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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 9.1932

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Nr. 6 (Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43625#0367
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
IX. Jahrgang
Sechstes Heft Juni 1932

Louise Dumont: Ihr Vermächtnis
Von Friedrich-Carl Kobbe
Der Theaterwinter 1931/32 ist kein Vergnügen gewesen. In einem
wesentlichen Streitpunkt aber hat er Klarheit geschaffen: er hat
gezeigt, wo die Theaterkrise ihren Herd hat. Für diese Krise
hat man nach- und durcheinander die Wirtschaftslage und die Politik,
den Tonfilm und das Radio, die Dramatiker und die Kritiker verant-
wortlich gemacht. Schließlich hat man, nicht ohne Überraschung,
feststellen müssen, daß es sich nur in den Nebenwirkungen um eine
Theaterkrise, in der Hauptursache aber um eine Krise des Systems,
nämlich um eine Theater 1 e i t e r krise handelt. Von diesen so-
genannten Leitern, die das Vorhandensein einer Krise zunächst
geleugnet, später aber ihre Bedeutung maßlos übertrieben haben,
sind die Karten mittlerweile mit einer fast heroischen Schamlosigkeit
aufgedeckt worden: das Bild, das sich am Ende dieses Winters
bietet, ist erschütternd.
In Berlin hat Reinhardt sein Deutsches Theater verlassen, und die
repräsentative Staatsbühne wird „bis auf weiteres“ von einem alten
Schauspieler in Gang gehalten. In Wien ist das Burgtheater in
Röbbelings Hände gefallen, und das Deutsche Volkstheater hat
einen kleinen Bonvivant als neuen Herrn begrüßen müssen. Dies
Quartett ist symptomatisch. Denn der Rest, in beiden Städten und
in der Provinz, ist bis auf ein paar Ausnahmen — die wirtschaftlich
nicht können, wie sie künstlerisch wollen — Mittelmaß und
Schweigen. Nur an den Polen zeigt sich Leben im verkalkten
Führerorganismus: in München hat und hält man Otto Falckenberg,
in Hamburg Erich Ziegel, Im Osten steht auf Außenposten der
jüngere Jeßner, und im Westen — im Westen stand die große, die
geniale Frau, stand Louise Dumont, die mit siebzig Jahren,
aber viel zu früh gestorben ist,
Im Westen war, nach jahrzehntelanger Vorbereitung, der Plan
herangereift, in der politischen und Handelsmetropole, in Köln, ein
Zentrum deutscher Schauspielkunst zu schaffen. Ein „Deutsches
Theater am Rhein“ sollte erstehen, und die Persönlichkeit
der Frau, die eine Kämpferin und Führerin war, gab die Gewähr,
daß dieser Name nicht nur ein Programm bleiben würde. Nichts
kann Louise Dumonts einzigartige Bedeutung tragischer belegen als

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