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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 64.1913-1914

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Steinlein, Stephan: Über neuere Dekorationsmalerei: Anton Kiesgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8767#0134

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hälfte im ethischen Sinne, als die strenge Ab-
fage und Feindschaftserklärung gegen allen Imi-
tationstrug.

Ls war eine herbe Reaktion gegen den wüsten,
um seiner selbst willen anarchisch gewordenen
Dekorationsstil, jenes Zwittergeschöpf aus künst-
lerischer Ohnmacht und feiler Anmaßung, eine
programmatisch-puritanische Kasteiung gegen die
stilverwirrte und verirrte Nachgeburt der Gründer-
jahre nach der Reichsbesestigung. Ls war ver-
schriebene Diät auf allzu üppigen Mißbrauch: Re-
zeptur, Genesungsmittel. Zn der Zdee, im Ent-
schluß lag für die Krisenjahre wertvolles, im
Grunde wohl Unverlierbares, aber in der Über-
spannung der Konsequenz lauerte ein Moment der
Sterilität. Der Anteil der dekorativen Malerei
war auf die Peranziehung des Anstreichers als
pandlanger herabgeschraubt worden; die Ausgabe
der Farbe als bedeutendes funktionelles Mittel im
Raum, schien aus den Absichten der Neuerer sich
vollends zu verlieren; das pandwerk war ohn-
mächtig, weil es ihm an Können gebrach, und
mußte sich so, wenn auch grollend, in die unter-
geordnete Rolle fügen und fügte sich.

Franz Bußjäger, München

Ls rächte sich indes dort, wo ihm in den Schichten
der Fernstehenden ein Feld zum Austoben an
wänden und Decken blieb, in einer quasi „modernen
Richtung", die man in Fachjournalen jener Jahre
suchen muß, weil sie von den Orten der Tat im
Wechsel der folgenden Modeoberflächenströmungen
seitdem wieder verschwand.

Ls ist heute vergessen, wie der nicht zu meidende
Trieb nach dem sinnlichen Reiz der Farbe im Raum
die Innenkünstler nach allen erreichbaren polz-
arten der entferntesten Länder greifen ließ; ver-
gessen das Tasten und versuchen, den pölzern
durch technisch durchaus verfehlte, weil unhaltbare
Beiz- und Polierkünste Farbe aufzunötigen, abzu-
zwingen, um die fanatische Doktrin von der „ab-
soluten" Wirkung des nun allerdings nicht mehr
„reinen" Materials nicht zu verleugnen.

Schon der Dauer einer Ausstellung aber konnten
solche Künste nicht ftandhalten. Der längere Ge-
brauch erst richtete hart über solche Mißgriffe und
mußte belehren darüber, daß es Farbwerte gibt,
die den naturfarbenen Baustoffen mit keiner tech-
nischen Finesse auf normale Nutzungsdauer auf-
zunötigen gelingt. Darüber ward der asketische

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