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Kugler, Franz
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 2) — Stuttgart, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.27230#0593
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ACHTES KAPITEL.

BLICK AUF DIE KUNSTBESTREBUNGEN DER GEGENWART.

(Denkmäler, Taf. 102—136.)

Seit dem Ausgange des 18. Jahrhunderts hat ein neuer Auf-
schwung in dem gesammten Bereiche der Kunst begonnen, als ein
leuchtender Widerschein derjenigen Bewegungen, welche den Zustand
des europäischen Volkslehens so mächtig verändert, welche die Gei-
ster und die Gemüther der Menschen aufs Tiefste durchdrungen, ein
neues Leben der Wissenschaft, ein neues Gefühl des Daseins und
der persönlichen Geltung hervorgerufen haben. Was im 15. Jahr-
hundert begonnen ward und im 16. seine erste wundersame Bliithe
erreichte, aber bald in sich zerfiel; was man im 17. Jahrhundert
mit erneuten Kräften erfasste, wiederum zu selbständigen Besultaten
durchbildete und wiederum dem Verfall anheimgehen musste; das-
selbe Streben, doch aufs Neue in veränderter Gestalt tritt uns auch
in den Kunstleistungen unserer Tage entgegen. Eine neue Epoche
derjenigen Kunst, die wir als die moderne bezeichnet, hat begonnen;
eine unzählige Menge von Werken, die zum grossen Theil von denen
der früheren Zeit charakteristisch verschieden sind, eine bedeutende
Anzahl höchst werthvoller Leistungen bezeugt es uns, dass auch
diese Epoche auf eigenthümliche Geltung ihren vollen Anspruch hat.
Aber — ob auch bereits fünfzig Jahre, und mehr als fünfzig, seit
ihrem Beginn verflossen sind — ein umfassendes und vollkommenes
Urtheil über das künstlerische Streben dieser jüngsten Zeit auszu-
sprechen, sind wir noch nicht im Stande; noch wissen wir nicht, ob
etwa das Ziel desselben bereits erreicht sein möchte oder in wie
weiter Ferne es noch vor uns liege; noch stehen wir mitten drinne
in dem rührigen Treiben der mannigfaltigsten Kräfte, das unsern
Blick ebenso verwirrt, wie es unser Gemütli zur freudigsten Theil-
nahme anregt; noch fehlt uns der freie, entfernte Standpunkt, von
dem aus wir dies bunte Getriebe überschauen, das Wesentliche und
Bedeutsame von dem Vereinzelten und Zufälligen sondern, das Ganze
 
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