Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 9.1932

DOI Heft:
Nr. 9 (September)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43625#0533
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
IX. Jahrgang
Neuntes Heft September 1932

Ursprache)
Von Luise Dumontf
Herr Doktor . . . .
lassen Sie mich ohne Form und Umstände zu Ihnen sprechen; ich
kenne Sie nicht, aber Ihr Wort Ekstatisches Theater hat
meine Seele ergriffen. Diese Bewegung einer totgeglaubten Hoff-
nung fordert Ausdruck, wie Ihr Wort Bestätigung verlangt.
Es gehört zu den Wundern dieser scheinbar so hoffnungslosen
Zeit, daß Bild und Begriff Ekstatisches Theater jetzt er-
scheinen konnten. Es ist Gewähr und Gewißheit, daß deutsches
Theater und damit deutsches Leben noch eine Zukunft haben.
Mein Zuruf möchte allen Lebensatem an sich ziehen, um als
lebenspendende Kraft Ihr Schauen in wirkende Tat zu wandeln.
Zum ersten Male in der ganzen Kampfzeit harter auf das von
Ihnen geschaute Ziel hingerichteten Arbeit strahlt
der Begriff Ekstatisches Theater zum Wort verdichtet
mit der Ahnung seiner ganzen Heilsfülle mir entgegen; und so blüht
aus dem Scheintod, in den Verzweiflung jede Hoffnung versenkte,
neu der Glaube auf: der heilige Leib des Theaters, das brennende
Sehnsucht schaute, wird aus den dunklen Stunden deutscher Not
der Herzen und Seelen jetzt endlich geboren.
Aber nicht nur, um Ihnen ein belebendes Wort der Zustimmung
zuzurufen, spreche ich zu Ihnen, Ich möchte vielmehr versuchen,
aus dem Ergebnis einer Lebensarbeit den Weg, der zu dem Ek-
statischen Theater hinführen kann, aufzuzeigen; er schloß
sich mir von Beginn meiner Berufszeit an bis zu ihrer Unterbrechung
durch äußere Not immer leuchtender auf: früh nur instinktiv ge-
wußt — später im Verlauf harter und langer Kampf arbeit mit dem
Vollbeweis jeder logischen Begründung besiegelt.
Wir alle wissen es: das deutsche Theater ist nach seinen kul-
tischen Höhepunkten, die es zweimal hatte: den germanischen
Götterspielen in vorchristlicher Zeit — den Mysterienspielen im
Mittelalter (beide gleich dem griechischen Theater Mittelpunkt
alles kultischen Lebens), in grauenhafter Weise entartet und ver-
*) Brief an Felix Emmel für „Das ekstatische Theater“, Verlag Kamp-
mann & Schnabel, Berlin,

1

481
 
Annotationen