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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 9.1932

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Nr. 1 (Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43625#0017
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
IX. Jahrgang
Erstes Heft Januar 1932

Der Dichter und die Gegenwart’5
Von Felix Braun
KJ un werden es bald fünfundzwanzig Jahre, daß Hugo von Hof-
mannsthal seinen berühmten Vortrag „Der Dichter und diese
Zeit“ verfaßte, jenen strahlenden Essay, darin das Schönste über
das Dichtertum von vielen Seiten möglicher Betrachtung her zu-
sammengerufen und mitten in der Rede das Bild gefunden wurde:
der ergreifende Vergleich des Dichters mit dem unerkannt Heim-
gekehrten, der unter der Stiege seines eigenen Hauses wohnt. Der
Dichter wird als der von dem Wahn und Zwang Beherrschte ge-
zeigt, alles, was Welt und Zeit ihm bieten, seinem Geist einordnen
zu müssen, und solcher Arbeit scheint eine gewisse Unsterblichkeit
verbürgt: denn wie auch der Wandel und Wechsel der Umwelten
und Zeitläufte, der Himmelsumschwünge und der Veränderungen
der menschlichen Gesittungen und Auffassungen mit ihm verfahre:
eben das, was im Augenblick ist, wird ihm zufallen, seine heimliche
oder offenbare, glückliche oder unselige Beute, aus der er freilich
die Gestalt wird gewinnen müssen, aber — und hier fragen wir
anders als der Dichter der „Terzinen über Vergänglichkeit” — mit
welcher Gnade?
In seiner „Geschichte der Stadt Athen“ erzählt Ferdinand Gre-
gorovius von einem aus Byzanz in das ganz verödete Attika ent-
sandten gelehrten Bischof, der, wenn er in der Kirche den Namen
Homers rühmte, keines Zuhörers gewiß sein konnte, in dessen Seele
ein Ahnen von der Größe dieses Namens erwidert hätte. Aber nie
mehr ist aus diesem Boden der Homeride erstanden, auf dem auch
nur des alexandrinischen Geistes ein Hauch gewesen wäre. Ich ver-
gesse nicht eines Gesprächswortes Hans Carossas, da er und ich

*) Felix Braun, der österreichische Dichter, Professor an der Univer-
sität Palermo, ist unseren Lesern als Mitarbeiter bekannt, Sein obiger Auf-
satz ist ein Referat anläßlich der Deutsch- Nordischen Woche in
Lübeck, auf die unser Doppelheft Bezug nahm. Die Arbeit erschien zur Zeit
in den „Hamburger Nachrichten'", Wir halten sie für so wertvoll, ergreifend
und wahrhaftig, daß wir uns keine bessere Einführung in den neuen Jahrgang
denken können. Die Herausgeber,

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