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eigentümlich hart und starr erscheint, zumal die Strebe-
pfeiler völlig ungestuft sind und ein umkröpfendes
Gesims fehlt. Auch die Entliiftungslöcher, immer zwei
symmetrisch zu einem Fenster sitzend, betonen in ihrer
Anordnung die Abgeschlossenheit der einzelnen senk-
rechten Streifen.

Der Bau des Langhauses, um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts begonnen, scheint außerordentlich langsame
Fortschritte gemacht zu haben. Architektur und Plastik
des Siidportals2 weisen auf die Zeit um 1360, doch
wurde noch 1412 gebaut3. Ob es sich hierbei um immer
noch nicht abgeschlossene Bauarbeiten handelt oder um
eine umfassende Restauration (was bei einem erst vor
so kurzer Zeit entstandenen Bau unwahrscheinlich ist),
67 ist nicht zu entscheiden. — Das Langhaus von fünf
Jochen zeigt kräftige niedrige Rundpfeiler, aus denen
die sehr weiten Arkadenbögen mit dreiseitigem, ganz
glatten Profil (vgl. Weißenburg, Dominikanerkirche)
kämpferlos herausschneiden. Darüberbeginntein hoher
Obergaden (heute erscheint er durch das Gesims, auf
dem die Barockwölbung ruht, die 1740-1777 eingezo-
gen wurde, niedriger als es ursprünglich der Fall war),
in dem oben kurze zweiteilige Spitzbogenfenster sitzen.
Es ist die gleiche schwere und leblose Anlage, wie sie
die Züricher Augustinerkirche zeigte4, nur daß deren
Achteckpfeiler im elsässischen Bau durch die in dieser
Landschaft ausschließlidi üblidien Rundpfeiler ersetzt
werden5.

Alle Formen in Rappoltsweiler sind außerordentlich
hart, am auffälligsten das Arkadenprofil, ferner die
Sockel der Rundpfeiler, die quadratisch, nicht wie
üblidi durch Kehlung ins Achteck überführt werden,
sondern durch einfach schräges Abschneiden der Kan-
ten. Ebenso hart springt die Basis über den Sockel vor.
Diesem Charakter entspricht auch die sehr willkürliche
Anordnung der breiten, dreiteiligen Seitenschiffenster
auf der südlichen Schauseite, die keine Rücksicht auf
die Jochteilung nehmen.

Weniger derb als in Rappoltsweiler wird die Rund-
pfeilerbasilika mit hohem Obergaden im Langhaus der
Basler Dom inikanerkir ch e6 fortgeführt, das
nach dem Erdbeben von 1356 entstand7. In Höhe und
Weite der Arkaden hielt man sich hier an das Ostjodi
des alten Langhauses, das das Erdbeben überdauert
hatte und in das neue Langhaus einbezogen wurde.
Dagegen ersetzte man die altertümliche Form des qua-
dratischen Pfeilers durch schlanke Rundstützen, gegen
deren glatten Pfeilerstamm die gleichmäßige Rillung
des Arkadenprofils duroh Hohlkehle, die an Stelle des
üblichen, weicheren Wulstprofils getreten sind, einen
sehr betonten Kontrast bilden und das Scharfe und
Gespitzte des Bogens unterstreichen. Dem entspricht
auch, daß an Stelle der unfestenOkulusform nun zwei-
teilige Spitzbogenfenster im Obergaden verwendet
werden, die der Wand, entsprechend der Arkadenzone,
etwas Straffes und Präzises geben, ein Charakter, in
dem das Eigene dieses im ganzen so traditionellen Rau-
mes beruht. — Gerade in derBaslerDominikanerkirdre,
wo die Kreisform der Fenster durch das erhaltene Ost-
joch des altes Baues so nahegelegt war, ist die Abnei-

gung des 14. Jahrhunderts gegen diese spannungslose,
jede Beziehung ablehnende Okulusform besonders
deutlich. Der letzte große Bau, in dem Okuli verwen-
det wurden, war das Langhaus der Freiburger Franzis- 26
kanerkirche, doch waren sie hier bereits, entsprechend
der Richtung des 14. Jahrhunderts, auf stärkere Straf-
fung, in große Spitzbogenblenden eingespannt.

Nur in einem Bau, der deutlidi Beziehungen zu Frei-
burg aufweist, treten Okuliformen noch in der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts auf: In der Claris-
sinnenkirche von Basel^, die gleichfalls nach dem
Erdbeben von 1356 entstand9. Von der heutigen Clara-
kirche nimmt dieser Bau nur die fünf Westjoche ein;
die vier östlichen sowie der Chor sind eine Erweite-
rung der alten Kirche von 1857-185910, der alte Chor
wurde schon 1531, bei der Erbauung der Clarabastion,
abgebrodien11.

Das Innere folgt mit den sehr dünnen, hohen Rund- 60
pfeilern, den außerordentlich weiten Arkaden und der
sdiwachen, scheibenartig dünnen Obergadenwand nidit
so sehr dem im Schweizer Gebiet üblichen, viel gedrun-
generen und festeren Typus (Bern, Dominikanerkirche;

Basel, Dominikanerkirdie), sondern ist in der Leichtig- ji, 14
keit der an Holzarchitektur erinnernden Stützen und
Wände nur mit der Rufacher und Freiburger Franzis- 22, 26
kanerkirche vergleichbar; auch die auffällige Höhe der
Seitenschiffe erinnert an diese Bauten. Doch sind in
St. Clara einige sehr eigentümliche Neuerungen vor-
genommen. Die Okuli des Obergadens sind zu ganz
kleinen, runden öffnungen reduziert, die, dicht unter
der Decke sitzend, eher als Luken denn als Fenster an-
zusprechen sind; es scheint, daß selbst ein Okulus, die
bescheidenste Form des Fensters, in dieser Nonnen-
kirdie schon zu viel Gewicht und Pathos besitzt. Wie
eine Reihe der kleinen Entlüftungslöcher, die so häufig
an Bettelordenschören auftreten, wirken diese öffnun-
gen, die zu der Arkadenzone in gar keiner Verbindung
stehen, und gerade so das seltsam Spannungslose und
Leidite desRaumes hervorrufen.-Ebensoeigentümlich
ist die Pfeilerform. War in der ganzen vorausgehenden,
großen Zeit der Bettelordensarchitektur das Heraus-
schneiden des gekehlten, gefasten oder wulstförmigen
Arkadenprofils aus dem glatten Rundpfeilerstamm
nicht als störend empfunden worden, so wird in diesem
späten Bau der Versuch gemacht, Pfeiler und Arkaden-
bogen völlig zu verschmelzen, wie es beim Achteck-
pfeiler schon im 13. Jahrhundert (Schaffhausen, Fran- 24
ziskanerkirche) geschehen war. Der Pfeiler, der, wenn
vollrund, im Durchmesser etwas stärker wäre als die
Obergadenmauer, wird an den vier Hauptrichtungen
schwach abgeflacht, so, daß die Verlängerung der
Obergadenmauer nach unten - beziehungsweise auf
der Innenseite die Verlängerung des Mittelteils des
Arkadenprofils — seine vordere Rundung abschneidet.

Selbst die Basis macht die so entstandene Grundriß-
form des Pfeilers mit. Während im Fortfall von Kapi-
tell und Basis sdhon früher die Eigenständigkeit des
Pfeilers aufgehoben war, wird nun hier auch das letzte,
was ihn als eigcnen Körper von der Wand sdhied: seine
Rundform, angegriffen.

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