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B. Die Kunst des gothischen Styles.
volleres Formengefüge zeigt. Es ist die zweite Hälfte des 12. Jahr-
hunderts, sammt dem, was als unmittelbarer Ausläufer des Erwerbes
dieser Zeit noch in den Anfang des folgenden hinüberreicht.
Architektur.
Das neue Stylgesetz spricht sich zunächst nur in den allgemeineren
Beziehungen, in den Formen von genereller Bedeutung, — somit
vorzugsweise in der architektonischen Production aus. LTnd auch
in dieser zunächst nur in der veränderten Fassung und Haltung des
Ganzen. Auf eine feste Aufgipfelung der Räumlichkeit, auf eine Be-
deckung derselben durch leicht emporsteigende Wölbungen, auf den
Gewinn einer vollen hocheinströmenden Lichtwirkung bedacht, lässt
man jene Sonderung der Lasten und Stützen eintreten, welche sich
als Mittel zu diesem Zwecke darbot, sorgt man für die structive
Consequenz in der Durchführung dieses Systems, ordnet man die bau-
lichen Einzeltheile nach seinem Bedingniss. Ein aus starken Kreuz-
gurten mit dazwischen eingespannten Kappen bestehendes Gewölbe,
ein diesen Gurten und ihrem Druck entsprechendes Pfeilersystem,
die Hinausführung des Druckes auf Strebepfeiler und entgegenge-
spannte Strebebögen, die Anwendung der Spitzbogenlinie in allen
Wölbungen, ebenso zweckgemäss für die festere Haltung der Con-
struction wie bezeichnend für den allgemeinen Ausdruck des Empor-
strebens, sind die vorzüglichst charakteristischen Elemente. Die
hiemit neu eingeführten Theile, namentlich die im Aeussern des Ge-
bäudes, erscheinen in schlichter primitiver Form, wie sie durch den
structiven Zweck bedingt war, zugleich noch, ein Zeugniss des seine
Kräfte noch nicht beherrschenden Beginnens, in schwer lastender
Massenhaftigkeit. Das Uebrige der Einzelformation bewahrt vorerst
noch das romanische Gepräge, zum Theil (in dem Dekorativen) in
einer Ausbildung von reizvoller Eigenthümlichkeit, hiermit noch einen
auffälligen Gegensatz gegen die Starrheit jener neu hinzugefügten
Stücke bildend. Doch hat der veränderte Zug der inneren Räum-
lichkeit schon manche A7eränderung in den Verhältnissen dieser Einzel-
theile zur Folge. Das aufstrebende Element bedingt ein schlankeres
Einzelgefüge, die lebhaftere Gliederung, namentlich die der Decke,
eine lebhaftere Entwickelung der Einzeltheile. Die Bildung der an
Pfeilern und Wänden emporlaufenden Gurtträger, der leichten säulen-
artigen ,,Dienste“, erscheint von diesen Beziehungen innerhalb der
überlieferten Bildungsweise schon ergriffen; so auch die Einfassung
der Oeffnungen,' die Bogengliederung, u. s. w.
Der Werke, an denen die ersten Vorzeichen dieser künstlerischen
Richtung, ihre ersten, den romanischen Grundcharakter noch nicht
verlassenden Entwickelungsmomente ersichtlich werden, ist bereits
gedacht. Es sind die mehrerwähnten Bauten an der Kirche von
B. Die Kunst des gothischen Styles.
volleres Formengefüge zeigt. Es ist die zweite Hälfte des 12. Jahr-
hunderts, sammt dem, was als unmittelbarer Ausläufer des Erwerbes
dieser Zeit noch in den Anfang des folgenden hinüberreicht.
Architektur.
Das neue Stylgesetz spricht sich zunächst nur in den allgemeineren
Beziehungen, in den Formen von genereller Bedeutung, — somit
vorzugsweise in der architektonischen Production aus. LTnd auch
in dieser zunächst nur in der veränderten Fassung und Haltung des
Ganzen. Auf eine feste Aufgipfelung der Räumlichkeit, auf eine Be-
deckung derselben durch leicht emporsteigende Wölbungen, auf den
Gewinn einer vollen hocheinströmenden Lichtwirkung bedacht, lässt
man jene Sonderung der Lasten und Stützen eintreten, welche sich
als Mittel zu diesem Zwecke darbot, sorgt man für die structive
Consequenz in der Durchführung dieses Systems, ordnet man die bau-
lichen Einzeltheile nach seinem Bedingniss. Ein aus starken Kreuz-
gurten mit dazwischen eingespannten Kappen bestehendes Gewölbe,
ein diesen Gurten und ihrem Druck entsprechendes Pfeilersystem,
die Hinausführung des Druckes auf Strebepfeiler und entgegenge-
spannte Strebebögen, die Anwendung der Spitzbogenlinie in allen
Wölbungen, ebenso zweckgemäss für die festere Haltung der Con-
struction wie bezeichnend für den allgemeinen Ausdruck des Empor-
strebens, sind die vorzüglichst charakteristischen Elemente. Die
hiemit neu eingeführten Theile, namentlich die im Aeussern des Ge-
bäudes, erscheinen in schlichter primitiver Form, wie sie durch den
structiven Zweck bedingt war, zugleich noch, ein Zeugniss des seine
Kräfte noch nicht beherrschenden Beginnens, in schwer lastender
Massenhaftigkeit. Das Uebrige der Einzelformation bewahrt vorerst
noch das romanische Gepräge, zum Theil (in dem Dekorativen) in
einer Ausbildung von reizvoller Eigenthümlichkeit, hiermit noch einen
auffälligen Gegensatz gegen die Starrheit jener neu hinzugefügten
Stücke bildend. Doch hat der veränderte Zug der inneren Räum-
lichkeit schon manche A7eränderung in den Verhältnissen dieser Einzel-
theile zur Folge. Das aufstrebende Element bedingt ein schlankeres
Einzelgefüge, die lebhaftere Gliederung, namentlich die der Decke,
eine lebhaftere Entwickelung der Einzeltheile. Die Bildung der an
Pfeilern und Wänden emporlaufenden Gurtträger, der leichten säulen-
artigen ,,Dienste“, erscheint von diesen Beziehungen innerhalb der
überlieferten Bildungsweise schon ergriffen; so auch die Einfassung
der Oeffnungen,' die Bogengliederung, u. s. w.
Der Werke, an denen die ersten Vorzeichen dieser künstlerischen
Richtung, ihre ersten, den romanischen Grundcharakter noch nicht
verlassenden Entwickelungsmomente ersichtlich werden, ist bereits
gedacht. Es sind die mehrerwähnten Bauten an der Kirche von