L Die Kunstgeschichte des Klosters Reichenau im 9. und 10. Jahrhundert. 3
ausdrücklich besagen, daß er der Gründer der Klosterschule ist, so darf er
füglich diesen Ruhm für sich in Anspruch nehmen, wie sich aus der Tatsache
ergibt, daß unter ihm der berühmte Bibliothekar Reginbert die große Bibliothek
anlegte, der uns auch über ihre allmähliche Entwicklung durch wertvolle Inventarien
unterrichtet1. Wo man mit so leidenschaftlichem Eifer Bücher sammelte und
abschrieb wie zu Reichenau unter Abt Waldo, muß eine große Unterrichts-
anstalt bestanden haben 2.
Auch Hatto I., der nach Waldos Übersiedlung nach St-Denis 806 sein Nach-
folger in Reichenau wurde, stand bei Kaiser Karl in <rroßer Gunst und wurde
von ihm 811 mit einer politischen Sendung nach Konstantinopel betraut. Ist
Waldo der Begründer der wissenschaftlichen Blüte der Au, die jetzt zur Augia
dives, clara, sublimis, felix, regalis wird, so dürfen wir in Hatto I. den Mann
beerüßen, welcher der christlichen Kunst auf der cjesecrneten Insel eine
Heimstätte bereitet hat. Ich versuche im folgenden, die reichenauische Kunst-
geschichte im 9. und 10. Jahrhundert kurz darzulegen, schon aus dem Grunde,
um für die Beurteilung der neuentdeckten Wandgemälde ein sicheres Fundament
zu gewinnen.
2. Die Kirchenbauten auf der Reichenau3.
'V/rxN ESCHEIDEN und einfach war gewiß das Kirchlein Pirmins in
l2>Q1>v6 Mittelzell, und wenn Hatto I. unmittelbar nach seiner Rückkehr
r-rr>r£Ok aus Konstantinopel daran ging, dasselbe durch einen Neubau zu
Jv^=S?x ersetzen, so mochte ihn der Anblick der Prachtkirchen der Haupt-
Stadt Ostroms in diesem Vorsatz bestärkt haben. Nicht als ob
er diese in ihren äußeren Formen hätte nachahmen wollen; ich will damit nur
sagen, daß Hatto ganz gewiß einen monumentalen Bau, und nicht etwa eine
Holzkirche errichtete, wie man vermutet hat. Die Mittel dazu hat ihm Kaiser
Karl selbst, vielleicht als Belohnung für die Mission nach Byzanz, in der 813
erfolgten Schenkung des königlichen Dorfes Ulm sfewährt. Wenn die Urkunde,
die uns davon Nachricht gibt, auch in der vorliegenden Form gefälscht ist,
so ist an der Tatsache selbst doch nicht zu zweifeln 4. Ist von dem Bau Hattos
1 Vgl. Watte n b a c h , Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I 7, Herlin 1904, 275, und Neugart,
Ep. Const. I 536—552.
2 Der ganze Bericht Ohe ms über Waldo (Brandi 41 —42) handelt eigentlich nur über Erwerbung von Büchern.
3 Vgl. zu diesem Abschnitt: F. Adler, Baugeschichtliche Forschungen in Deutschland. I: Die Kloster-
und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau, Berlin 1870; J. X c u w i r t h , Die Hautätigkeit der alamannischen
Klöster St Gallen, Reichenau und Beiershausen, Wien 1884 (besonders abgedruckt aus den Sitzungsberichten
der phil. hist. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, CVI); Kraus, Die Kunstdenkmäler des Groß-
herzogtums Baden. I. Bd.: Kreis Konstanz, Freiburg i. B. 1887, 325 ff.
* Vgl. Brandi, Die Reichenauer Urkundenfälschungen II. Siehe dagegen Mollvo, Ulm und die
Reichenau: Zeitschrift für die Oeschichte des Oberrheins, N. F. XX 552 ff.
1 *
ausdrücklich besagen, daß er der Gründer der Klosterschule ist, so darf er
füglich diesen Ruhm für sich in Anspruch nehmen, wie sich aus der Tatsache
ergibt, daß unter ihm der berühmte Bibliothekar Reginbert die große Bibliothek
anlegte, der uns auch über ihre allmähliche Entwicklung durch wertvolle Inventarien
unterrichtet1. Wo man mit so leidenschaftlichem Eifer Bücher sammelte und
abschrieb wie zu Reichenau unter Abt Waldo, muß eine große Unterrichts-
anstalt bestanden haben 2.
Auch Hatto I., der nach Waldos Übersiedlung nach St-Denis 806 sein Nach-
folger in Reichenau wurde, stand bei Kaiser Karl in <rroßer Gunst und wurde
von ihm 811 mit einer politischen Sendung nach Konstantinopel betraut. Ist
Waldo der Begründer der wissenschaftlichen Blüte der Au, die jetzt zur Augia
dives, clara, sublimis, felix, regalis wird, so dürfen wir in Hatto I. den Mann
beerüßen, welcher der christlichen Kunst auf der cjesecrneten Insel eine
Heimstätte bereitet hat. Ich versuche im folgenden, die reichenauische Kunst-
geschichte im 9. und 10. Jahrhundert kurz darzulegen, schon aus dem Grunde,
um für die Beurteilung der neuentdeckten Wandgemälde ein sicheres Fundament
zu gewinnen.
2. Die Kirchenbauten auf der Reichenau3.
'V/rxN ESCHEIDEN und einfach war gewiß das Kirchlein Pirmins in
l2>Q1>v6 Mittelzell, und wenn Hatto I. unmittelbar nach seiner Rückkehr
r-rr>r£Ok aus Konstantinopel daran ging, dasselbe durch einen Neubau zu
Jv^=S?x ersetzen, so mochte ihn der Anblick der Prachtkirchen der Haupt-
Stadt Ostroms in diesem Vorsatz bestärkt haben. Nicht als ob
er diese in ihren äußeren Formen hätte nachahmen wollen; ich will damit nur
sagen, daß Hatto ganz gewiß einen monumentalen Bau, und nicht etwa eine
Holzkirche errichtete, wie man vermutet hat. Die Mittel dazu hat ihm Kaiser
Karl selbst, vielleicht als Belohnung für die Mission nach Byzanz, in der 813
erfolgten Schenkung des königlichen Dorfes Ulm sfewährt. Wenn die Urkunde,
die uns davon Nachricht gibt, auch in der vorliegenden Form gefälscht ist,
so ist an der Tatsache selbst doch nicht zu zweifeln 4. Ist von dem Bau Hattos
1 Vgl. Watte n b a c h , Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter I 7, Herlin 1904, 275, und Neugart,
Ep. Const. I 536—552.
2 Der ganze Bericht Ohe ms über Waldo (Brandi 41 —42) handelt eigentlich nur über Erwerbung von Büchern.
3 Vgl. zu diesem Abschnitt: F. Adler, Baugeschichtliche Forschungen in Deutschland. I: Die Kloster-
und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau, Berlin 1870; J. X c u w i r t h , Die Hautätigkeit der alamannischen
Klöster St Gallen, Reichenau und Beiershausen, Wien 1884 (besonders abgedruckt aus den Sitzungsberichten
der phil. hist. Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, CVI); Kraus, Die Kunstdenkmäler des Groß-
herzogtums Baden. I. Bd.: Kreis Konstanz, Freiburg i. B. 1887, 325 ff.
* Vgl. Brandi, Die Reichenauer Urkundenfälschungen II. Siehe dagegen Mollvo, Ulm und die
Reichenau: Zeitschrift für die Oeschichte des Oberrheins, N. F. XX 552 ff.
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