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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Bimler, Kurt: Deutscher Eisenkunstguß
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0113

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Form so oft zu Gesicht kommt, viel eher eine künst-
lerische Veredelung erfahren haben? Die Frage
muß verneint werden. Dazu war das für den
plastischen Schmuck verwendbare Feld viel zu klein
bzw. die Gußtechnik damals für die möglichen
kleinen ornamentalen und figürlichen Verzierungen
viel zu roh. vergessen wir nicht, daß der Schmelz-
punkt des Eisens ein sehr hoher ist. Ein so subtiler
Guß war erst dem J9- Jahrhundert Vorbehalten.
Als Ersatz trat im Mittelalter am Eisen die Atzung
und Tauschierung oder in plastischer Ausgestaltung
der Schnitt ein, der in bewundernswerter weise
die Lösung der Aufgabe herbeiführte, die dem
Guß bis zum Ende des \8. Jahrhunderts versagt
blieb.

wie sich im Lisenschnitt die mythologisch-antiki-
sierende Richtung der Renaissance geltend macht,
so auch im Plattenguß. Der religiöse Inhalt wird
zugunsten der römischen Götter- und Heldenwelt
stark beeinträchtigt. Motive aus der heimisch-deut-
schen Sage und Legende fehlen nicht. Die ver-
waltende römisch-christliche Richtung wird im
*8. Jahrhundert durch die antikisierend-hellenistische
Hochflut abgelöst und der Lharakter der Lisen-
plastik wesentlich verändert. Die barocke und
Rokokoverzierung verschwindet und macht einer
vorherrschenden figürlichen Belebung des Reliefs
in griechischem Sinne mit den immer wieder-
kehrenden Motiven des Opfers, des Bachanals und
tändelnder Liebesszenen Platz, in denen der kleine
Liebesgott die erste Rolle spielt.

Das griechisch gestimmte Deutschland verlangte
mehr als dies. Kopien griechischer Meisterwerke
und antiker Kannen wurden heftig begehrt. Lauch-
hammer kam dem Wunsch am weitesten entgegen.
Ls hatte wohl seinen befähigten Modelleur wisko-
tjil, leistete aber gerade im Kopieguß Ausgezeich-
netes und wurde dadurch vorbildlich für alle Gie-
ßereien Deutschlands, von hier geht der Auf-
schwung der neuen Technik aus, von da die Un-
masse der antiken Gemmen und Medaillen, welche
die Epoche des Lisenschmuckes heraufbeschworen.
Nicht mehr bloß die Medaille oder Kamee, auch
die verbindenden Kettenglieder und der ornamen-
tale Teil wurde in Eisen gegossen. Die Hilfe der
Goldschmiede wurde in ausgedehntester weise
herangezogen, sie mußten silberne Gußmodelle zu
Ohrringen, Broschen, Fingerringen, Halsketten,
Gürtelschnallen, Haarkämmen usw. liefern, die
dem jeweiligen Stil gemäß die straffe Rhythmik
des Empire und die zierlich-naturalistische Art des
Biedermeier neben gotisierenden Formen auf-
weisen. Der Hauptteil des Schmuckes bleibt die

antike Kamee oder ein modernes Brustbildchen,
etwa der Königin Luise oder Luthers, oder eine
naturalistisch modellierte Blume. Sie werden zur
Hervorhebung und Belebung auf ein poliertes
Stahl- oder Goldplättchen gesetzt.

Die Fortschritte der Medaille, die in ihrem Inhalt
allmählich vaterländisch geworden war, beruhen
zum größten Teil auf der Porträtkunst des Tiro-
lers Leonhard Posch, der als gereifter Künstler
*804 von Wien nach Berlin übersiedelte und dort
eine Reihe von annähernd tooo kleinen Porträt-
bildnissen in wachs schuf, die zum Teil in Eisen
abgegossen wurden. Sie fanden als Schönstes und
Bestes, was der Lifenguß auf diesem Gebiet her-
vorbrachte, großen Anklang beim Publikum. Ein
Berliner Juwelier Moritz Geiß ließ zunächst solche
einseitige Porträtmedaillons von Posch, beliebte
und verehrte Mitglieder des Königshauses und
des geistigen Adels darstellend, auf eigene Rech-
nung in den Eisenhütten Bodenwöhr in Bayern
und Gleiwitz in Oberschlesien gießen und machte
blendende Geschäfte mit ihnen. Später ließ er
von demselben Künstler auch Reliefs religiösen
Inhalts Herstellen, ein Abendmahl nach Leonardo,
einen Ehristuskopf nach Eorreggio, eine Grablegung,
die Madonna de la Sedia usw.

In Preußen gedieh der Kunstguß zur höchsten
Vollendung und Ausdehnung. Aus der Begeiste-
rung dafür ward dort der Gedanke des Eisernen
Kreuzes geboren. Medaille, Schmuck und Rund-
plastik sind seine Domäne, schon vor der Erfindung
des Büsten- und Statuengusses.

Ein gemeinsames Gebiet aller Gießereien war
die reiche Ausgestaltung des Zweiges der ver-
zierten Gebrauchsgegenstände. Ein Feld für aus-
gedehnte Betätigung war hier dem Hüttenmodel-
leur gegeben. Reichhaltige Kataloge mit und ohne
Abbildungen, in den Jahren bis etwa ^830
in allen Gegenden Deutschlands herausgegeben,
nennen uns verschiedene Gebrauchs- und Zier-
artikel in vielen Variationen: Leuchter, Räucher-
lamxen und Ampeln, Uhren- und Schmuckhalter,
Schreibzeugs, Briefbeschwerer, Federhalter und
Petschafte, Tabaksdosen und Fruchtschalen sind die
immer wiederkehrenden Gegenstände. Ihr ge-
meinsamer Zug ist eine reiche Ausgestaltung mit
figürlichem Schmuck. Der Modelleur nahm ihn,
woher er konnte, wenn er ihn nicht selbst zu schaffen
vermochte. Aus antiken Kanephoren bildete er
Leuchter und Schalenträger. Antike Rundplastik
wurde als Briefbeschwerer herangezogen oder zu
Uhren- und Schmuckhaltern umgearbeitet. Eine
Jünglingsgestalt z. B. tritt in dreifacher Gestal-

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