Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Allgemeiner Charakter.

171

Erfolge mit Bewusstsein bis zur letzten Spitze zu entfalten. Es war eine
Kestauration des Hellenismus, deren durchgreifende Ergebnisse sich ebenso
auf dem heimisehen Boden von Hellas wie in der Uebertragung nach
Rom bekundeten. Andrerseits war es das Römerthum, in den Traditio-
nen seiner Yorzeit, in der Schaustellung seiner stets liöher gegipfelten
Macht, was das künstlerische AV esen dieser Epoche bedingte. Rom selbst
besass von Hause aus keine Mitgift künstlerischer Phantasie; die etrus-
kische Schule liatte das Mangelnde, doch ebenfalls nur in beschränkter
Weise, ersetzt. Rom war den praktischen Interessen, den realen Erschei-
nungen des Lebens zugewandt, aber mit einer Scliärfe der Ueberlegung,
mit einer Grösse des Sinnes, dass Dasjenige, was es (zunäehst z. B. in
der Architektur) schuf, die volle Ivraft und Gesetzlichkeit des Naturda-
seins zu besitzen schien. Dies war ein Gegebenes; es kam nun darauf
an, das hellenische Kunstgesetz zu seiner Organisirung, Beseelung, poesie-
vollen Yerklärung zu verwenden. Beide Richtungen, die hellenisirt rö-
mische und die erneut hellenische, standen in lebhafter, sicli gegenseitig
steigernder AYecliselwirkung. Die Erfolge beider beruhten aber ungleich
weniger — wie in der früheren liellenischen Kunst — in der Kraft des
naiven, ungebrochenen Gefühles, als in der Gewalt des berechnenden
Yerstandes, der sich Gefühl und Phantasie dienstbar zu machen wusste.
Bei beiden tritt das zweckvoll Absichtliche in den Yorgrund.

Die allgemeinen stylistischen Eigenthümlichkeiten des römischen Zeit-
alters der Kunst machen sich am Auffälligsten in der Architektur be-
merklich. Hier erscheinen, neben den hellenischen, mancherlei eigenthüm-
liche Grundformen und Combinationen.

Der hellenisclie Tempel-Säulenbau findet fortgesetzt Anwendung, in
den hellenischen Landen zunächst mit unmittelbarem Anschluss an die
Musterwerke der Yergangenheit. Die eigentlicli römische Kunst zieht die
prächtige korinthische Säulenform vor und prägt das Kapitäl dieser Säule
in gleichartig gesetzlicher Korm aus. Dabei verbindet der römisclie Säu-
lenbau etruskische Reminiscenzen mit der hellenischen Behandlungsweise;
er behält den liohen etruskischen Giebel bei, der, minder harmonisch zu
dem Ganzen, diesem doch etwas mächtiger Aufstrebendes giebt; er ver-
wandelt die vorragenden Balkenköpfe der etruskischen Architektur in
Consolen, welche das Kranzgesims tragen; er giebt der Unterfläche des
Architravs eine, später zum reichen Schmuck umgebildete Gliederung, die
olme Zweifel aus der Zusammensetzung der Ilolzstücke des etruskischen
Architravs entstanden ist. Am Schlagendsten ist die Grunddisposition des
römischen Tempels, die, sehr liäufig wenigstens, von der hellenischen
abweicht und ebenfalls aus dem Princip des etruskischen Tempelbaues
hervorgegangen ist. Sie besteht in der Anordnung einer stark voitieten-
den Yorhalle, mit mehreren Säulen in der Seitenansicht, und einei Auf-
gangstreppe nur vor dieser Yorhalle, während die übrigen Seiten des
Baues sich auf einem Podest von der Höhe dieser Treppe erheben. Das
Tempelhaus selbst hat hiebei theils die glatte Mauerfläche, theils lst die
letztere mit Halbsäulen versehen, in welchen sich das System der Saulen
 
Annotationen