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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Kunst und Schiffahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0019

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Halle des Bremer Rathauses mit reicher Malerei
und zum Teil an den Seiten und in der Mitte mit
vergoldetem Schnitzwerk versehen. Die Füllungen
oberhalb der ringsherum laufenden, gestabten Brü-
stung sind nach Entwürfen Rudolf Alexander
Schröders mit zierlicher ornamentaler Wandmalerei
auf blankem Lackgrund geschmückt, ebenso wie die
Deckenfelder.

Die Mitte des Saales wird durch einen durch
drei Decks gehenden Dom mit durchbrochener
Brüstung gekrönt. Die Pfeiler und die Füllungen
sowie das Gesims find ganz vergoldet, vier große,
hohe, ovale Doppelfenster mit Rundbogen aus
Hellem Mahagoniholz stellen an jeder Seite des
Domes die Verbindung zwischen den beiden obersten
Decks her. Dahinter sind hellrote Seidenvorhänge
gespannt. Die Ruppeldecke ist weiß und mit reich-
vergoldeter Schnitzerei versehen. Die überaus reiche
Ornamentik wirkt dadurch außerordentlich reizvoll,
daß sie scheinbar an alte gute Rokokomotive an-
lehnt, aber doch in jedem Stück durchaus eigenartig
und neu erfunden ist.

Für die Ausstattung des Raumes ist in hervor-
ragendem Maße Mahagoniholz zur Verwendung
gelangt. Das Mobiliar ist aus naturfarbenem, hell-
braunem Mahagoniholz, und ein etwa t m hoher,
ringsherum laufender Sockel aus gestabtem Ma-
hagoniholz hergestellt. Als Speisetische dienen eine
große Anzahl kleiner, verschieden geformter Linzel-
tische für je zwei bis zwölf Personen. Mit rotem
Leder überzogene Stühle bieten eine bequeme Sitz-
gelegenheit. Neu und zweifellos außerordentlich
glücklich gelöst ist die Anordnung des Büfetts an
der Rückwand des Speisesaales. Neben seiner
Zweckmäßigkeit hat das Büfett noch den Vorzug,
daß seine Ausführung wesentlich zur Belebung des
Saales beiträgt, dessen Hauptteil sich in der breiten
Spiegelfläche spiegelt.

In den eigentlichen Gesellschaftsräumen herrscht
die Runst Bruno Pauls unumschränkt. Die große
Gesellschaftshalle, der Rauchsalon, das Lese- und
Schreibzimmer mit den dazugehörigen Vorplätzen
haben von seiner Hand eine künstlerische Ausstattung
erfahren, wie sie in solcher Einheitlichkeit sicher auf
keinem anderen Schiffe zu finden ist. Unter den
Ronversationsräumen ist zweifellos die Gesellschafts-
halle der interessanteste, Wir haben es hier mit
einem Salon von ganz hervorragender Raum-
wirkung zu tun, der, wie die Schöpfungen Pauls
auf diesem Schiffe überhaupt, frei von überladener
Pracht ist und gerade in seiner gediegenen Einfach-
heit, seiner vornehmen Ruhe und Behaglichkeit ein
höchst wirkungsvolles Gegenstück zu dem glanzvollen

Speisesaal bildet. Der gesteigerte Romfort an Bord
der transatlantischen Dampfer macht sich hier be-
sonders bemerkbar. Man erkennt ohne weiteres
die große Liebe und Sorgfalt, welche den Schöpfer
dieses Raumes bei seinem Entwurf geleitet hat,
und freut sich des äußerst originellen und künst-
lerisch wirksamen Eindrucks, den er hervorruft.

Die Holzverkleidung ist aus weißem Lschenholz her-
gestellt; die lvände und die Sitzmöbel bedecken
eigens dafür entworfene, reich gemusterte, kostbare
Stoffe in verschiedenen Färbungen.

Die Gliederung des 2\ m langen und \6 in
breiten Salons ist derart, daß in dem Hauptraum
die vier Ecken abgeteilt und besonders ausgebildet
sind. Diese vier Abteile scheinen durch eigenartige
dekorative Ausstattung je einen in sich geschlossenen
Raum zu bilden, sie sind jedoch an der Innenseite
geöffnet und gehören mithin zum Gesamtraum.
Durch eine intensive Farbenstimmnng, blau, rot,
gelb und grün, ist eine originelle und sehr schöne
Wirkung hervorgebracht; denn die Töne sind so
kunstvoll gegeneinander abgestimmt, daß sie die
harmonische Gesamtwirkung trotz ihrer stark be-
tonten Eigenart nicht stören, sondern im Gegenteil
noch erhöhen. Ls ist bekanntlich für einen Innen-
architekten leicht, einen Raum Ton in Ton zu
stimmen, es gehört aber fchon ein großes Rönnen
dazu, um, wie in diesem Raum, eine so mannig-
faltige, kräftig betonte Farbenskala zu einem ein-
heitlichen Ganzen zusammenzufügen.

Den Bodenbelag des Gesellschaftssalons bildet
ein handgeknüpfter Smyrnateppich in verschieden
getönten blauen Farben. Das nicht weniger als
s m breite und ^5 m lange gewölbte Oberlicht,
durch welches eine Fülle von Licht einströmt, besitzt
eine ruhige Verglasung aus bunten, geschliffenen

Gläsern.

Das Lese- und Schreibzimmer dieses Dampfers
ist den Münchenern von der Ausstellung 1^908 her
bekannt. Ls hat seinerzeit von sachverständiger
Seite eine Beurteilung erfahren, die kaum an-
erkennender sein konnte. U. a. schrieb ein Mün-
chener Runstschriftsteller:

„Der modern umgeformte, farbig verklärte

Biedermeierstil erobert sich Land und Meer —
wahrhaftig, auch das Meer, denn auch hier hat der
Biedermeierstil die Herrschaft angetreten. Das
überrascht auf den ersten Blick, denn man ist auf
unseren großen Schnelldampfern bisher an vielen
äußerlichen Prunk, an Überladung mit Schmuck
und Gold gewöhnt gewesen; aber bei genauerem
Überlegen ergibt es sich, daß dieser neu gewordene
Stil gerade hier wohl am Platze ist. Nirgends läßt

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