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Kugler, Franz
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 2) — Stuttgart, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.27230#0402
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390 HI. K. Die itah bild. Kunst in d. ersten Hälfte d. 16. Jahrh. A. Sculptur.

von Genua enthält die Johanneskapelle ausser jenen Statuen Ci-
vitali’s zwei von Sansovino: den Täufer und die Madonna, letztere
wiederum ein Werk der lebensvollsten Schönheit. — Sonst war An-
drea viel ausserhalb Italiens, u. a. neun Jahre in Portugal, beschäf-
tigt. Im Berliner Museum befindet sich von seiner Hand ein
schönes Belief, anbetende Engel.

Als dritter neben Bustici und A. Sansovino ist Michelangelo
Buonarroti (1475—1564) zu nennen. Die Sculptur war das Fach,
welches dieser Künstler zu seinem eigentlichen Beruf ersehen hatte,
obschon er auch in der Architektur, wie bereits früher angeführt
ist, Bedeutendes (zwar zumeist wenig Erfreuliches) leistete, und ob-
schon er bestimmt war, die reichsten und edelsten Erzeugnisse
seines Geistes durch den Pinsel herzustellen. Michelangelo fasste
das realistische Streben des fünfzehnten Jahrhunderts — wenn man
es bei ihm noch so nennen darf — im grossartigsten Sinne auf;
wie die Werke der Antike, so haben auch seine Gestalten in sich
ihr Genügen und ihre Befriedigung; aber sie tragen zugleich ein
eigenthtimliches, hochgewaltiges Gepräge, das sie zum Ausdruck, zur
unmittelbaren Personification der elementarischen Kräfte, welche die
Welt halten und bewegen, zu machen scheint. Wo solche Darstel-
lungsweise mit dem Gegenstand in Einklang steht, da wirken sie
höchst ergreifend auf den Sinn des Beschauers; aber auch in andern
Fällen strebt Michelangelo gern nach demselben Eindrücke hin, und
er erreicht denselben alsdann zumeist nur auf Kosten der Kaivetät
(d. h. der Wahrheit). So beginnt mit ihm, der einen der höchsten
Glanzpunkte der neueren Bildnerei bezeichnet, zugleich auch, und
besonders in der späteren Zeit seines thatenreichen Lebens, der
Verfall der Kunst, der in dem Streben nach äusserem Scheine be-
ruht.

Am wenigsten gilt das Letztere von seinen Jugendwerken, in
denen seine ungestüme Kraft noch schlummernd erscheint, noch wie
träumend unter dem milderen Hauche der Kunst, die in den Zeiten
seiner Jugend in Florenz blühte. Zu diesen Werken gehört ein an-
muthvoller Engel in S. Domenico zu Bologna, an dem Denkmale
des Heiligen knieend, sodann zwei Beliefbilder der heil. Familie, in
der Akademie von London und im Museum von Florenz (beide
unvollendet). Ihnen reiht sich, obschon zu höherer Würde erwacht,
die Gruppe der Maria mit dem Christusleichname im Schoosse an,
die sich in der Peterskirche zu Born befindet und die Michelangelo
in seinem fünfundzwanzigsten Jahre fertigte. Etwa gleichzeitig mit
dieser ist seine Statue des Bacchus im Museum von Florenz, wenig
später sein kraftvoll belebter Koloss des David vor dem Pal. vec-
chio, ebendaselbst (den letzteren fertigte er, als Zeugniss seines
Kunstgeschickes, aus einem Marmorblock, der früher, durch jenen
Agostjno di Guccio, übel verhauen war und seitdem unbenutzt ge-
legen hatte). — Auch eine milde und würdevolle Madonnenstatue
in Notre-Dame zu Brügge reiht sich diesen früheren Schöpfungen an.
 
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