FÜNFTES KAPITEL.
DIE BILDENDE KUNST IN DEE ZWEITEN HÄLFTE DES SECHSZEHNTEN
JAHRHUNDERTS.
§. 1. Allgemeine Bemerkungen.
Die hohe Ausbildung des künstlerischen Styles und der künst-
lerischen Darstellungsweise, welche durch die grossen italienischen
Meister der früheren Zeit des 1 6. Jahrhunderts gewonnen war, ward
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts im weitesten Kreise umher-
getrogen, den verschiedenen, der künstlerischen Bildung geneigten
Nationen mitgetheilt, bei den mannigfaltigsten, einer künstlerischen
Gestaltung fähigen Gegenständen zur Anwendung gebracht. Diese
gleichmässige Verbreitung eines hochentwickelten Geschmackes bil-
det den Charakter des genannten Zeitabschnittes (dessen Anfang
und Ende jedoch, wie überall bei den Momenten des geschicht-
lichen Entwickelungsganges, nicht durch bestimmte Jahrzahlen zu
bezeichnen ist). Dabei ist aber zu bemerken, dass man im Wesent-
lichen nur die äusseren Elemente von dem, was jene grossen Meister
begründet hatten, aufzufassen vermochte, dass man in der Nach-
folge der letzteren wesentlich nur auf eine äusserliche Wirkung
bedacht war, dass man die Darstellungen gleich bei der Erfindung
mehr oder weniger auf die Schaustellung berechnete, und dass in
Folge solcher Sinnesrichtung der Styl, der einem hohen Auf-
schwünge des Geistes sein Dasein verdankte, grossen Theils zu einer
handwerksmässigen Manier umgewandelt werden musste.
Beides, die Verbreitung des hohen Styles und die Entartung
desselben zu einer äusserlichen Manier, beruht auf den allgemeinen
culturgeschichtlichen Verhältnissen. Der Zwiespalt zwischen alter
und neuer Geistesrichtung war jetzt offenkundig ins Leben getreten;
Katholicismus und Protestantismus standen sich als zwei feindliche
Mächte gegenüber. Jener war gewaltigen Sinnes auf ein Gebiet
hinübergetreten, wo ihm dio schönsten Biüthen des Lebens erspries-
sen mussten; aber er hatte dadurch seine eigentliche, feste Grund-
DIE BILDENDE KUNST IN DEE ZWEITEN HÄLFTE DES SECHSZEHNTEN
JAHRHUNDERTS.
§. 1. Allgemeine Bemerkungen.
Die hohe Ausbildung des künstlerischen Styles und der künst-
lerischen Darstellungsweise, welche durch die grossen italienischen
Meister der früheren Zeit des 1 6. Jahrhunderts gewonnen war, ward
in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts im weitesten Kreise umher-
getrogen, den verschiedenen, der künstlerischen Bildung geneigten
Nationen mitgetheilt, bei den mannigfaltigsten, einer künstlerischen
Gestaltung fähigen Gegenständen zur Anwendung gebracht. Diese
gleichmässige Verbreitung eines hochentwickelten Geschmackes bil-
det den Charakter des genannten Zeitabschnittes (dessen Anfang
und Ende jedoch, wie überall bei den Momenten des geschicht-
lichen Entwickelungsganges, nicht durch bestimmte Jahrzahlen zu
bezeichnen ist). Dabei ist aber zu bemerken, dass man im Wesent-
lichen nur die äusseren Elemente von dem, was jene grossen Meister
begründet hatten, aufzufassen vermochte, dass man in der Nach-
folge der letzteren wesentlich nur auf eine äusserliche Wirkung
bedacht war, dass man die Darstellungen gleich bei der Erfindung
mehr oder weniger auf die Schaustellung berechnete, und dass in
Folge solcher Sinnesrichtung der Styl, der einem hohen Auf-
schwünge des Geistes sein Dasein verdankte, grossen Theils zu einer
handwerksmässigen Manier umgewandelt werden musste.
Beides, die Verbreitung des hohen Styles und die Entartung
desselben zu einer äusserlichen Manier, beruht auf den allgemeinen
culturgeschichtlichen Verhältnissen. Der Zwiespalt zwischen alter
und neuer Geistesrichtung war jetzt offenkundig ins Leben getreten;
Katholicismus und Protestantismus standen sich als zwei feindliche
Mächte gegenüber. Jener war gewaltigen Sinnes auf ein Gebiet
hinübergetreten, wo ihm dio schönsten Biüthen des Lebens erspries-
sen mussten; aber er hatte dadurch seine eigentliche, feste Grund-