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Kugler, Franz
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 2) — Stuttgart, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.27230#0602
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590 VIII. Kap. Die Kunstbestrebungen der Gegenwart.

pien des gesammten künstlerischen Schaffens so weit auseinander,
dass alle erdenklichen, zwischen den äussersten Gegensätzen liegen-
den Abstufungen ihre Arertretung finden. Von den streng religiösen
Meistern, die im Anschluss an die mittelalterliche Auffassung das
Heil der Kunst erblicken, war oben schon die Rede. Ihnen zunächst
steht eine Gruppe ernster und tiefer Künstler, die sich durch das
Streben nach grossartiger sadistischer Auffassung auszeichnet. Sie
geht auf gedankenreiche, tiefsinnige üompositionen, auf edlen Zug
der Linien und feierlichen Pthythmus der Gruppirung aus, Avornit sie
eine entschieden plastische Formenbezeichnung im Sinne der Antike
und der römischen Schule des 16. Jahrhunderts verbindet. Dabei
ist freilich nicht zu verkennen, dass selbst die bedeutendsten dieser
Meister nicht entfernt so gut mit den Farben umzugehen Avissen
wie Rafael, selbst Avie Michelangelo. Der bedeutendste unter diesen
ist Peter von Cornelius, 1 nicht der erste Maler, Avohl aber der erste
Künstler unserer Zeit. Durch König Ludwig von Bayern nach
München berufen, schuf er daselbst seit 1825 jene ausge-
dehnten Freskencyklen der Glyptothek, der Pinakothek und der
LudAvigskirche, in denen er eine ebenso freie und grossartige Auf-
fassung des antiken Avie des christlichen Idealkreises bekundete.
Daran schliessen sich in noch kühnerer Gewalt die EntAvtirfe für die
Wandgemälde der von König Friedrich Wilh. IY. beabsichtigten
Königsgräber zu Berlin. Dem grossen Meister am nächsten ver-
wandt in der Tiefe und Kraft gleichartigen Strebens ist der früh-
verstorbene A. Bethel2 (Fresken im Rathhause zu Aachen. Com-
positionen zum Hannibalzuge u. A.). In München war neben Cor-
nelius (und dem schon früher unter den kirchlichen Malern aufge-
führten H. Hess) besonders J. Schnorr v. Carolsfeld 3 thätig, der in
seinen ausgedehnten Wandgemälden im königlichen Residenzschlosse
die Geschichte der Nibelungen, Karls des Grossen, und Friedrich
Barbarossa’s scliAvungvoll schilderte. Zu dieser Münchener Gruppe,
bei denen übrigens das Streben nach Grösse und Leidenschaft
manchmal in’s Aeusserliehe und Leere umschlägt, gehört auch der
Württemberger v. Gegenbaur,4 der im königlichen Schlosse zu Stutt-
gart eine Reihe von Fresken aus der württembergischen Geschichte
ausgeführt und dabei einen Glanz und eine Kraft des Kolorits ent-
faltet hat, wie sie kein andrer deutscher Freskomaler zu erreichen
vermochte. Von Cornelius Schülern hat nur W. v. Kaulbach 0 eine
selbständige Bedeutung erlangt durch seine phantasievollen und ele-
ganten Compositionen im Treppenhause des neuen Museums zu Ber-
lin und mehr noch durch seine satyrisclien Illustrationen zu Goethe s
Reineke Fuchs. Einer streng plastischen, antikisirenden Richtung
huldigt Bonaventura Genelli,6 früher in München, später in Weimar,

1 Denkmäler der Kunst, Taf. 106, Fig. 2 und Taf. 119, Fig. 2. — 2 Ebenda,
Taf. 122, Fig. 4. — 3 Ebenda, Taf. 106, Fig. 4; Taf. 119, Fig. 4. — 4 Ebenda,
T. 128, Fig. 3. — 5 Ebenda, T. 125, Fig. 1 u. 2. — 6 Ebenda, T. 125, Fig. 3.
 
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