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Grimm, Herman [Oth.]
Über Künstler und Kunstwerke — 1.1865

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No. IX/X (September/October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.47238#0187
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UBER KÜNSTLER UND KUNSTWERKE

VON
HERMAN GRIMM.

No. IX. X. September. October. 1865.

Die in Wien erscheinenden ‘Recensionen und Mittheilungen
über bildende Kunst’ enthielten in No. 23 und 24 des dritten Jahr-
ganges folgenden Aufsatz:
MICHELANGELO’S STATUEN DER MEDICAEER
VON C. SCHNAASE.
In Herman Grimm’s geistvollem ‘Leben Michelangelo’s’
ist, wie die Leser dieses Blattes mindestens durch die Anzeige
No. 3 des v. J. wissen, die Ansicht aufgestellt, dafs die berühmten
Statuen des Giuliano und Lorenzo zu Florenz ihre bisherige Benen-
nung mit Unrecht und nur durch eine Verwechselung Vasari’s führ-
ten und das angebliche Bild des Lorenzo vielmehr den Giuliano dar-
stelle und umgekehrt. Der Verfasser gelangt zu dieser Ansicht nicht
etwa durch neu entdeckte Inschriften oder Urkunden, sondern aus
innern Gründen. Die beiden Gestalten, wie sie Michelangelo
geschaffen, bilden (dies ungefähr ist sein Gedankengang) einen ent-
schiedenen, pikanten Gegensatz. Sie sind beide sitzend und in der
Tracht spätrömischer Feldherren dargestellt, aber der eine mit auf-
recht gehaltenem Oberkörper, frei umherblickend, in leichter, zum
raschen Aufstehen geeigneter Haltung, durchaus rüstig, kühn, jugend-
kräftig; der andere dagegen ruhig nachsinnend, mit etwas gesenktem,
durch den linken Arm gestütztem Haupte, mit dem Zeigefinger leicht
den Mund berührend, die Beine ein wenig gekreuzt, durchaus in
sich beschäftigt. Zu allen Zeiten hat man dies Bild des Nachden-
kens bewundert, es geradezu den Gedanken, ‘il pensiero’, genannt,
während jener andere offene, lebensvolle Jüngling vielleicht noch
bewundernswerther ist. Diesen hat man bisher für Giuliano, Her-
zog von Nemours, jenen für seinen Neffen Lorenzo, Herzog von Ur-
bino gehalten, allein offenbar, so bemerkt Hr. Grimm, im Wider-
Ueber Künstler und Kunstwerke. 15
 
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