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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 9.1932

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Nr. 9 (September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43625#0549
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berufstauglich macht. Er wäre ein unzufriedener Geist, wenn er
sich nicht auf solche Weise auswirken könnte.
Für den Beruf des Mimen kommen gewiß viele Typen von
Menschen in Betracht, einige aber sind ganz offenbar bevorzugt.
Daß der Bewegungsmensch, der motorische Charakter,
vor dem Augen- und Ohrenmenschen den Vorzug hat, ist selbst-
verständlich, Dem Wesen des Motorischen steht am nächsten das
Temperament, ja, es wird vielfach mit ihm identisch sein:
es kann wohl als wichtigste Voraussetzung für den Mimen bezeich-
net werden, Im Temperament entfaltet sich am glücklichsten die
Kardinaltugend des Mimen, die Leidenschaft, Wir führten
oben aus, daß der bewußte Mensch als Schauspieler entschieden
größere Möglichkeiten hat als der gefühlsmäßige; das steht zum
Temperament und zur Leidenschaft noch nicht in Widerspruch,
denn das Bewußtsein muß ja Impulse keineswegs hemmen, ob-
gleich es das in besonderen Fällen kann; aber es soll ihnen doch
erst das sichern, worauf es hier einzig ankommt, den gestalterischen
Ausdruck, Nun ist jedoch das Bewußtsein im künstlerischen Men-
schen nie isoliert, nie nur Erkentnis und Wachheit: schöpferische
Macht wird es erst in seiner unruhigen Verbindung mit Phantasie
und Intuition, Das Zusammenwirken solcher divergenten Kräfte
erst gibt der schauspielerischen Leistung ihren Grundzug,' sie bleibt
immer ein Abenteuer, ein Spiel: dem allerdings muß der
Darsteller als Natur entsprechen.
Wie nahe läge es nun, zu behaupten, daß im allgemeinen die
leichtere Natur geeigneter sei als die schwere, um so mehr, als
sie selbstverständlich häufiger vorkommt, Im Volksmunde gilt der
Mime als eine sehr leichte Natur, Aber schon Choricius*) betont
ausdrücklich, es gebe Mimen, bei denen der Ernst von Anfang an
vorwiege, Hagemann**) hält eine möglichst gleichmäßige, im Grunde
daseinsfreudige und leichtsinnige Gemütsverfassung für vorteilhaft,
auch weil nur der ,,frei-froh-frisch gestimmte Künstler eine erlösende
Wirkung zu erzielen und den Menschen am Menschlichen zu packen
vermag,“ Ich kann hier nicht folgen. Die leichte Natur hat gewiß
größere Beweglichkeit, aber ihr fehlen doch die Untergründe
allzusehr.
Daß jeder Darsteller von sich aus nur einen bestimmten Bereich
besitzt, ist eine Sache für sich; die Praxis hat so schon aus den
natürlichen Grenzen amtliche gemacht, und zwar durch den Begriff
des Faches, Das Fach teilt ein in den jugendlichen Helden und
Liebhaber, den Charakterspieler und Intriganten, den Bonvivant,
den schweren Helden, den Väterdarsteller; die naive, muntere Lieb-
haberin, die Soubrette, die Heroine, die Charakterspielerin, die
Salondame, die Anstandsrolle, Mutter und komische Alte; das Fach

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*) a, a, 0,
“) Schauspielkunst, S. 123 f.

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