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wieder43 (vgl. für die Strebepfeiler auch den Chor
der Friesadier Dominikanerkirche ab 1265, Donin
Abb. 145). Auch die Formen des Inneren entsprechen
dem überlieferten Datum. Die Kapitelle mit den er-
starrten Blüten auf bänderartigen Stengeln finden sich
häufig in dieser Zeit (Straßburg, Münster, nordöstliches
Seitenschiff; Straßburg, St. Thomas, Vierung; Kolmar,
St. Martin u. a.)44. Die Art der Verbindung zwischen
Gewölbe und Pfeiler ist eine spezifisch zisterziensische:
Der Gewölbedienst setzt auf dem Pfeilerkämpfer auf,
wird aber unter diesem noch einmal ausdrücklich von
einer Konsole gestützt (vgl. Tennenbach, etwa 1190
bis i23o)45. InTennenbach begegnenauchüberraschend
ähnliche Konsolen46, etwa die aus einfachen Lanzett-
blättern gebildeten, eine Form, wie sie auch in der
Minoritenkirche von Stein in Niederösterreich (Donin
Abb. 384) wiederkehrt. Zur Zeit der Chorwölbung
wurde auch der romanische Triumphbogen - der der
Pfeilerform zufolge vorhanden gewesen sein muß -
durch einen gotischen ersetzt. Dieser ist heute vom
Langhaus aus nicht mehr sichtbar, sondern nur noch
auf der Ostseite der jetzigen modernen Triumphbogen-
wand47 zu erkennen. Er ist wenig herabgezogen und
entspricht in seiner Höhe dem Chorgewölbe.

Für eine Beurteilung dieser frühen Gruppe von
Bettelordenskirchen ist die Frage nach ihrem Verhältnis
zu den Bauten, von denen sie ausgehen, von entschei-
dender Bedeutung. Krautheimer nimmt gerade die
11 Säulenform der Konstanzer Dominikanerkirche, die an
die des dortigen Münsters anschlösse, als Beweis für
einen bewußten »Rückgriff der Bettelorden auf Vor-
romanisches« und lehnt eine Bezeichnung der Domini-
kanerkirche als »noch spätromanisch« ausdrücklich ab.
Nun war ein solcher Rüdkgriff in den übrigen Bauten
der frühen Gruppe nirgends nachweisbar; vielmehr
stellte sich gerade für diese Kirchen der Anschluß an
die romanische Tradition der flachgedeckten Pfeilcr-
basilika heraus, die bis ins 13. Jahrhundert hinein im

südwestdeutschen Gebiet durchaus lebendig war48. Die-
ser Anschluß an die heimische romanische Tradition
sowie das häufige Vorkommen spätromanischer For-
men bei den Bettelorden noch nach der Jahrhundert-
mitte (s. Kap. II, Würzburg, Rufach, Freiburg i. Ü.)
beweisen nur die Ablehnung, mit der die neuen Orden
dem künstlerischen und sakralen Charakter der Hoch-
gotik gegenüberstanden, und vor der sie die zwar rück-
ständigen, jedoch noch lebendigen Formen der heimi-
schen Romanik bevorzugten. So können die Gründe
für die Anlehnung der Konstanzer Dominikanerkirche
an die Säulenform in Stein und im Münster nicht in
einem bewußten Rückgriff auf Vorromanisches gesucht
werden49. Aber auch der Hinweis auf die lokale Tra-
dition50 genügt nidit, denn die reichen staufischen For-
men des Basler und Züridier Münsters wurden von
den dortigen Bettelorden nidit zum Vorbild genom-
men. Vielmehr muß der hirsauische Charakter des
Konstanzer Münsters und der Steiner Georgskirche
ausschlaggebend gewesen sein, ihre strenge Schlichtheit,
die der neuen Haltung der Bettelorden entgegenkam
- wie man sich ja auch in der Choranlage an die Lö-
sungen des alten Reformmönchtums anschloß. Denn
die jungen Orden besaßen noch keine eigene Tradition,
sie mußten Vorbilder wählen; so nahmen sie neben der
Architektur der — gerade im südwestdeutschen Gebiet
ehemals besonders mächtigen - Hirsauer auch die in
der Landschaft heimischen romanischen Pfeilerbasiliken
und die Baukunst der Zisterzienser zum Ausgangs-
punkt. In ihren frühen Kirchen spielen diese Vorbilder
noch die entscheidende Rolle; das Eigene und Neue hat
noch keine wirkliche Gestalt gewonnen, da dia über-
nommene romanische Formensprache trotz Recuktio-
nen und Neuansätzen noch nirgends ernstlich inl Frage
gestellt ist. Nur in den Außenbauten (Konstanz,' Domi-
nikanerkirche; Zürich, Franziskanerkirche) kündet sich
eine eigene Welt schon überraschend kühn und groß-
artig an.

II. Die Ausbildung eines oberrheinischen Typus nach der Mitte des 13. Jahrhunderts

1. Die Basilika mit Rundpfeilern

Den Anstoß zu einer ganz neuen Entwicklung erhielt
die oberrheinische Bettelordensarchitektur durdi einen
Bau, der, außerhalb des Oberrheingebietes gelegen,
dennoch in die Baukunst dieser Landschaft einbezogen
werden muß, da nur hier die entscheidenden Neuerun-
gen, die er bringt, aufgenommen und fortgesetzt wer-
16 den: Die Würzburger Franziskanerkirche*. Sie
wurde mit dem Chor 1250 begonnen, der Bau des
Langhauses folgte von etwa 1257 ab und zog sich bis
um 1290 hin2.

Das Neue des Langhauses gegenüber der frühen
Gruppe betrifft vor allem die Raumverhältnisse: Der
Obergaden ist zugunsten der hohen Arkaden stark
reduziert, die Seitenschiffe erreichen eine beträchtliche

Höhe, die sie nun für den Raum selbst von Bedeutung
werden läßt, während sie bisher vor dem Mittelschiff
völlig zurücktraten. Zwar ist der ursprüngliche Raum-
eindruck durch die Vermauerung der Okuli und die
Wölbung des 17. Jahrhunderts, die niedrig und lastend
über den Schiffen liegt, sehr verändert, dodh kann man
mit Hilfe des Längsschnitts (Inventar S. 181) und des
alten Querschnitts von 1574 (Krautheimer S. 65) eine
Vorstellung von den ursprünglichen Proportionen ge-
winnen. — Trotz der Weiträumigkeit des Innern fehlt
alles Gesdimeidige und Gleitende; vielmehr rufen die
stämmigen, geraden, aus Quadern aufgemauerten
Rundpfeiler mit ihren kräftig und exakt gebildeten
Einzelheiten: der großen quadratisdien Fußplatte mit
dem achtedcigen Sockel, den strammen, völlig schwel-
lungslosen Schäften, den kargen Kapitellen, den ein-

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