Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
I. VORSTUFEN KÜNSTLERISCHER GESTALTUNG.

U r s p r u n g.

Die Urzustände des menschlichen Geschlechtes sind Zustände der
Iiindheit. Die Sorge des Denkens ist noch fern. Docli sind die Triebe
thätig, durch welche das Geschlecht zum Schatfen angeregt wird. Das
Bediirfniss des Lehens gieht Anlass zn mannigfacheu Einrichtungen, clie
Freude am Lehen zu buntem Schmuck. Die Gehi ;r Natur, die cler
Mensch für seine Zwecke verwendet, clie Eigenheiten des Stoffes, den er
hearbeitet, die Lust zur Nachahmung von ergötzlichen Dingen, die er um
sich erblickt, sind der Grund von allerlei Gestaltung. Aber zur Kunst
führt dieses Scliaffen nicht.

Dann kommt die Stunde, dass dem Menschen die geistigen Mächte
cles Lebens kund werden. Die Gottheit offenbart sich ihm in innerer
Stimme, im Gesicht der Träume, in den Wundern der Katur, das Welien
grosser Ereignisse rührt seine geistigen Sinne, leitet seine Alinung zu
den Quellen, aus denen sie geströmt, zu den kiinftigen Tagen, clie inihrem
Gefolge sind; Genossen seines Daseins, von hölierer Ivraft erfüllt, setzen
ihren Fuss anf die Häupter der Yölker, und ihr Ende ruft clie Schauer
der Ehrfurcht wach. Das Ausserordentliche ist in das Leben des Menschen
getreten: — er bereitet dem Gedächtnisse desselben, damit es bleibe, an
der Stätte seiner Erscheinung ein festes Mal, — ein Denkmal. Er giebt
dem Denkmal das Gepräge des Ausserordentlichen, unterschieden von dem
was die Natur im Kreislauf des Jahres hervorbringt, was clas tägliche
Dasein fordert.

Im Denkmal ist ein geistig Empfundenes durch ein sinnliches Mittel
dargestellt. Dies ist der Begriff der Kunst. Das Denkmal ist ihr Beginn.

Das Denkmal ist Sinnbild jenes Ausserordentlichen, Sinnbild der Kraft,
welche darin offenbar geworden; es gilt dem jugendlichen Geschlechte als
Träger dieser Kraft, als selbst von ihr erfiillt. Heilige Gebräuclie ordnen
sich zur Feier dessen, was der Inlialt des Denkmales ist. Ihre Ausführung
wirkt auf clie Gestaltung der Denkmalstätte, der Umgebung des Denk-
males ein. Was das Bedürfniss und die Lust des Lebens an schaffender
Thätigkeit hervorgerufen, tritt dann, je nach Zweck und Keigung, als ein
Dienendes, ein Schmückencles liinzu.

Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte. I.

1
 
Annotationen