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Yierte Periode.

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scheinungen cles 12. Jahrhunderts noch gebundenen Elemente zu einem
organisch gegliederten Leben, zur Bewegung , zur Wärme, Fiille, Lust,
von demselben starken Btrome des Gefühles getragen, welcher gleich-
zeitig der ! ülle nationaler Dichtung ihr Dasein gab. Es wird ebenso
nach tieferer lotalität des künstlerischen Werkes gestrebt, wie nach be-
seelter Individualisirung der Form; die klassisehe Tradition erwacht
abermals, doch frischer erfasst, aus dem zeitthiimlichen Bewusstsein wie-
dergeboren. Der architektonischen Production tritt die figürlich darstel-
lende in umfassenderem Maasse, in stärkerer Selbständigkeit gegenüber,
durch ihr flüssigeres Gesetz die Starrheit des architektonischen brechend.
Der künstlerische Gedanke findet liier eine umfassendere, in die Form
vollständiger aufgehende Yerkörperung. Es ist in Wahrheit der Ansatz
zu einer ideal geläuterten Yollendung der occidentalischen Kunst vor-
handen.

Doch allerdings nur der Ansatz dazu. Die volksthümlichen Unter-
schiede des künstlerischen Schaffens sind bunt und wechselvoll wie nur
je; einem gemeinsamen, gleichartigen Zeitpunkte geht dies reiche Schaf-
fen, wie sehr dasselbe von jener höheren Erregung des Gefühles ergriffen
sein möge, nicht entgegen; die Leistungen, welche das Gepräge vorzüg-
lich gediegener Yollendung tragen, stehen in der grossen Gesammtmasse
der Production fast vereinzelt da. Der Drang nach einer Lösung des
überlieferten strengen Gesetzes führt nicht selten in das entgegengesetzte
Extrem, zu einer iibermiithig spielenden Behandlung; die mitiiberlieferten
phantastischen Neigungen finden dabei willkommene Gelegenheit, sich
auf’s Neue, in wunderbaren und seltsamen Combinationen statt in ge-
läutert organischer Entwickelung, geltend zu machen. Yieles, was ge-
heim im Grunde des volksthümlichen Bediirfnisses geruht hatte, entfesselt
sich, und dem Streben naeh gereinigter und harmonischer Schönheit tritt
selbst das Wüste, urthümlich Barbarische mit neuem Anspruch auf Gel-
tung gegenüber.

Die Schlussepoche des Romanismus, wunderwürdig in dem Reichthum
ihrer Strebungen, in der hohen Gediegenheit einzelner Erfolge, erweckt
das lebhafteste Interesse. Aber es bedurfte eines andern Weges, die
Eülle dieser Kräfte auf ein gemeinsames Ziel zu vereinigen.

Architektur.

In der Architektur dieser Epoche ist der Gewölbebau entschieden
überwiegend, während an dem System der flachen Decke nur noch aus-
nahmsweise festgehalten wird. Ebenso iiberwiegend erscheint die durch-
gebildete Gliederung der räumlichen Anlage. Es wird daher von der
einfach massigen, im Ganzen oder in den Hauptstücken ungetheilten Ge-
wölbedisposition, — der des einfachen Tonnengewölbes, der schlichten
Kuppelanlage, — abgesehen; es wird statt dessen eine complicirte Ge-
wölbeanordnung vorgezogen, welche die Decke und die stützenden Theile,
die Haupt- und Nebenräume in eine innigere Yerbindung setzt. Das
ausgebildete Kreuzgewölbe ist das vorherrschende System; aber auch
 
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