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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Brenneis, J.: Rechtsfragen in der Praxis der Kunst und des Handwerks, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0061

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auf den Kommentar zum Kunstschutzgesetz von
Professor Or. Osterricht, Berlin, Verlag von Karl
Heymann. Dieses Buch ist als zuverlässiger Führer
durch die verschlungenen Pfade dieses Gesetzes zu
empfehlen. Line kleine Ausgabe ist erschienen bei
Reklam, Die Urheberrechtsgesetze von Pannier,
Nr. 4237.

I. Das Urheberrecht an Werken der bildenden
Künste.

A. Voraussetzungen des Schutzes.

Der Bayerische Kunstgewerbeverein in Mün-
chen sagt in seiner Satzung in § 7: „3 n der
Ausstellungshalle werden nur Ge-
genstände zugelassen, welche in dem
Geschäfte des Ausstellers herge-
stellt oder nach dem eigenen Ent-
würfe des Ausstellers ausgeführt
wurden, und welche ferner ausge-
sprochenkunstgewerblichenLharak-
terbesitzenundsich durchgediegene
Ausführung, Eigenart, Neuheit und
Schönheit der Form auszeichne n."
So sehr nun auf der einen Seite der Nutzen
sein mag, den der Künstler oder Kunsthandwerker
erfährt dadurch, daß sein Produkt dem allgemeinen,
Kunstwerke suchenden und erwerbenden Publikum
leichter zugängig gemacht wird, so darf auf der
andern Seite nicht verhehlt werden, daß durch
die öffentliche Ausstellung die Gefahr entsteht,
daß die Gedanken und Ideen des Schaffenden,
die hier verkörpert sind, Nachahmung finden. In
dem Urheberrechtsgesetz vom 7. Januar J907 findet
er seinen Schutz gegen jeden Übergriff.

8 t des K. G?) sagt: „Die Urheber von Werken
der bildenden Künste werden nach Maßgabe dieses
Gesetzes geschützt."

wir chaben zunächst zu untersuchen die Begriffe:
Gegenstand des Schutzes, Werke der bildenden
Künste, Urheber und Schutz dieses Gesetzes.

Gegenstand des Schutzes.

Der Gegenstand des Kunsturheberrechtes ist
durch die §8 t bis 4 des K. G. festgelegt. Den
Schutz des Gesetzes genießen vornehmlich die Werke
der bildenden Künste. Der Gegenstand des Schutzes
ist gegenüber dem früheren Gesetze vom Jahre
(876 ausgedehnt worden auf die Werke der an-
gewandten Kunst.

Werke der bildenden Künste.

Die Künste haben ihren Ursprung in der
Seele des Menschen und sind Werke des Geistes.

l) K. G. = Runstschutzgesetz vom 7. I. (907.

Als solche sind es Schöpfungen, die die Individua-
lität offenbaren und als Spezifikum die Eigenart
des einzelnen Urhebers an sich tragen, wir haben
Werke der Sprache, Werke der Töne und Werke
der Formgestaltung. Letztere nennt man auch
Künste des Raumes, weil sie im Raume wirken,
während die Schöpfungen der Sprache und die
Tonwerke in der Zeit wirken.

Das Werk der bildenden Künste
ist die durch die Mittel der bilden-
den Künste zum sichtbaren Ausdruck
gelangte individuelle Schöpfung.
(Osterricht.)

Lin wichtiges Lharakteristikum der Schöpfung
ist die Individualität, das ist die Eigenart des
Schöpfers, eine I^ee, einen Gedanken zur Ver-
körperung zu bringen. Iede Tätigkeit des Men-
schen, in der der Willkür und dem walten der
Phantasie ein gewisser Spielraum verbleibt, ist
individuell.

Bei der Gestaltung eines Werkes kommen
neben den individuellen Elementen auch freie
Elemente in Betracht. Diese liegen in jedem
Werke nebeneinander. So zum Beispiel sind freie
Elemente die unwandelbaren Formen und Gesetze
der Natur, Gesetze der Statik, Licht und Schatten,
Stilgesetze, was durch die Gesetzmäßigkeit des
Stils vorgeschrieben ist, ist frei. Der Zweck des
Werkes liegt bei der, künstlerischen Schöpfung in
ihr selbst. Sie ist sich Selbstzweck. Dem steht nicht
entgegen, daß das Werk irgendeinem Zwecke dienst-
bar gemacht wird. I" diesen Fällen liegt der
Zweck außerhalb des Kunstschaffens. Er schafft
den Rahmen für die schöpferische Phantasie, gibt
den Anstoß, die Vorbedingungen. Für die Frage
der Schutzfähigkeit ist er aber unerheblich. Eben-
sowenig kommt bei der Frage der Schutzfähigkeit
des Werkes der künstlerische wert, der Grad der
künstlerischen Vollkommenheit in Betracht. Das
Urheberrecht schützt jede künstlerische, zum sinn-
fälligen Ausdruck gelangte individuelle Betätigung
ohne Unterschied, was den planmäßigen weg be-
trifft, die Schutzfähigkeit zu prüfen, so trägt alles,
was dem Gebiete der bildenden Kunst angehört,
die Vermutung der Schutzfähigkeit an sich. Die
Prüfung der Schutzfähigkeit ist wohl nur da zu
fordern, wo schon bekannte Formen in die Er-
scheinung treten, wo gezweifelt werden kann, daß
eine neue Urheberschaft vorliegt. Lin Werk darf
als individuell und fchutzfähig angesprochen wer-
den, wann und soweit es von dem willkürlichen
Schaffen des Künstlers abhing. Br.

(Fortsetzung folgt.)

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