der grübelnde König im Anschluß an die Niederla-
ge bei Kolin figurierte. Zweitens war gerade der Hochkirch-Mythos bedeutender Be-
standteil der preußischen Nationallegende, nicht zuletzt, weil die Schlacht als Vorläufer
der Katastrophe von 1806 betrachtet wurde, von der man sich in den Augen der Nach-
welt nur durch Reform des Staatswesens und Bündelung aller Kräfte erholt habe. Nicht
umsonst widmete Fontane der Begebenheit sein erstes Gedicht.1 Daneben erwähnte C.
Amelung, ein weiterer Repräsentant der Hochkirch-Historiographie, die Schlacht in sei-
nem Geschichtskalender des preußischen Vaterlandes als Beispiel für einen nie versiegenden
Optimismus von Herrscher und Volk auch in Momenten höchster Gefahr und benannte
damit wiederum implizit die Parallele zu den Befreiungskriegen.2 Und drittens schließ-
lich fügte sich auch Menzel selbst mit der erwähnten Titelvergabe in diese Tradition ein.
Er unterstrich das noch, als er im Brief an Friedrich Wilhelm IV, in dem er das Bild dem
König zum Kauf anbot, daran erinnerte, daß der Gegner von diesem Sieg wenig gehabt
und der Stoff »dem Rückblick des Patrioten gleichwohl« einiges zu bieten habe.3

Darüber hinaus ist an dieser Stelle noch einmal an eine kritische Bemerkung Franz
Kuglers zu den seiner Meinung nach nur den Sieg verherrlichenden Versailler
Schlachtendarstellungen aus der Geschichte Frankreichs zu erinnern. »Die Geschichte ist
nicht allein groß in den Thaten des Glanzes; auch in denen des passiven Heroismus, auch
in denen des Schreckens und der Noth. Sollen wir die Geschichte des Vaterlandes kennen
lernen und uns an diesen auferbauen und zu eignem Thun kräftigen, so müssen wir nicht
allein die sonnigen Höhen unserer Geschichte besteigen ... auch mit dem Grauen der Ab-
gründe müssen wir uns vertraut machen.«4 Man könnte meinen, Menzel habe sich mit
seinem Hochkirch-Bild direkt der Kuglerschen Idee angeschlossen, in der sich ein
Nationalbewußtsein spiegelte, das noch immer unter dem Eindruck des beinahe totalen
Untergangs in den Napoleonischen Kriegen und der wunderbaren Wiederauferstehung
seit 1813 stand. Und wenn man berücksichtigt, daß Kuglers Text aus dem Jahre 1846
stammte,5 einer Zeit also, in der sich einer unruhiger werdenden Öffentlichkeit bereits
die kommende Revolution ankündigte, so scheint auch der Gedanke nicht weit herge-
 
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