Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
364

A. Die Kunst des romanischen Styles.

Evangelisten, die auf einzelnen Blättern das Bucli eröffnen, haben trotz-
dem ein Gepräge erhabener Grösse, während die Linien der Gewandung
in weichem Flusse geführt sind; die Malerei bekundet überall die grösste
Sorgf'alt, und ein in zarten Regenbogenfarben gehaltenes Schillern der
Gründe gewährt einen fast phantasmagorischen Beiz. — Yerwandte Rich-
tung bei nicht minder prachtvoller Ausführung zeigen noch andre, auf
Yeranlassung Kaiser Otto’s II. gefertigte Evangeliarien, namentlich ein
aus der Ahtei von Echternach stammendes in der Bibliothek von Gotha
(s. oben), und ein zweites in der Bibliothek von Paris; ein drittes, wel-
ches der Kaiser dem Dome von Magdeburg geschenkt hatte, ist ver-
loren> — Aehnlich auch ein von Otto III. an den Dom zu Aachen ge-
schenktes Evangeliarium, gegenwärtig im Besitze des Canonicus von Ors-
bach. 1 — Yon der Nachfolge dieser Richtung der Miniaturmalerei im
elften Jahrhundert wird später die Rede sein. —

Dann sind im Fache der Miniaturmalerei aucli Beispiele der künstle-
rischen Thätigkeit der andern Nationen des Occidents vorhanden; diese
aber sind für das zehnte Jahrhundert durchweg so an Zahl wie an Be-
deutung ungleich geringer. Die französischen wie die englischen
Arbeiten dieser Zeit zeigen eine völlig verderbte Fortsetzung der älteren
Manieren, (S. 254 f.); und wenn ein für den Bisehof Ethclwold von AYin-
chester zwischen 970 und 984 gefertigtes Benedictionale (zu Chatsworth,
im Besitz des Herzogs von Devonshire)2 in der Farbenbehandlung eine
merkwürdige Annäherung an die zuletzt besprochenen deutschen Arbeiten
erkennen lässt, auch die Randverzierungen geschmackvoll antikisirende
Reminiscenzen zeigen, so sind gleichwohl die Figuren in äusserst barba-
rischen Missformen gezeichnet. — Ein in Italien gefertigtes Evangelia-
rium, in der Bibliothek von P a r i s, hat dagegen in seinen Gestalten
wiederum würdigere Grundmotive und ist selbst durch einige Züge selb-
ständiger Auffassung beachtenswerth.

Z w e i t e P e r i o d e.

Kach den Uebergängen, den Versuchen und Einleitungen, welche
die künstlerischen Bestrebungen des zehnten Jahrhunderts charakterisiren,
erscheint das elfte Jahrliundert als die Zeit der ersten selbständig gross-
artigen Entfaltung der Kunst des romanischen Styles. Auch in dieser
Epoche geht Deutschland den übrigen Landen voran; es sind die Erfolge
jener glorreichen Tage des sächsischen Kaiserhauses, welche nunmehr,
trotz mancher Ungunst äusserer Yerhältnisse, für das Culturleben zur
vollen und starken Frucht reifen. Was bei den andern Nationen ge-
schieht, hat nicht dieselbe umfassende .Bedeutung; doch bahnen sich auch
hei ihnen, zumal in den späteren Decennien des Jahrhunderts, hedeutende
und eigenthümliche Entwickelungen an. Die Belebung und Umbildung

1 v. Hefner, Trachten des christl. Mittelalters, I, T. 47, f. — 2 Dihdin bib-

liogr. decameron, p. LIY.
 
Annotationen