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EINLEITUNG

Die Gruppe der oberrheinisdien Flachdeckbasiliken
hat in der bisherigen Literatur über die Bettelordens-
architektur noch keine zusammenhängende Darstellung
erfahren1. Aus dieser Gruppe sind die elsässischen Bau-
ten bisher so gut wie unbekannt geblieben. Bei Kraut-
heimer, der sich auf das frühere Reichsgebiet be-
schränkt, wird aus dem eigentlichen oberrheinischen
Typus nur die Freiburger Franziskanerkirche behan-
delt und auf die Zusammengehörigkeit mit den
elsässischenBauten (die Krautheimer selbst nicht kannte)
kurz hingewiesen; die Schweizer Kirchen werden nicht
herangezogen. In der Arbeit von Oberst - nur einer
sorgfältigen Materialsammlung ohne eigentliche Frage-

stellung - sind allein die Sdiweizer Bauten behandelt,
ohne daß die Beziehungen zu den reichsdeutschen und
elsässischen Bettelordenskirchen erwähnt würden. Die
Zusammengehörigkeit der oberrheinisdien Bauten2 und
ihre Bedeutung für die deutsche Bettelordensarchitektur
ist noch aufzuzeigen und bildet die Aufgabe dieser
Arbeit. Die Beschränkung auf die flachgedeckten Basi-
liken ergibt sich aus der fast uneingeschränkten Herr-
schaft dieses Typus im Oberrheingebiet, der für die
dortige Bettelordensarchitektur allein entscheidend ist.
Die wenigen einschiffigen Saalkirchen und der einzige
Gewölbebau dieser Landschafl werden nur gelegentlich
herangezogen.

I. Die Anfänge der Bettelordensarchitektur im Oberrheingebiet

io Die Konstanzer Dominikanerkirche1 ist der
bedeutendste Bau in einer Gruppe früher, vor der
Mitte des 13. Jahrhunderts entstandener Bettelordens-
basiliken im Oberrheingebiet. 1236 erfolgte die Pacht
der Insel, bald darauf wurde mit dem Kirchenbau be-
gonnen2, doch zog sich die Vollendung, dem Fenster-
maßwerk des Obergadens und der Westfassade nach,
bis in die siebziger Jahre hin3.

11, 12 Die Kirche ist eine flachgedeckte Säulenbasilika von
außerordentlicher Tiefenerstreckung. Die festen, stäm-
rnigen Säulen des zehnjochigen Langhauses zeigen eine
völlig romanische Form: In der Bildung des Sockels
und der mit Ecksporn gezierten Basis, in dem acht-
seitigen, übereckgestellten Würfelkapitell mit zwei
Schilden und der stark ausgebildeten Deckplatte folgen
sie aufs engste der Säulenform von St. Georg in Stein
am Rhein aus der zweiten Hälffce des 11. Jahrhunderts,
enger als der Form im Konstanzer Münster, wo das
achtseitige Würfelkapitell nicht übereck gestellt ist und
nur einen Schild besitzt4. Die Säulen trägen schwere,
spitzbogige Arkaden, die in ihrem unprofilierten, ein-
fach reditwinkligen Einschnitt in die Obergadenmauer
deren ganze Mächtigkeit und Last verdeutlichen. Erst
hoch oben wird die Mauer durch kleine zweiteilige
Spitzbogenfenster durchbrochen. Die Grenze zwischen

Arkaden- und Obergadenzone bezeichnet wie im Kon-
stanzer Münster und in Stein ein durchlaufendes Ge-
sims, wie es in der Hirsauer Architektur gebräudilich
ist. Chor und Langhaus wurden durch einen spitzbogi-
gen Triumphbogen und von Anfang an auch durch
einen Lettner geschieden5. Der sehr lange Chor von
sieben Fensterachsen schließt entsprechend seiner flachen
Dedce im Osten grade ab, seitlich wird er von etwas
kürzeren, gleidifalls rechteckigen sehr niedrigen Neben-
kapellen begleitet, die nach dem Langhaus hin völlig
abgeschlossen waren und nur nach dem Hauptchor
einen schmalen Zugang besaßen6. Neben Erinnerungen
an das alte, im Bodenseegebiet beliebte Chorkammern-
schema7, wie es das Konstanzer Münster zeigt, spielt in
der Konstanzer Dominikanerkirche der Gedanke der
geschlossenen Chorkapellen, wie sie in der hirsauischen
Architcktur öfter begegnen, eine entscheidende Rolle8.
Solche Chorkapellen waren grade auch am Chor von
Stein vor dem Umbau von 1583 vorhanden9.

Bei einer so weitgehenden Anlehnung an heimisch-
romanische Architektur zeigt sich das Eigene dieser
frühen Bettelordenskirche zunächst in der gewaltigen
Tiefenerstreckung: Die Dominikanerkirche übertrifft
das bischöfliche Münster noch um ein Joch10. Dazu tritt
die klare Geschlossenheit, Wucht und Einfachheit des

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